Anfang November geht eine Homepage online, sie trägt den vielsagenden Namen "Landratsamt erhalten". Verfasser des darauf veröffentlichten Briefes ist Lukas Strasser, ein gebürtiger Dachauer der aktuell Architektur in Berlin studiert. Dem 28-Jährigen ist es, wie der Name der Homepage schon vermuten lässt, ein Anliegen, das rund 40 Jahre alte Gebäude am Bürgermeister-Zauner-Ring 11 zu erhalten, statt einen Neubau ein seine Stelle zu setzen. Warum er für dieses Vorgehen plädiert, das erklärte Strasser gemeinsam mit seinem Bruder Andreas und Tobias Heckmair, die beide ebenfalls Erstunterzeichner des offenen Briefes sind, vergangene Woche bei einem Infoabend des Bündnis für Dachau. Im Kern, das ging schon aus dem Schreiben an Landrat Stefan Löwl (CSU) und den Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) hervor, halten die Studenten einen Neubau angesichts der aktuellen Weltlage für "extrem unzeitgemäß".
Die Studierenden, das wurde bei der Präsentation im Gasthaus Steirer einmal mehr deutlich, stören sich an der sehr kurzen Lebensdauer des Landratsamts, das gerade einmal vor 43 Jahren eröffnet wurde. In einem solch massiv errichteten Gebäude stecke ein beträchtlicher Anteil sogenannter grauer Energie. Darunter versteht man jene Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes - oder, wie in diesem Fall eines komplett neuen Landratsamts - aufgewendet werden muss. Der für den Bau des Landratsamts verwendete Beton sei für eine Nutzung von bis zu 100 Jahren ausgelegt, deshalb erscheine ein frühzeitiger Abriss "dekadent und mehr als unökologisch", wie es in einer Pressemitteilung des Bündnis heißt.
Statt für einen Abriss plädiert Strasser für eine Umnutzung
In dem aktuellen Landratsamtsgebäude steckten, so heißt es darin weiter, rund 1000 Tonnen CO₂, welche bei Herstellung der Baumaterialien, Transport und Errichtung anfielen. Des Weiteren würden voraussichtlich rund 5000 Tonnen Bauschutt bei einem Abriss anfallen, welche größtenteils nicht weiterverwendet werden und somit auf der Deponie landen würden. Und selbst wenn Materialien doch weiterverwendet würden, ließe sich das unter dem Label Greenwashing führen, "da die Ausgangsmaterialien nach wie vor ihren Zweck im aktuellen Landratsamt erfüllen".
"Rückschrittlich und unzeitgemäß":Warum ein Architekturstudent den Neubau des Landratsamts stoppen will
Vor wenigen Tagen hat Lukas Strasser eine Homepage freigeschaltet, mit der er sich an Landrat Stefan Löwl und Oberbürgermeister Florian Hartmann wendet. Statt eines Neubaus fordert er den Erhalt des Gebäudes. Ein Haus abzureißen statt es zu sanieren, sei nicht nachhaltig, so der 28-Jährige.
Bei ihren Berechnungen und Annahmen stützen sich die drei jungen Dachauer, auch das betonten sie im Steirer, auf den Baukulturbericht 2022/23 von der Baukultur-Bundesstiftung und das sogenannte Abrissmoratorium, dem sich mehr als 500 führende Persönlichkeiten und Institutionen aus der Architektur- und Baufachwelt angeschlossen haben. Zentral in diesem offenen Brief an Klara Geywitz (SPD), ihres Zeichens Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, ist die Beweislastumkehr. "Nicht der Erhalt von Gebäudestrukturen sollte erklärungswürdig sein. Es ist ihr Rückbau, der in Zeiten schwindender Ressourcen erklärungsbedürftig wird", heißt es wörtlich in dem Brief an Geywitz.
Die Studierenden schätzen die Kosten für einen Neubau auf rund 100 Millionen Euro
Außerdem kritisierten Strasser und seine Mitstreiter in ihrer Präsentation die finanziellen Rahmenbedingen: Weil Kostenschätzungen für den Bau des neuen Landratsamts nach wie vor nicht vorliegen, haben die Studierenden kurzerhand eine eigene Kostenschätzung erstellt. Das Ergebnis: Ein Neubau des Landratsamts würde mindestens 100 Millionen Euro kosten. Allerdings, das sagten die jungen Dachauer selbst, seien das wohl sehr konservative Schätzungen, "da unter anderem der Abriss des aktuellen Landratsamtes sowie Übergangsräume für die Mitarbeitenden während der Baumaßnahmen und weitere Baupreissteigerungen nicht mit eingerechnet wurden".
Als verschwenderisch monierten die Studierenden laut Pressemitteilung abschließend, dass selbst im Fall eines Neubaus das alte Landratsamt nicht abgerissen werden müsste, sondern anderweitig genutzt werden könnte, zum Beispiel als Wohnraum oder als Erweiterung des bisherigen Landratsamts. Gegenargumente seitens des Landratsamts, wie etwa die zu aufwendige Sanierung, hätten bei ihnen den Eindruck hinterlassen, "dass es hier nicht um einen zukunftsfähigen Verwaltungsbau geht, sondern um einen politisch motivierten Protzbau ohne Sinn für Nachhaltigkeit sowie für vorausschauende Ressourcenplanung".
Enttäuscht zeigten sich die Studierenden demnach auch über das geringe Interesse an dem Thema seitens der Kommunalpolitik. Allein das Bündnis hätte ihnen mit der Möglichkeit, ihre Ergebnisse zu präsentieren, bislang eine Bühne gegeben und Interesse an dem Thema gezeigt.