Die Kegelbahn ist kaum drei Meter lang, die Kugel passt locker in Elli Vargas Handfläche. Leicht gebückt stützt sich die Seniorin an der Bande ab. Ihr Rollator steht neben ihr. Sie zielt und wirft. Die Kugel rollt über die Holzplatte, nur ein Kegel bleibt beim ersten Wurf stehen. Nicht schlecht. Zusammen mit ihren Mitbewohnern bespielt Elli Varga eine mobile Kegelbahn.
„Es belebt den Alltag hier“, sagt Silvia Große, Leiterin des evangelischen Pflegezentrums im Dachauer Friedrich-Meinzolt-Haus. Auch wenn die älteren Bewohner körperlich nicht mehr die Agilität von 20-Jährigen besitzen – die Kugeln werfen sie noch genauso entschlossen wie in früheren Zeiten. „Da ist dann schon Energie dahinter“, sagt Mitarbeiterin Christine Siemens.
Die Kegelbahn steht erst seit Kurzem im Pflegeheim. Sie besteht aus vier miteinander verschraubbaren Teilen, die mithilfe kleiner Räder von einem Ort zum anderen geschoben werden können. Sie ist auf Stelzen befestigt, so dass Senioren im Rollstuhl ebenso mitspielen können wie solche, die körperlich noch fitter sind.
Ein Geschenk der Chaoscityriders
Gespendet wurde die Kegelbahn von dem Dachauer Verein Chaoscityriders, entstanden sei die Idee dafür durch „einen lustigen Zufall“, wie der Vereinsvorsitzende Bernard Zeidler erzählt. Mit seinem Junior sei er bei einem Fußballspiel gewesen. Dort erfuhr er über den Vater eines Fußballkameraden von Petra Goseberg, die im Friedrich-Meinzolt-Haus arbeitet. Zeidler bot ihr an, dem Pflegezentrum etwas zu spenden. Daraufhin fiel Petra Goseberg die Kegelbahn ein, die speziell für Senioren angefertigt wird. So übergaben die Chaoscityriders kürzlich die aus Spenden von Dachauern und Vereinsmitgliedern finanzierte mobile Kegelbahn.
Pflegeheimleiterin Silvia Große kannte die Chaoscityriders bis dahin noch gar nicht. Der Verein sammelt seit mehreren Jahren Gelder für wohltätige Zwecke. Markenzeichen des Vereins ist sein blau-schwarz lackierter VW-Bulli, Baujahr 1994. Damit unterstützen sie viele soziale Einrichtungen und bedürftige Familien im Landkreis Dachau – die Dachauer Tafel ist nur eine davon. „Jede Spende wird zu 100 Prozent für soziale Zwecke ausgegeben“, wird Vorstand Bernard Zeidler in einer Pressemitteilung zitiert.
Während sich einer nach dem anderen an der Kegelbahn versucht, laufen Betreuer und Besucher vorbei, Einrichtungsleiterin Silvia Große und Christine Siemens grüßen alle freundlich. Freizeitaktivitäten wie diese seien für die Bewohner des Pflegeheims „ganz wichtig“, sagt Große. Es steigere die geistige Wahrnehmung und heitere das Gemüt auf. „Spaß hat etwas mit Lebensqualität zu tun“, das Miteinander unter den Leuten sei zentral. Zum gemeinsamen Kegeln kommen Senioren aus verschiedenen Stationen des Hauses zusammen.
Für Spenden ist das Pflegezentrum immer dankbar
Ein paar Tage nach der Übergabe der Kegelbahn waren auch Schüler der Mittelschule an der Anton-Günther-Straße zum „Filzen für Jung und Alt“ im Friedrich-Meinzolt-Haus zu Gast. Auch dieses Treffen haben die Chaoscityriders finanziert. Zwischen den Kindern und Bewohnern gab es „keinerlei Berührungsängste“, wie Silvia Große erzählt. Die gemeinsam gebastelten Filzkugeln hängen nun an Ästen im Eingangsbereich des Hauses.
Im Friedrich-Meinzolt-Haus arbeiten derzeit 127 Menschen, es bietet Platz für 144 Pflegebedürftige und finanziert sich durch Pflegeentgelte der Bewohnerinnen und Bewohner. Ab und zu bekomme das Haus Spenden von weiteren Organisationen, sagt Große, beispielsweise von der Dachauer Bürgerstiftung. Dadurch konnte sich das Pflegezentrum für die musikalische Unterhaltung eine Veeh-Harfe, also ein Zupfinstrument, zulegen, das auch ohne Notenkenntnisse gespielt werden kann.
Silvia Große schnappt sich an der Rezeption die hauseigene Kleine Zeitung für August und September. Darin aufgelistet sind verschiedenste Veranstaltungen und Freizeitaktivitäten für die älteren Menschen. So befindet sich im Haus ein Heimkino, montags steht Bingo auf der Tagesordnung. Zum Freizeitprogramm gehört nun auch die Kegelbahn, sie bleibe dauerhaft im Dachauer Pflegezentrum, wie Große betont. „Es werden bestimmt mal Turniere stattfinden.“ Doch wahrscheinlich sei das Kegeln eher etwas für die Wintermonate. Denn im Sommer hätten die Bewohner bereits volles Programm, unter anderem wird es ein Gartenkonzert geben.
Als es draußen zu stürmen und regnen beginnt, schieben die Mitarbeiter die Kegelbahn kurzerhand in den Eingangsbereich des Friedrich-Meinzolt-Hauses; sonst wird sie in einem Unterstand draußen bei der Cafeteria abgestellt. Nach kurzer Zeit hat sich das Gewitter wieder verzogen. Jetzt könnte es mit der Kegelrunde wieder weitergehen.