"Wie kommen wir da wieder raus?" Das fragt die Moorexpertin Cornelia Siuda. Raus aus den fatalen Folgen des Wachstumswahns, dem auch weltweit die Moore, jahrtausendealte ökologische Systeme, zum Opfer gefallen sind. Das Dachauer Moos ist heute zum Großteil zerstört. Moore sind Klimaschützer, in ihnen lagert sich doppelt so viel Kohlendioxid ab wie in allen Wäldern der Welt. Aber durch Menschenhand sind sie zu Klimakillern gemacht worden. Seit dem 18. und 19. Jahrhundert setzen Trockenlegung, Torfabbau, landwirtschaftliche Nutzung und Besiedelung der Moore große Mengen an Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen frei; in Bayern etwa acht Prozent aller Emissionen. 95 Prozent der Moorlandschaften wurden im Freistaat durch Torf- und Landhunger bis heute zerstört - gefördert durch groß angelegte staatliche Programme. Dumm gelaufen.
Das Gegenprogramm lautet: Renaturierung der Moore. Was auch sonst? Doch die Zeit drängt. "Wie schnell kommen wir da hin?", fragt Siuda, die bei der Regierung von Oberbayern verantwortlich für das Klimaprogramm Moore 2050 Bayern ist. Aber schnell, das zeigt die Diskussion nach ihrem Vortrag im Landratsamt Dachau, geht da gar nichts. Der Verein Dachauer Moos hat dazu eingeladen. Gekommen sind unter anderem Bürgermeister, Kreisräte und Vertreter des Bundes Naturschutz, von Landschaftsschutzverbänden und Landwirte im Landkreis. Alles Leute, die sich des Problems schon bewusst sind - und nichts mit Klimawandel-Leugnern oder dem ehemaligen CSU-Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt am Hut haben, der 2017 noch in Brüssel einer Lizenz-Verlängerung für den Unkrautvernichter Glyphosat um fünf weitere Jahre zugestimmt hat. Auch das ist eine Folge der Moorzerstörung: Giftige Stoffe, die in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen, dringen ins Grund-und Trinkwasser, wenn die schützende Torfschicht zerfallen ist. Intakte Moore bieten seltenen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Stichwort Artenvielfalt, ein Thema, das in der gegenwärtigen Klima-Debatte in den Hintergrund gerückt ist.
Für die Renaturierung der Moore drängt die Zeit
Der Vorsitzende des Vereins Dachauer Moos, der Haimhausner Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU), kündigt an, der Vortrag der Expertin Siuda werde ein Stück weit Licht ins Dunkel bringen. Aber den Weg zur Rettung der Moore zeigen Naturschützer schon seit Jahren auf, zuletzt in einem offenen Brief im Dezember 2021. Bund Naturschutz und Landesbund für Vogelschutz forderten die Politik auf, endlich gegen die fortschreitende Zerstörung des Dachauer Mooses oder besser gesagt, seiner Reste zu handeln. Das Moos müsse zu einem Landschaftsschutzgebiet gemacht, eine Zerstörung durch die geplanten Umfahrungen Dachau Ost und Hebertshausen Süd sofort gestoppt werden. Auch der geplante Bau einer Stromtrasse durch das Inhauser Moos müsse verhindert werden. Au- und Schutzwälder müssten vor Kahlschlägen geschützt und als "Hochwasserpuffer" zur Verbesserung der Wasser-Rückhaltefähigkeit instand gesetzt werden. Gewässer und Gräben müssten zugunsten der Biodiversität der Dachauer Bachsysteme renaturiert werden. Sogenannte anmoorige Böden, feuchte Auen und Niedermoor-Standorte, alle einst trockengelegten Gebiete müssen wieder mit Wasser versorgt werden. Landrat Stefan Löwl (CSU) verstand den offenen Brief jedoch eher als einen Beitrag zur "Bewusstseinsbildung" der Allgemeinheit.
Die Expertin Siuda erläutert zwei staatliche Programme zur Renaturierung des Dachauer Mooses und überhaupt aller noch zu rettenden Moorlandschaften in Bayern. Das Moorbauernprogramm, für das eine Umnutzung der landwirtschaftlichen Flächen und die Erschließung neuer Märkte nötig sei, und den Landwirten eine Förderung zugute kommen lässt. Eine herkömmliche landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Nutzung sei nicht mehr sinnvoll, erklärt sie. Und das Moorwildnis-Programm, das eine naturschutzorientierte Pflege der Flächen und die Erhaltung der typischen Flora und Fauna vorsieht. Voraussetzung dafür aber seien zusammenhängende große Moorflächen - also die Möglichkeit zu Grundaufkäufen durch den Staat. In beiden Varianten geht es um die Vernässung der Moore, damit sie ihre Klimaschutz-Funktion ausüben können. Das Problem: Das Moorbauernprogramm, für das das Landwirtschaftsministerium zuständig ist, gibt es überhaupt noch nicht; und dafür wären, wie Kreisrätin Marese Hoffmann (Grüne) anmerkt, vor allem Aufklärung und Bildungsprogramme für die Landwirte nötig. Sie müssten erkennen, dass der Klimawandel gerade auch zu ihrem Nachteil führe, mit staatlicher finanzieller Förderung sei etwa bei den Maisbauern im Hackermoos nicht viel zu erreichen. Für das andere Programm, das der Bund Naturschutz im Palsweiser Moos erfolgreich umgesetzt hat, sind laut Siuda zunächst einmal Gutachten darüber nötig, wo man stehe und welche Flächen in Frage kämen.
Der Klimawandel lässt sich nicht mehr stoppen. Die Chance dazu hätte vielleicht noch in den 1980er Jahren bestanden, wenn die Staatengemeinschaft entschlossen gehandelt hätte. Wer heute unter dreißig ist, wird ziemlich sicher Zeuge - oder Opfer - verheerender Brände, Überschwemmungen oder Wirbelstürme. Aber es gibt Hoffnung. Man kann die Auswirkungen abmildern. Auf die Frage, ob es denn einen Kipppunkt gebe, von dem an eine Renaturierung des Dachauer Mooses nicht mehr möglich sei, antwortet Corenelia Siuda so: "Es ist nie völlig zu spät, aber es wird halt immer schlechter. Wenn der Torf weg ist, dann ist er weg."