Finanzen:KZ-Gedenkstätte Dachau kämpft um jeden Cent

Finanzen: Vor der KZ-Gedenkstätte Dachau müssen Besucher aus aller Welt erst einmal diesen wenig einladenden Parkplatz überqueren.

Vor der KZ-Gedenkstätte Dachau müssen Besucher aus aller Welt erst einmal diesen wenig einladenden Parkplatz überqueren.

(Foto: Toni Heigl)
  • Seit Jahren muss der Parkplatz an der KZ-Gedenkstätte Dachau saniert werden - doch dafür werden keine Gelder bewilligt.
  • Nicht nur in Dachau fragen sich Holocaust-Überlebende, nach welchen Kriterien die Mittel verteilt werden.
  • Grund des Ärgers: Die Staatsregierung will 21 Millionen Euro für die Erweiterung des Museums auf dem Obersalzberg locker machen.

Von Helmut Zeller

Der Obersalzberg in Berchtesgaden ist nicht mit dem Parkplatz der KZ-Gedenkstätte Dachau zu vergleichen. Die wissenschaftliche Dokumentationsstätte auf Hitlers Urlaubsberg und zweitem Regierungssitz neben Berlin stellt niemand infrage. Doch fragt man in Dachau zunehmend verärgert, nach welchen Kriterien eigentlich in Bayern Erinnerungsprojekte finanziert werden?

Es geht nicht nur um den Parkplatz, obwohl der dringend saniert gehört und nur viereinhalb Millionen Euro kosten würde. Auch für eine Reihe anderer, zeitgeschichtlich bedeutsamer Projekte gibt es seit Jahren kaum Geld - aber die Staatsregierung will jetzt 21 Millionen Euro für die Erweiterung des Museums auf dem Obersalzberg locker machen. Und damit zieht sie den Zorn von Holocaust-Überlebenden auf sich - nicht nur in Bayern, auch in Israel.

"Ich bin sehr enttäuscht, dass für die Finanzierung eines Gedenkorts Kräutergarten und die Sanierung des Besucherparkplatzes kein Geld vorhanden ist", erklärt der Auschwitz-Überlebende Max Mannheimer, Präsident der Lagergemeinschaft Dachau. Noch deutlicher wird Abba Naor, Vorsitzender der israelischen Vereinigung der Überlebenden der Dachauer Außenlager bei Kaufering/Landsberg. "Wir wundern uns doch sehr, dass so viel Geld für die ehemalige Residenz von Hitler ausgegeben wird. Das ist nicht zu begreifen, dass der Politik das wichtiger ist als die KZ-Gedenkstätte Dachau."

Seit bald 20 Jahren kämpfen die israelischen Holocaust-Überlebenden um angemessene Gedenkorte an den ehemaligen Außenlagern. In Mühldorf und in den Kauferinger Lagern bei Landsberg am Lech wurden mehr als 30 000 Häftlinge gezwungen, unter mörderischen Bedingungen für die Rüstungsindustrie zu arbeiten. Bei den Gefangenen handelte es sich zum größten Teil um Juden aus Ungarn, Polen und Litauen.

Kultusminister will das Projekt durchboxen

Noch sind die Obersalzberg-Pläne des Instituts für Zeitgeschichte in München nicht bewilligt. Das Dokumentationszentrum soll einen Erweiterungsbau bekommen und ein alter Blindstollen mit einem 35 Kilometer langen Tunnel soll für die Besucher - 172 000 im Jahr 2015 - geöffnet werden. Wegen der Kostensteigerung von ursprünglich neun auf 14 und jetzt 21 Millionen Euro legte der Haushaltsausschuss Anfang März die Baupläne auf Eis. Am Mittwoch befasst sich der Wissenschaftsausschuss des Landtags mit dem Thema. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) will das Projekt durchboxen.

Max Mannheimer will "Kräutergarten" und Obersalzberg nicht gegeneinander aufrechnen. "Es ist vollkommen in Ordnung, dass die notwendige Kostensteigerung für die Restaurierung des Tunnelsystems bewilligt wird." Aber warum soll kein Geld für Dachau vorhanden sein? "Um den weiteren Verfall zu verhindern, empfehle ich, aus dem Milliardenüberschuss, von dem Finanzminister Söder öfters spricht, einen Betrag zum Gedenken an die im Kräutergarten ermordeten katholischen Priester zur Verfügung zu stellen."

Auf der SS-Plantage für Heilkräuteranbau schufteten Dachau-Häftlinge, darunter auch viele Juden. Zwischen 1939 und 1941 wurden viele zu Tode gequält oder "auf der Flucht" erschossen. Gewächshäuser und Gebäude verfallen. Alle Pläne der Gedenkstättenleitung zu Erhaltung des Areals scheiterten bisher am Geld.

Die Gedenkstätten liegen im Fokus der Öffentlichkeit

Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, sagt: "Obersalzberg und Dachau sind beides Lernorte. Aber Dachau ist auch ein Opfer- und damit ein Gedenkort." Hitlers Bergdomizil aber ist ein Ort der Täter. Für ihn, sagt Freller, habe die Erinnerung an die Opfer Vorrang.

Nach Dachau kommen außerdem viele Angehörige von Opfern und Überlebende selbst, wie der CSU-Abgeordnete Freller sagt, die Gedenkstätte liegt im Fokus der Weltöffentlichkeit. Darauf müsse der Freistaat Bayern achten. "Ich bin für die 14 Millionen für den Obersalzberg. Für die jetzige Kostensteigerung aber habe ich nur ein sehr bedingtes Verständnis, da der Erkenntnisgewinn in keiner Relation zum Mehraufwand steht."

Der Kaufering-Überlebende Abba Naor ist auch Mitglied im Stiftungsrat der Gedenkstättenstiftung und des Internationalen Dachau-Komitees. Er stellt klar: "Es geht nicht gegen das Museum Obersalzberg, sondern um die Relation. Es ist beschämend, wie viel Geld in die Erhaltung von Täterorten gesteckt werden soll. Man darf aber doch einen Opferort wie Dachau oder Flossenbürg nicht aus den Augen verlieren."

So sehen er und die Überlebenden in Israel es. Der KZ-Gedenkstätte Dachau fehlt etwa ein Haus für Tagungen und Seminare, Einrichtungen, die für Yad Vashem oder Auschwitz selbstverständlich sind.

Jährlich fast eine Million Besucher

Dabei ist Dachau nicht irgendein historischer Ort: Die Gedenkstätte zählt jährlich fast eine Million Besucher aus aller Welt. Sie ist nach Auschwitz die meistbesuchte in Europa. Der Parkplatz gegenüber dem Besucherzentrum hat keine Beleuchtung, keine sanitären Anlagen und in den Kratern auf dem Areal staut sich Regenwasser zu kleinen Seen. Seit 2012 versucht die Gedenkstättenstiftung, das Geld für die Sanierung zu bekommen.

Auch der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) ärgert sich: "Ich habe darüber mit Überlebenden und dem Internationalen Dachau-Komitee gesprochen. Für 21 Millionen Euro etwa könnte man viele, wenn nicht alle ihrer Wünsche erfüllen." Man müsse deshalb nicht den Obersalzberg außer Acht lassen, aber es sei zielführender, viele aber nicht ein Einzelprojekt so massiv zu bezuschussen. Man müsse, sagt Hartmann, nur einmal die Besucherzahlen vergleichen.

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