Asylpolitik:Teure Transparenz

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Schon seit 2015 bewachen Sicherheitsleute von D&T mehrere Asylunterkünfte im Landkreis, unter anderem in Dachau, Haimhausen oder Petershausen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Landratsamt fordert eine hohe Geldsumme für die Aufklärung von Auftragsvergaben an Sicherheitsunternehmen, die Asylunterkünfte bewachen. Grünen-Stadtrat Martin Modlinger muss 1200 Euro zahlen, um Einsicht in die Abläufe zu erhalten. Dagegen will er vorgehen.

Von Thomas Radlmaier, Leonard Scharfenberg und Jessica Schober, Dachau

Wer im Landkreis Dachau genau wissen will, warum der Chef der Ausländerbehörde nebenberuflich Geld verdienen darf mit der Bewachung von Asylunterkünften, der braucht selbst einen ordentlichen Puffer in der Portokasse: 1200 Euro verlangt das Landratsamt als Vorauszahlung für genauere Auskünfte über die Auftragsvergabe an Sicherheitsfirmen. Diese Summe hat Grünen-Stadtrat Martin Modlinger nun überwiesen, weil er sich über die Details einer höchst umstrittenen Vergabepraxis informieren will.

Zum Hintergrund: Der festangestellte Mitarbeiter des Landratsamtes Alexander Dallmayr hat eine brisante Doppelrolle: Er leitet die Dachauer Ausländerhörde; zu ihren Aufgaben gehört unter anderem, Menschen ohne deutschen Pass Aufenthaltsgenehmigungen zu erteilen, zu verlängern oder zu entziehen. Auch ist die Behörde für den Vollzug von Abschiebungen zuständig. Nebenberuflich ist Dallmayr zudem Geschäftsführer seiner privaten Sicherheitsfirma D&T Sicherheit und Service GmbH mit Sitz in Markt Indersdorf. Als solcher übernimmt er seit 2014 Aufträge des Landratsamtes - also seines eigenen Arbeitgebers - für die Bewachung von Asylbewerberunterkünften im Landkreis Dachau. Dallmayrs Mitarbeiter sind in Einrichtungen in Dachau, Schönbrunn, Haimhausen, Odelzhausen und Petershausen eingesetzt. Der Betrieb seiner Firma ist eine vom Landratsamt genehmigte Nebentätigkeit.

Auch der Landtag beschäftigte sich schon mit Dallmayrs Doppelrolle

Kritiker sehen darin einen Interessenkonflikt. Wegen Dallmayrs Nebenjobs müssen sich Landrat Stefan Löwl (CSU) und das Landratsamt immer wieder erklären. Bereits 2015 stellte der damalige Dachauer SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll eine Anfrage ans Bayerische Innenministerium, um zu erfahren, ob die Geschäftsbeziehung zwischen dem Landratsamt und einem nebentätigen Angestellten rechtens sei. Das Ministerium sah damals keinen Grund für eine Beanstandung, die Auftragsvergabe habe nicht im Sachgebiet des Betroffenen, sondern in einer anderen Abteilung stattgefunden. Den Zuschlag habe D&T als günstigster Anbieter erhalten.

Für Löwl ist die Sache seitdem erledigt. Er nimmt seinen Mitarbeiter seit Jahren in Schutz. Und auch Dallmayr selbst weist Vorwürfe von sich. Eher würde bei ihm wegen seiner Doppelrolle besonders genau hingeschaut, sagte er einmal der SZ Dachau. Am Donnerstag teilte das Landratsamt auf Anfrage erneut mit, die Ausländerbehörde vollziehe und vollstrecke die Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. "Daher sehen wir keine Gefährdung der Unabhängigkeit der Ausländerbehörde."

