Dachau:"Niemand wollte der Totengräber sein"

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Wilhelm Liebhart gibt auch das neue Heft des Amperlands heraus. Es dreht sich um das Reinheitsgebot. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wilhelm Liebhart erinnert sich, wie der Tassilopreis half, die regionalhistorische Zeitschrift "Amperland" zu retten

Interview von Wolfgang Eitler, Dachau

Kultur und Kommunalpolitik sind in Stadt und Landkreis Dachau eng verworben. Manchmal lohnt sich diese Verbindung, wie im Fall der "Brücke", einem Verein, der sich um straffällig gewordene Jugendliche kümmert. Deren früherer Vorsitzender Heinz Bielmeier hatte 2008 den SZ-Tassilo-Preis für das Lebenswerk erhalten, weil er mit jungen Leuten kunsthistorisch wichtige Gebäude wie die Villa des Jugendstilkünstlers Walter von Ruckteschell sanierte. Darin wurde er von der Stadt Dachau unterstützt. Der Kulturpreis war eine Anerkennung für beide. Aber im Fall der Zeitschrift Amperland brauchte es den Einsatz der Medien, um das finanzielle Ende der Publikation zu verhindern. 2006 erhielt sie den SZ-Tassilo-Preis, weshalb sich vor allem die Landkreise Fürstenfeldbruck und Freising nicht trauten, damit zu drohen, keine Zuschüsse mehr zu geben. Seitdem die Geschichtswerkstätten für erzähltes Leben in den Landkreisen florieren, erfüllt die Zeitschrift zudem die Funktion eines Ankers, der Erkenntnisse in der lokalen Geschichtsforschung erdet. Herausgeber ist der Historiker Wilhelm Liebhart aus Altomünster.

SZ: Herr Liebhart, hat Sie auf der 50-Jahrfeier vor wenigen Monaten das Gefühl der Genugtuung beschlichen - angesichts der Lobreden der Politik?

Wilhelm Liebhart: Genugtuung?Auf jeden Fall, da im Jahr 2006 aus einer Finanzkrise des Amperlands schnell eine Bestandskrise zu werden drohte. Ich weiß bis heute nicht, warum einige kommunale Träger der Zeitschrift plötzlich glaubten, ihre Zuschüsse von 31 250 Euro zurückfahren zu müssen. Der Landkreis Fürstenfeldbruck wollte sogar ganz aussteigen.

Allerdings standen Stadt und Landkreis Dachau hinter Ihnen.

Auch im Dachauer Landkreis gab es Stimmen, die daran zweifelten, ob man sich eine solche Zeitschrift alleine noch leisten könne. Deshalb haben damals alle auf den Landkreis Freising geschielt. Als die Zeitschrift 1965 gegründet wurde, waren sich die drei Kreisstädte und Landkreise einig, sie gemeinsam zu finanzieren. Aber in der gesamten Zeit waren Stadt und Landkreis Dachau die einzigen Partner, die uns immer konsequent unterstützten und motivierten.

In dieser Krise hinein schlug die "Süddeutsche Zeitung" in Dachau vor, dem Amperland einen der Tassilopreise zu geben. Die Jury war damit vorbehaltlos einverstanden.

Die Entscheidung war wichtig. Denn nach der öffentlichen Würdigung wollten sich weder der Landkreis Fürstenfeldbruck noch Freising an die Fahnen heften lassen, eine bewährte Einrichtung zu zerstören. Niemand wollte der Totengräber sein.

Sind Sie stolz auf den erfolgreichen Kampf für Ihre Zeitschrift?

Stolz? Einerseits ist jeder stolz, wenn er einen Sieg erzielt. Andererseits waren ich und meine Redaktion eher froh. Wir waren froh, dass unsere regionale wissenschaftliche Forschung nicht wegen kurzfristiger Geldsorgen kaputt geht. Ich muss es nochmals sagen. Die Stadt Dachau war immer hinter uns gestanden, egal wer der Oberbürgermeister war.

Ihr Redaktionsteam besteht aus Historikern, die mindestens 65 Jahre alt sind. Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?

Wir werden immer älter. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass jüngere Historiker bereit stehen. Denn die Stadtarchivare von Dachau, Freising und Fürstenfeldbruck engagieren sich intensiv. Sie sind jung. Damit ist die Kontinuität gewahrt.

Das neue Heft erscheint bald und beschäftigt sich mit dem Reinheitsgebot.

Das Heft ist bereits im Druck. Es wird ein Brauereien-Bier-Heft. Über Dachau haben die beiden Museumsvereine in Dachau und Altomünster vor einigen Jahren eine große Ausstellung erarbeitet einschließlich eines Katalogs. Schwerpunkt im neuen Amperland sind deshalb Fürstenfeldbruck und Freising. Und dann setzen wir die spannende zeitgeschichtliche Reihe über die Zeit des Nationalsozialismus in der Stadt Freising fort. Ich kann nur sagen: Das ist ein heißes Eisen. Außerdem planen wir für das Jahr 2017 ein Themenheft zum 150. Geburtstag von Ludwig-Thoma, vielleicht schaffen wir auch ein Heft zum Reformationsjubiläum.

© SZ vom 23.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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