Dachau:Mehr jugendliche Straftäter

Die Jugendgerichtshilfe in Dachau ist besorgt: Die Zahl der jugendlichen Straftäter steigt, immer mehr müssen gar ins Gefängnis. Dabei hilft diese Strafe laut Experten kaum.

Gregor Schiegl

Dass Wegsperren straffällige Jugendliche auf den rechten Weg zurückbringt, glaubt Jugendgerichtshelferin Ursula Walder nicht: "Alles bringt mehr als Gefängnis." Deshalb reagiert der Verein "Die Brücke", der sich um straffällig gewordene Jugendliche kümmert, besorgt auf die jüngste Entwicklungen.

JVA Dresden

Neun junge  Männer aus dem Landkreis Dachau wurden 2010 zu Haftstrafen verurteilt - 2008 war es kein einziger.

(Foto: dapd)

Neun junge Männer aus dem Landkreis mussten 2010 ins Gefängnis, im Vorjahr waren es noch fünf gewesen, 2008 kein einziger. Die neun verurteilten Jugendlichen und Heranwachsenden aus dem Landkreis müssen Haftstrafen zwischen acht Monaten und fünf Jahren verbüßen.

Nach Angaben der Brücke hat es ähnliche Spitzen bei den Jugendstrafen bereits 2007 und 2004 schon einmal gegeben. Damals mussten zehn junge Delinquenten hinter Gitter. Allerdings wurden in den vergangenen Jahren noch nie so viele Bewährungsstrafen nach Jugendstrafrecht verhängt wie im Jahr 2010. Die bisherigen Spitzenwerte von 19 Fällen im Jahr 2004 und 2007 wurden mit 24Fällen noch einmal deutlich überschritten - nach 18 Fällen 2009 und zwölf im Jahr 2008.

Drei junge Männer seien 2010 wegen versuchter Tötung ins Gefängnis gekommen, sagt Ursula Walder. Die anderen hätten sich "hochgedient" - also so lange Straftaten begangen, bis das Gericht nicht mehr umhin kam, eine Freiheitsstrafe zu verhängen. Doch nach Ansicht der Brücke sind diese Sanktionen eher kontraproduktiv.

Der Verein beruft sich auf eine Rückfallstatistik des Bundesjustizministeriums aus dem Jahr 2004. Danach wurden fast 78 Prozent der zu einer Haftstrafe verurteilten Jugendlichen binnen vier Jahren wieder rückfällig, beim Jugendarrest waren es 70, bei Bewährungsstrafen 60, bei Auflagen 55, und wenn das einfache Verfahren eingestellt wurde, gar nur mehr 40 Prozent

Den meisten sei die erste Verurteilung schon Warnung genug. Es gehöre zum Wesen der Jugendlichen, Grenzen auszuloten. Walder wirbt um Verständnis für ihre Klientel. "Kriminalität ist bei Jugendlichen systemimmanent." Das gelte insbesondere für Bagatelldelikte, mit denen sich auch die Gerichte verstärkt herumschlagen müssen.

Vieles, was früher als Dumme-Jungen-Streich durchgegangen sei, werde heute sofort zum Straftatbestand erklärt: eine selbst gebaute Kartoffelschleuder werde gleich als versuchte Körperverletzung geahndet, ein abgebrochenes Streichholz im Garagentor als Sachbeschädigung. Die Toleranz gegenüber Jugendlichen habe stark nachgelassen, stellt Ursula Walder fest. "Alles wird angezeigt. Man redet nicht mehr miteinander."

Die Rangliste der Delikte ist weitgehend unverändert. An der Spitze stehen Eigentumsdelikte (302), gefolgt von Körperverletzungen (181), Verkehrsdelikten (138) und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (97). Stabil geblieben ist auch die Zahl der Sachbeschädigungen (57) und der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (11), die häufig unter Alkoholeinfluss stattfinden, meist im Umfeld von Volksfesten.

Angewandt wird die Jugendstrafe auf Straftäter zwischen 14 und 21 Jahren, die schwere Delikte begangen haben, sowie bei Jugendlichen, denen Erziehungsmaßnahmen wie Sozialarbeitsstunden, Kurse oder pädagogische Seminar wenig bringen.

Sie haben, wie es im Juristendeutsch heißt "schädliche Neigungen" und geraten immer wieder auf die schiefe Bahn. Nicht immer kann die Brücke helfen. Zwei straffällige Heranwachsende lassen die Helfer nicht mehr an sich heran heran. "Die sind schon auf dem Absprung", befürchtet Ursula Walder.

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