"Wir erfüllen sicher nicht unsere Vorbildfunktion in der Stadt, wenn wir auf das Minimalziel 2040 gehen", sagt Martin Modlinger. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Alexander Dallmayr ist Chef der Dachauer Ausländerbehörde und nebenberuflich Geschäftsführer einer Sicherheitsfirma. (Foto: Niels P. Joergensen)

Nun wollte Martin Modlinger, der für die Grünen für den Landtag kandidiert, aber genauer wissen, wie das Landratsamt Aufträge an Security-Dienste vergibt. Er fragte bei der Behörde nach Informationen zu Auftragsvergaben an D&T Sicherheit und andere Sicherheitsfirmen seit 2014. Auch wollte er erfahren, in welcher Höhe Gebote eingegangen sind. "Im Kern geht es mir darum, dass das Landratsamt belegen können sollte, dass bei der Vergabe alles korrekt gelaufen ist", sagt Modlinger. Die geforderten Informationen erhielt er nicht, stattdessen aber einen Kostenvorschlag in der unüblichen Höhe von 1200 Euro.

In der Antwort des Landratsamtes an Modlinger, die auch über das Portal "Frag den Staat" öffentlich einsehbar ist, heißt es: "Die von Ihnen konkret erbetenen Informationen ab 2014 ziehen umfassende Recherchen in mehreren Fachbereichen nach sich und verursachen einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand." Das Amt stellt in Aussicht, dass je nach Aufwand noch höhere Summen fällig werden könnten.

"Die mit Abstand höchste Gebühr, die mir jemals bei Nachforschungen genannt wurde"

Auf Nachfrage der SZ Dachau weist das Landratsamt darauf hin, dass die Kostenschätzung auf einem voraussichtlichen Aufwand basiere. Modlinger verlange sämtliche Informationen zu Auftragsvergaben an alle Sicherheitsunternehmen seit 2014. Dies bedeute "einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand, weil es einen hohen Personaleinsatz erfordert und damit auch einen indirekten Arbeitsausfall im eigentlichen Aufgabengebiet verursacht".

Bei Anfragen an Bundesministerien werden bisweilen Summen im niedrigen dreistelligen Bereich fällig, wenn Fragestellende ausführliche Informationen zu bestimmten Vorgängen einfordern. Bemessen wird dies meist in Arbeitsstunden von Behördenmitarbeitenden, die für die Bereitstellung der spezifischen Informationen abgestellt werden müssen. Modlinger, der in seiner politischen Arbeit regelmäßig mit solchen Auskunftsanfragen nach Informationen zu unterschiedlichen Themen forscht, sagt zu dem Kostenvoranschlag des Landratsamtes: "Das ist eine sehr teure Transparenz. Es ist die mit Abstand höchste Gebühr, die mir jemals bei Nachforschungen genannt wurde." Seiner Erfahrung nach sollten die hohen Summen Fragestellende abschrecken, um weitere Recherchen zu verhindern.

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Kommentar von Jessica Schober

Jan Renner vom bayerischen Bündnis für Informationsfreiheit findet das Vorgehen des Dachauer Landratsamts "absurd", wie er sagt. "Selbst wenn jemand im Landratsamt alle Geschäftsinformationen in den Unterlagen schwärzen müsste, ist die Summe unverhältnismäßig hoch". Es schade dem Vertrauen der Bürger in ihre Behörde, wenn Informationen nicht zugänglich gemacht würden. Renner meint, durch die hohen Kosten würden sich weniger Leute in Zukunft trauen, beim Landratsamt Informationen zu erfragen, die für die Allgemeinheit wichtig sein könnten. "Es erweckt den Anschein, dass da etwas nicht stimmt."

Modlinger hat nun privat die geforderte Summe überwiesen, obwohl ihm das finanziell nicht leichtfalle, wie er sagt. Er hofft, in den kommenden zwei bis drei Monaten Antwort vom Landratsamt zu bekommen. "Wenn die Behörde wirklich geprüft hat, ob ein Interessenkonflikt vorliegt, bevor sie Aufträge an eigene Mitarbeiter vergibt, dann müssten die Informationen eigentlich alle in einem Ordner im Regal stehen", sagt er. Frühere Anfragen Modlingers zu dem Thema wurden bereits mit dem Hinweis auf das Geschäftsgeheimnis abgelehnt. Wenn Modlinger den Kostenbescheid vorliegen hat, will er dagegen vor Gericht ziehen.

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