Es war im September dieses Jahres, da lag im Briefkasten von Volker Krahn ein Schreiben des Dachauer Landratsamtes. Lohfeld werde seine südliche Zufahrt verlieren, hieß es darin, und dass die einzige Straße des Dachauer Ortsteils zur Sackgasse werde. "Wie ein Donnerwetter" sei die Nachricht eingebrochen, erzählt Krahn. Auf ihn und auf die anderen 49 erwachsenen Bewohner Lohfelds, die es seit Jahrzehnten gewohnt sind, zwei Zufahrten zum Ort zu haben.
Was zunächst banal klingt - eine einfache Verkehrsmaßnahme - ist für Krahn mit großen Befürchtungen verbunden. "Wir stehen jetzt vor einer Situation, in der es zu einer ganz erheblichen Verschärfung der Verkehrssicherheitslage kommen könnte", sagt er. Denn die ohnehin enge Straße, in der Volker Krahn wohnt, biete Fahrzeugen keinen Wendehammer. Für Fußgänger und spielende Kinder gefährlich: Einen Bürgersteig sucht man in der Siedlung vergeblich.
Durch umkehrende und rückwärts rangierende größere Fahrzeuge könne es zu Unfällen kommen. Die einzigen Möglichkeiten zum Wenden seien nicht legal: Entweder man nutze dafür eine der privaten Hofeinfahrten oder den Fuß- und Radweg. "Wir befürchten einen Kollaps", sagt Krahn.
Warum die einzige Straße in Lohfeld zur Sackgasse werden soll, hat erst einmal nachvollziehbare Gründe. Der südliche Weg, über den die Autos bislang von der Staatsstraße zwischen Dachau und Schwabhausen in den Ortsteil einfuhren, ist ein Fuß- und Radweg. Aus Gewohnheit rumpelten die Anwohner bislang darüber - jetzt soll dort eine Leitplanke aufgebaut werden. Denn der Radweg darf offiziell nicht von Fahrzeugen genutzt werden.
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Erstens widerspreche das, so die Regierung Oberbayern, dem gesetzgeberischen Ziel der "Förderung des Radverkehrs und Erhöhung der Sicherheit für den Radverkehr". Zweitens ist der Weg nicht breit genug, um in Form einer Fahrradstraße für den Autoverkehr zugelassen zu werden. Am südlichen Ende ist er 3,10 Meter breit, erforderlich wären aber 4,60 Meter. Zweitens ist das Befahren eines Radwegs für motorisierte Fahrzeuge rechtswidrig.
Hätte das Landratsamt nichts unternommen, hätte der Landkreis bei einem Unfall gehaftet, denn er ist für die Verkehrssicherheit auf dem Rad- und Gehweg verantwortlich. Die Stadt Dachau wiederum ist für die Verkehrssituation in Lohfeld zuständig und muss sich mit dem staatlichen Straßenbauamt in Freising über den Zugang zur Staatsstraße einigen. Bei dem Bau der neuen Staatsstraße vor gut 30 Jahren habe man die Belange der Lohfelder nicht berücksichtigt, meint Krahn. Schon damals hätten Bürger eine Anfrage an die Stadt gestellt und gefragt, ob alles so rechtens sei. Damals habe es geheißen: Eine extra Beschilderung sei nicht nötig - so jedenfalls erinnert sich Krahn.
Anwohner baten um klare Beschilderung
Es war 2021, da wandten sich die Lohfelder Bürger erneut an die Behörden und forderten eine Beschilderung. Anlieger sollten den Radweg nun auch offiziell mitbenutzen dürfen. Ein temporärer Verkehrsversuch wurde eingerichtet: Mit bis zu zehn Stundenkilometern sollte die südliche Zufahrt für aus Dachau kommende Fahrzeuge frei befahrbar sein. "Aus unserer Sicht gab es weder Probleme noch Unfälle", kommentiert Krahn.
Anders sieht es das Dachauer Landratsamt: "Leider gab es laut Polizei und Straßenbauamt regelmäßig Beschwerden und Hinweise auf Verstöße gegen die im Verkehrsversuch festgelegten Regelungen", teilt es auf Anfrage mit, "beispielsweise das unzulässige und gefährliche Einbiegen von der Staatsstraße aus Schwabhausen kommend, beziehungsweise die Ausfahrt von Fahrzeugen direkt auf die Staatsstraße im südlichen Bereich über den dortigen Geh- und Radweg und das Bankett".
Auch Krahn erzählt, erst kürzlich sei es wieder zu einer unklaren Gemengelage gekommen: Ein Radfahrer habe sich von einem Auto gestört gefühlt und sein Rad wütend vor das Fahrzeug geworfen. Im Laufe der Jahre haben laut Landratsamt mehrere Personen und auch der ADAC auf die Rechtswidrigkeit des Verkehrsversuchs hingewiesen. Im Nachgang stellte auch die Regierung Oberbayern dessen Rechtswidrigkeit fest. Deshalb soll nun eine Leitplanke die Zufahrt schließen.
Ein jahrzehntelang etablierter Schleichweg
Auch die Lohfelderin Ulrike Winker hat sich an die inzwischen rechtswidrige Lösung gewöhnt. Sie sieht sich als Opfer irrationaler Normen und Regelungen. In den vergangenen Jahrzehnten habe der Schleichweg doch auch niemanden gestört, meint Winkler, die seit Jahrzehnten eine schriftliche Genehmigung hat, den sogenannten Erschließungsweg nutzen zu dürfen. Sie sieht sich als besonders betroffen, weil ihr Grundstück nur über den Geh- und Radweg erreichbar ist. Wird die Zufahrt geschlossen, muss sie mit dem Auto einmal komplett die Siedlung durchqueren, um zu ihrem Grundstück zu kommen - das sind rund 400 Meter Umweg. Winklers Stimme überschlägt sich, wenn sie über die Konsequenzen nachdenkt. Was ist mit der Heizöllieferung? Den Paketdiensten? Den Handwerkern? Mit ihren Sprintern und Lastern müssen die nun auch jedes Mal komplett durch den Ort fahren und dann zum Wenden auf dem engen Fuß- und Radweg rangieren.
Das sei kein Problem, meinen die Stadt Dachau und das Landratsamt: Fahrversuche mit Feuerwehr und Müllabfuhr seien reibungslos abgelaufen. Winkler sieht das anders. Vor ihrer Haustür wurde beim Rangieren bereits ein Schild umgefahren. Das steht nun schief. Die Anwohnerin befürchtet, dass auch der Grundstückswert ihres Hauses in Schieflage gerät.
Lohfelder wollen vor Petitionsausschuss ziehen
Bleibt noch die Frage, ob sich der Radweg nicht verbreitern ließe, um daraus eine für Autos befahrbare Fahrradstraße zu machen? Die Fläche wäre da. Nur die Zuständigkeiten sind kompliziert. Ein Teil gehört der Stadt Dachau, ein Teil der Gemeinde Bergkirchen, ein Teil dem Freistaat Bayern. Und dann mischen noch die Polizei und das staatliche Bauamt Freising mit. Derzeit gibt es keine sichtbaren Bemühungen, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen.
Krahn und Winkler planen deshalb, eine Instanz höher gehen. Noch im Dezember wollen sie sich an den Petitionsausschuss im Landtag wenden. Landrat Stefan Löwl hatte sie auf diese Möglichkeit hingewiesen. Über bestehende Vorschriften hinweg könnte hier eine Sonderregelung erreicht werden.