Dachau / München:Bluttat in blindem Wahn

Das Landgericht München weist einen 51-jährigen Dachauer in die geschlossene Psychiatrie ein, der im Januar 2016 seine Frau brutal getötet hat: Der psychotisch erkrankte Mann war offenbar nicht mehr Herr über sein Handeln

Von Benjamin Emonts, Dachau / München

Wie im Wahn war ein 51-jähriger Dachauer, als er im Januar 2016 seine Frau tötete. Mit einem beilartigen Fleischhauer und einem Küchenmesser stach und schlug er unzählige Male auf die Ehefrau ein, er zertrümmerte ihr den Schädel und trat sogar noch zu, als die Frau bereits tot war. Statt eine lebenslange Haftstrafe für die grausame Tat zu verhängen, hat die Schwurgerichtskammer des Landgerichts München II den Dachauer am Donnerstag nun allerdings freigesprochen. Das Gericht erkannte bei dem Mann eine schwere psychische Störung, die zu der Bluttat geführt habe. Der Mann kommt aus der Untersuchungshaft nun in eine geschlossene psychiatrische Anstalt.

Der Angeklagte betritt den Gerichtssaal lächelnd, er trägt eine Jogginghose und ein Kruzifix um den Hals. Noch während der ersten Prozesstage machte er einen erstaunlich gelassenen Eindruck, obwohl er sich wegen Mordes verantworten musste. Der Angeklagte zeigte weder Reue noch Emotionen, er stellte die Tat so dar, als hätte er keine andere Wahl gehabt, als seine Frau zu töten. "Sie war sehr frech und hat mich betrogen", sagte er. Jetzt allerdings, als der Vorsitzende Richter Thomas Bott das Urteil verkündet und auf die psychische Krankheit des Angeklagten eingeht, weint der Dachauer und kündigt an, in Revision zu gehen: "Ich habe keine Wahnvorstellungen." Das Gericht aber ist der Überzeugung, dass der Dachauer psychisch schwer krank und daher schuldunfähig ist.

Der Psychiater Henning Saß, der im NSU-Prozess auch schon die Angeklagte Beate Zschäpe untersucht hat, bescheinigte dem Dachauer eine paranoide Schizophrenie, die sich bereits seit dem Jahr 2004 in Kombination mit Alkoholmissbrauch manifestiert habe. Der Dachauer wurde schon lange vor der Tat auffällig. Seit 2006 musste mehrmals die Polizei einschreiten, weil er seine Frau geschlagen hatte. Der Angeklagte litt unter Wahnvorstellungen, seine Frau betrüge ihn und arbeite als Prostituierte.

Nach erneuten Gewaltausbrüchen in den Jahren 2009 und 2010 wurde er zweimal in die Psychiatrie in Haar eingeliefert, wo die Ärzte eine "psychotische Störung mit vorwiegend wahnhaften Zügen" diagnostizierten. Seine Frau floh mit den beiden Söhnen mehrfach in ein Frauenhaus, kehrte aber immer wieder zurück. Die Kinder wurden bereits vor Jahren aus der Familie geholt und in einer betreuten Wohngruppe untergebracht.

Der Vorsitzende Richter, Thomas Bott, spricht von einer "wahnhaften Störung mit Eifersuchtsvernehmen und Verschwörungsgedanken". Der Angeklagte sehe sich ständig gegnerischen Lagern ausgesetzt, die ihm Böses wollten. Eines dieser Lager sei seine Ehefrau gewesen, von der er dachte, dass sie gegen ihn arbeite, auch mit Institutionen wie dem Arbeits- oder Jugendamt. Aus diesen Wahnvorstellungen heraus sei es im Januar vergangenen Jahres zu der tragischen Bluttat gekommen. Nachdem die 44-jährige Ehefrau aus Angst wieder das Wochenende außerhalb der gemeinsamen Wohnung verbracht hatte, kehrte sie am Vormittag des Tattags noch einmal kurz zurück.

Der Angeklagte verwickelte sie in ein Gespräch und wollte sie dazu bewegen, wieder zurückzukommen. Als sie ihn abwies, geriet der Dachauer in Rage und schubste sie gegen den Küchentisch. Mit einem Fleischerbeil, das er aus der Schublade holte, schlug er ihr mehrfach zentral auf den Schädel. Dann griff er zu einem Fleischhauer, den er nach einigen Schlägen wieder beiseite legte. Mit einem scharfen Küchenmesser mit 19-Zentimeter-Klinge versetzte er ihr schließlich neun Stiche, in den Rücken, die Lenden, den Bauch, die Brust. "Jede der Attacken wäre für sich tödlich gewesen", sagt der Richter. "Die Frau hat zwar verzweifelt versucht, sich mit den Händen zu wehren. Aber sie war der massiven, scharfen Gewalt hilflos ausgesetzt".

Der Angeklagte, erklärt der Richter weiter, habe sich in einer "hochgradig erregten Situation" befunden. "Er hat die Steuerungsfähigkeit verloren und geglaubt, er habe keine andere Wahl." Der Dachauer hatte Medikamente, die ihm verschrieben worden waren, immer wieder abgesetzt, weil er sich für gesund hielt. "Es ist tragisch, weil diese Erkrankung sich gerade dadurch kennzeichnet, dass den Erkrankten die Einsicht für ihr Behandlungsbedürfnis fehlt." Der Angeklagte stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit dar, weitere ähnliche Taten könnten nicht ausgeschlossen werden. Folglich ordnet der Richter die "mittel- bis langfristige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus" an.

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