Stellenabbau:MAN-Konzernspitze macht einen Rückzieher

Stellenabbau: MAN-Mitarbeiter protestieren Ende Oktober 2020 vor dem Münchner Werk gegen die Pläne des Konzerns.

MAN-Mitarbeiter protestieren Ende Oktober 2020 vor dem Münchner Werk gegen die Pläne des Konzerns.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Unternehmen verzichtet auf betriebsbedingte Kündigungen. 2600 Beschäftigte aus dem Landkreis Dachau müssen jetzt nicht mehr um ihren Arbeitsplatz bangen. Die Geschäftsführung will Abfindungen und Altersteilzeit anbieten sowie Leiharbeit abbauen.

Von Christiane Bracht, München/Dachau

Monatelang haben die Mitarbeiter von MAN Bus & Truck um ihre Arbeitsplätze gezittert, darunter auch 2600 Beschäftigte aus dem Landkreis Dachau. Jetzt können sie aufatmen: Es wird keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Darauf haben sich Unternehmensspitze und Gesamtbetriebsrat in zähen Verhandlungen am Dienstag geeinigt. Außerdem wird das Münchner Stammwerk die weltweite Unternehmenszentrale bleiben. Lange wollte der Vorstand Teile aus dem Werk auslagern, dazu gehörte vor allem der Bereich Logistik und Parts in Dachau. Doch diese Pläne sind vom Tisch. Das haben beide Seiten nun in einem Eckpunktepapier festgehalten.

"Mit der Einigung haben wir einen wichtigen Meilenstein für MAN erreicht", sagte Personalvorstand und Arbeitsdirektor Martin Rabe. "Wir hoffen, mit diesen sozial verträglichen Vereinbarungen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Planungssicherheit geben zu können." 9500 Stellen wollte die Konzernspitze ursprünglich in Deutschland und Österreich streichen. In München und Dachau standen 3000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Um das schnellstmöglich erreichen zu können, kündigte das Unternehmen Ende September kurzerhand die Jobgarantien auf, um den Weg für betriebsbedingte Kündigungen frei zu machen. "Ein Kulturbruch", wetterte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, Saki Stimoniaris, damals und zog vor das Arbeitsgericht München. Das Verfahren läuft noch. Doch inzwischen sieht die Welt der Arbeitnehmer wieder rosiger aus. Zwar will MAN noch immer 3500 Stellen in Deutschland abbauen, doch dies soll, insoweit ist man sich einig, "sozial verträglich" geschehen. So wird man älteren Beschäftigten künftig vermehrt Altersteilzeitregelungen anbieten. Befristete Beschäftigungsverhältnisse sollen einfach auslaufen und Leiharbeiter abgebaut werden. Außerdem will man Abfindungen anbieten sowie Wechselmöglichkeiten innerhalb des Volkswagenkonzerns. In München und Dachau sollen bis Ende 2022 nur noch 7500 unbefristete Stammmitarbeiter beschäftigt sein. Derzeit sind es inklusive Leiharbeiter und Azubis etwa 9000. "Es ist ein Ergebnis in wirtschaftlich unsicheren Zeiten", sagt Stimoniaris. Er ist zufrieden damit. Vor allem auch, weil die Auszubildenden nicht gekündigt werden. Das wurde ursprünglich erwogen. Eine Übernahme werde ihnen zwar nicht garantiert, heißt es. Eingestellt würden künftig nur noch diejenigen, die man dringend brauche. Aber man wolle sicherstellen, dass die fertigen Azubis im VW-Konzern unterkommen können. Schließlich will MAN ein attraktiver Arbeitgeber für junge Leute bleiben. "Wir tragen Verantwortung für unsere MAN. Seit weit über 270 Jahren beweisen wir, dass sich die MAN auf eines immer verlassen kann: auf uns - auf jede einzelne Kollegin und jeden einzelnen Kollegen. Das ist das Geheimnis des Erfolges dieses stolzen Unternehmens", triumphierte Stimoniaris.

München soll weiterhin das Hauptproduktionswerk für Lastwagen mit Fahrerhausausstattung und Montage bleiben. Außerdem soll das Werk das Zentrum werden für Entwicklung, sei es für die Gesamtfahrzeugentwicklung, für Software, Elektronik und Elektromobilität. In Nürnberg wird es künftig um die Entwicklung von Antriebstechnologien gehen sowie die Weiterentwicklung konventioneller Antriebe. Die Zukunft der Werke in Steyr und Plauen ist indes noch offen.

"Die Einigung bringt uns nach all diesen Monaten endlich auf den Weg nach vorne"

"Jetzt haben wir die Möglichkeit, MAN wirtschaftlich robust, innovativ und zukunftsfähig neu aufzustellen", sagte der Vorstandsvorsitzende Andreas Tostmann. Man werde nun in die Zukunftsfelder Digitalisierung, alternative Antriebe und Automatisierung investieren, aber auch in die Qualifizierung der Mitarbeiter. "Das wird ein langer, steiniger Weg", so Tostmann. "Wir werden alles dafür tun, damit MAN in die Gewinnzone zurückkehrt und auch in Zukunft zu den führenden Anbietern moderner Transportlösungen zählt." In fünf Jahren soll die Hälfte der neuen Busse mit alternativen Antrieben fahren, bis 2030 sollen zudem mindestens 60 Prozent der Verteiler-Lkw emissionsfrei unterwegs sein, im Fernverkehr 40 Prozent.

"Die Einigung bringt uns nach all diesen Monaten endlich auf den Weg nach vorne", sagte auch IG-Metall-Vorstandsmitglied und stellvertretender Aufsichtsrat Jürgen Kerner. "Wir haben das Unternehmen nun für die Zukunft gut aufgestellt und dabei sozial verträgliche Maßnahmen vereinbart, mit denen das Unternehmen seiner Verantwortung für die Kolleginnen und Kollegen nachkommt." In den nächsten Wochen wird die Tarifkommission das Eckpunktepapier in einen Tarifvertrag umarbeiten. Erst dann sind die Vereinbarungen rechtlich bindend.

"Das ist eine freudige Nachricht für den Landkreis, die Kommunen und die MAN-Mitarbeiter", sagte der Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU) am Dienstag, nachdem er von der Einigung gehört hatte. "Die MAN weiß, was sie an dem Standort hat." Er hatte, wie viele andere Politiker, etwa die Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises, seine Unterstützung zugesichert. "Es hat sicher nicht geschadet, dass wir uns engagiert haben", so Löwl.

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