Dachau:Mazurka trifft Zwiefachen

Lesezeit: 3 min

Im Adolf-Hölzel-Haus zeigen die polnische Tanzgruppe Bandoska und D'Ampertaler gelungene kulturelle Annäherung. Der Abend ist geprägt von Herzlichkeit und kontrastreichen Darbietungen.

Von Johannes Vogel

Wütend werfen sich die beiden Männer gegeneinander. Einer hat eben versucht, dem anderen seine Tänzerin auszuspannen. Das Mädchen findet den Provokateur interessanter. Zufrieden beginnen die beiden einen schnellen Dreher, während sich der verlassene Tänzer enttäuscht zurückzieht. Mit unterhaltsamen szenischen Einlagen hat das polnische Sing- und Tanzensemble Bandoska seine Darbietung im Adolf-Hölzel-Haus bereichert. Abwechselnd mit dem Dachauer Trachten-Verein D'Ampertaler führten sie Volkstänze ihrer Heimat auf.

Der Abend geht zurück auf Initiative der Deutsch-Polnischen Gesellschaft München (DPGM) und ihres Vorsitzenden Werner Meier. Die DPGM lädt im Sinne des kulturellen Austausches polnische Vereine nach Bayern ein. Diesmal sollte es eine Volkstanzgruppe sein, und zwar eine aus dem Südosten Polens. "Das Gebiet ist noch weitgehend unberührt, was den Austausch mit Deutschland betrifft", sagt Meier. So fiel die Wahl auf Bandoska aus dem Karpatenvorland, an der Grenze zur Ukraine und der Slowakei. Damit sich die Anreise auch lohnt, suchte Meier nach befreundeten Brauchtumsvereinen, um Bandoska mehrere Möglichkeiten zur Aufführung zu bieten. Unter anderem wurde er bei den Ampertalern fündig.

Der Saal im Adolf-Hölzel-Haus ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Neben vielen Ampertalern sind auch andere Trachtenfreunde und Zuschauer erschienen. Bandoska eröffnet den Abend mit der Jugendgruppe. Begleitet werden sie von Ziehharmonika, Geige und Kontrabass.

Der um sein Mädchen betrogene Tänzer scheint seine Wut schnell vergessen zu haben. Mit den anderen Burschen bildet er eine Formation, der sich alsbald die Deandl anschließen. Sie vollführen einen gemütlichen Tanz, in dem sich Dreher und Wiegeschritt abwechseln. Doch wer bayerischen Volkstanz gewöhnt ist, wird schnell überrascht. Der junge Tanzmeister ruft den Musikern ein Stichwort zu und die Begleitung springt in einen schnellen Sechzehntelrhythmus. Die Deandl und Burschen im Studentenalter wirbeln über das Parkett, dass Zöpfe, Röcke und Schürzen fliegen. Ein weiterer Ruf - und die Paare tanzen zu langsamer Musik im Kreis. Schnell bekommt man den Eindruck einer Choreografie, in der auf komplexe Weise verschiedene Tänze verbunden sind. Dazwischen kommen weitere Rollenspiele, in denen sich Buben und Mädchen gegenseitig zurückweisen und wieder versöhnen. Verstünde man die dabei gesungenen Dialoge, wären die Szenen sicher um einiges lustiger gewesen. So aber muss sich der Deutsch sprechende Zuhörer aus der Mimik und Gestik der Tänzer eine Geschichte zusammenreimen.

Dann treten D'Ampertaler auf. Zur Begleitung auf der Quetschn präsentieren sie eine Sternpolka und andere Schätze des bairischen Volkstanzes. Der Unterschied zu Bandoska und Mazurka könnte kaum größer sein. Die dunkle Tracht der früheren Dachauer Großbauern steht in Kontrast zu den farbenfrohen slawischen Gewändern. Die so vertrauten Tänze sehen im Vergleich zu den akrobatischen Darbietungen der Polen auf einmal fast lahm aus. Das liegt freilich nicht an der sehr versierten Dachauer Gruppe, sondern am grundverschiedenen Wesen der Tänze.

In der letzten Darbietung der polnischen Jugendgruppe wähnt man sich beinahe im Zirkus. Die Burschen machen Liegestützen und stoßen sich vom Boden so stark ab, dass in der Luft Zeit zum Klatschen bleibt. Dann gleitet ein Tänzer wie ein Hecht unter einem anderen hindurch, der auf allen Vieren steht. Die Mädels dürfen zuschauen. Kurz vor Schluss bilden die Tänzer Paare und tauschen in atemberaubender Frequenz ihre Hüte. Als ob das nicht schon zu einem Lachausbruch im Publikum geführt hätte, setzen sie sich in eine Reihe und lassen die Hüte wie eine Schlange über ihre Köpfe wandern.

Auch wenn all diese Elemente nördlich der Karpaten angeblich traditionell vorkommen, wirkt die Aufführung doch sehr gestellt. Der Senioren-Tanzmeister von Bandoska erklärt, warum. Die Gruppe sammelt Tänze aus verschiedenen Regionen Polens und bereitet sie semi-professionell auf. Sie hatte bereits in mehr als einem Dutzend Ländern Auftritte. Da verwundert das detailliert einstudierte Programm nicht mehr.

Umgekehrt bleibt den polnischen Gästen neben ihren Pausen im Nebenraum kaum Zeit, die Ampertaler in Aktion zu sehen. Die wenigen im Saal anwesenden jungen Tänzer sehen den bayerischen Schrittfolgen interessiert zu und spenden begeisterten Applaus. Auch der Senioren-Tanzmeister findet die hiesigen Tänze "ganz anders als in Polen, aber sehr interessant". Dass die Gruppe für ihre Tour nach Bayern selbst in die Tasche greift, verdeutlicht ihren Wunsch nach internationalem Austausch. Auch die Ampertaler scheinen daran Gefallen gefunden zu haben. Robert Gasteiger, Vorsitzender des Vereins, kann sich einen Gegenbesuch im Karpatenvorland gut vorstellen.

Für die sportliche Dynamik der polnischen Tänzer hat er eine einfache Erklärung. "Je weiter man runter kommt (Anm. der Redaktion: nach Osten) , desto mehr Adrenalin haben sie", sagt Gasteiger. "Die bei uns getragenen Dirndl sind schwer, während in Polen viel leichtere Trachten üblich sind. Daher können sie auch schneller tanzen." Für die Zuschauer hat gerade dieser Kontrast zweier souveräner Darbietungen aus verschiedenen Kulturen den besonderen Reiz des Abends ausgemacht.

© SZ vom 13.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: