Widerstand gegen Beschluss:Protest gegen Erhaltungssatzung

Martin-Huber-Straße

Das alte Dachau: Viele Häuser in der Martin-Huber-Straße wurden zwischen 1910 und 1930 errichtet. Die Stadt würde sie gerne unter kommunalen Denkmalschutz stellen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Anwohner der Martin-Huber-Straße in Dachau befürchten einen Wertverlust ihrer Grundstücke, wenn die Stadt Häuser unter kommunalen Denkmalschutz stellt.

Von Jacqueline Lang

Dächer mit Schopfwalmen, Erkern und Gesimsen und mehrflügeligen Fenstern - in der Martin-Huber-Straße ist noch ein Stück der alten Stadt Dachau sichtbar. Viele Häuser dort wurden 1910 und 1930 errichtet. Im Oktober vergangenen Jahres hatte der Bauausschuss mit knapper Mehrheit für die sogenannte Erhaltungssatzung gestimmt. Mit ihr sollten insgesamt 20 Gebäude entlang der Martin-Huber-Straße, des Amperwegs und jeweils ein Gebäude auch in der Dr.-Engert-Straße sowie der Ludwig-Thoma-Straße unter kommunalen Denkmalschutz gestellt werden. Die Häuser, erklärte Bauamtsleiter Moritz Reinhold damals, prägten das Stadtbild und seien deshalb erhaltungswürdig. Rund drei Monate später formiert sich Widerstand seitens der betroffenen Anwohner. Unterstützung bekommen sie von der Überparteilichen Bürgergemeinschaft (ÜB), die den Beschluss von Anfang an kritisch sah. Widerstand regt sich auch bei Anwohnern.

Die meisten hatten erst durch die Presse von dem Vorhaben erfahren. Ende November des vergangenen Jahres lud die Stadt dann zu einer Veranstaltung ein, um die Anwohner aufzuklären. "Die meisten wussten ja bis dahin gar nicht, um was es da eigentlich geht", sagt Mario Grahammer, selbst Anwohner der Martin-Huber-Straße. Gemeinsam mit 17 anderen Parteien hat er nun einen offenen Brief an Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) und den Stadtrat verfasst, in dem er sich dezidiert gegen die Erhaltungssatzung ausspricht.

"Das Haus ist meine private Altersvorsorge"

"Die Relation zwischen dem durch Satzung bewirkten oder gedachten subjektiven ästhetischen Mehrwert für die Allgemeinheit und den rechtlichen Nachteilen der Grundstückseigentümer erscheint uns unverhältnismäßig", heißt es darin. Gefordert wird deshalb eine Rücknahme des Aufstellungsbeschluss. Es sei ihre "feste Überzeugung", schreiben die Anwohner, "dass sich das städtebauliche Bild" der Straßen "sehr gut mittels des aktuell gültigen Baurechtes bewahren" lasse.

Mario Grahammer besitzt das Haus in der Martin-Huber-Straße zwar nicht, doch er lebt und arbeitet darin, und irgendwann wird er es auch erben. "Das Haus ist meine private Altersvorsorge." Sollte die Erhaltungssatzung wirklich durchgesetzt werden, davon ist er überzeugt, würde das den Wert der Immobilie allerdings deutlich mindern - und könnte ihn in finanzielle Schwierigkeiten bringen. "Aktuell liegt der Kaufpreis pro Quadratmeterpreis bei etwa 2000 Euro, sollte die Erhaltungssatzung kommen, liegt der Quadratmeterpreis höchstens noch bei 300 bis 400 Euro", behauptet er.

"Jetzt kann man Bausubstanz mit dem Espressolöffel rausschaufeln"

Wenn ihm das Haus einmal gehöre, würde er es gerne abreißen und ein neues Gebäude hinstellen. Eines, dessen Dach keine Ruine und dessen Elektrik nicht komplett veraltet ist. "Jetzt kann man Bausubstanz mit dem Espressolöffel rausschaufeln." Allein das Dach wieder instand zu setzen würde nach seiner Schätzung zwischen 150 000 und 180 000 Euro kosten. "Da ist rein gar nichts erhaltungswürdig", sagt Grahammer. Aufgrund einer Änderungsunterlassung dürfe er schon jetzt keine Veränderungen mehr vornehmen. Für ihn und die anderen Anwohner sei das "reine Willkür" und habe schon fast "Kommunismuscharakter". Der Bauamtsleiter habe sich auch sicherlich keines der Häuser von innen angesehen. "Dem Mann muss man Einhalt gebieten", schäumt er.

Auch die ÜB-Fraktion sieht "übermäßige und nicht erforderliche Eingriffe in Rechte von Grundeigentümern kritisch", wie es in einer Pressemitteilung der Stadträte Rainer Rösch und Peter Gampenrieder heißt. "Wir wünschen uns vom Stadtbauamt keine kleinteilige Verbotspolitik, die sich auf punktuelle Besonderheiten bezieht, sondern Impulse für die Stadtentwicklung mit planerischem Weitblick - das Ganze bei transparent gesteuertem, moderatem Wachstum." Die beiden ÜB-Stadträte schlagen beispielsweise "stadtteilbezogene Bebauungspläne" vor. "Die würden künftig Diskussionen im Einzelfall ersparen." Vor dem "Hintergrund neuer Entwicklungen" beantragt die ÜB "eine Wiederbehandlung des Grundsatzbeschlusses im Stadtrat". In der Begründung des Antrags heißt es, man sei erstaunt, dass die Ausarbeitung des Satzungsentwurfs gut ein Jahr dauern solle. "Sollte der Grundsatzbeschluss im Lichte aktueller Erkenntnisse keine Mehrheit mehr finden, könnte das Bauamt die Arbeitszeit für andere Themen verwenden."

OB Hartmann hat das Thema "Aufstellungsbeschluss einer Erhaltungssatzung" infolge des ÜB-Antrags auch auf die Tagesordnung der nächsten Stadtratssitzung am Dienstag, 4. Februar, gesetzt. Sie beginnt um 18.30 Uhr im Großen Sitzungssaal des Rathauses und kann auch von Bürgern besucht werden. Die nun sowohl von politischen Mitbewerbern wie auch von Anwohnern geäußerte massive Kritik kann Hartmann nicht ganz nachvollziehen. Schließlich gebe es die Erhaltungssatzung, die so große Befürchtung auslöst, noch gar nicht. Er setzt nun auf Aufklärung: "Mir persönlich ist es sehr wichtig, in dieser Angelegenheit offen und transparent zu kommunizieren", schreibt er in einem offenen Brief. Ein erstes Treffen mit den Betroffenen habe bereits stattgefunden. Nun gelte es, erst mal eine Satzung zu erarbeiten - wobei die bereits vorgebrachten Bedenken der Bürger in dem Entwurf der Verwaltung berücksichtigt würden. Bis eine solcher erster Entwurf vorliege, bringt es aus seiner Sicht wenig, darüber zu diskutieren. Den Vorwurf, er habe die Anwohner zu spät informiert, lässt er daher auch nicht gelten. "Ich will mit den Anwohnern ungern über ungelegte Eier reden", erklärt Hartmann. Ein diskussionsfähiger Entwurf werde wohl erst in einem Jahr vorliegen. "Da bitte ich einfach um ein bisschen Geduld." Mit vielen Anwohnern stehe er bereits im Kontakt. Er werde den offenen Brief beantworten, verspricht Hartmann, und seinerseits noch mal ein Treffen vorschlagen.

Der OB hält die Erhaltungssatzung weiterhin für sinnvoll

Auch seine SPD-Fraktion bemüht sich, die Wogen zu glätten - und wählt dafür ebenfalls den Weg über eine Stellungnahme per offenem Brief. Darin versichert Günter Heinritz, der für die SPD im Bauausschuss der Stadt sitzt, dass die politisch Verantwortlichen ihre Entscheidung nicht leichtfertig treffen, sondern gründlich abwägen würden. Wörtlich heißt es: "Dabei wird selbstverständlich die städtebauliche Bedeutung des vorgeschlagenen Gebietes darzulegen und zu begründen sein. Diese Begründung wird ebenso selbstverständlich vom Stadtrat kritisch zu prüfen sein und nur dann, wenn die vorgebrachten Argumente überzeugen, wird es gegebenenfalls zur Beschlussfassung über eine Erhaltungssatzung kommen."

Von dem Sinn einer Erhaltungssatzung zeigt sich Oberbürgermeister Hartmann nach wie vor überzeugt. Der Charakter der Gebäude in der Martin-Huber-Straße sei für Dachau einmalig und so eigentlich nirgends mehr sonst außerhalb der Altstadt zu finden. Und mit dem Baurecht könne man zwar über Art und Maß der Nutzung verfügen, nicht aber über "gestalterische Elemente" - und genau hier solle die Erhaltungssatzung greifen können.

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