Dachau:Neuer Notfallplan

Erstaufnahmeunterkunft

Am Mittwochabend wurden in der Turnhalle der Berufsschule Dachau noch eilig Betten aufgebaut, am Donnerstag kamen dann die ersten 42 Asylbewerber an.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

In die Turnhalle der Berufsschule Dachau sind bereits 42 Flüchtlinge eingezogen. Im September sollen erstmals Menschen in Zelten untergebracht werden. Das Landratsamt will drei Traglufthallen aufstellen

Von Anna-Sophia Lang, Dachau

Das Landratsamt Dachau stellt sich auf einen neuen Notfallplan zur Unterbringung von Flüchtlingen ein. Jede Woche kommen im Landkreis 42 neu unterzubringende Asylbewerber an, bis vor kurzem waren es noch 30. In München kommen laut Regierung von Oberbayern derzeit täglich bis zu 1000 Flüchtlinge an. Sollte der Notfallplan aktiviert werden, müsste der Landkreis kurzfristig bis zu 300 Asylbewerber zusätzlich aufnehmen. Früher oder später werde das auch passieren, sagt Landrat Stefan Löwl: "Die Frage ist nur, wann wir dran kommen." Derzeit wird die Tennishalle Markt Indersdorf als Notunterkunft genutzt. Wenn diese nicht mehr genug Platz bietet, muss der Landkreis einen zweiten Not-Standort finden.

Gleichzeitig stellt sich das Landratsamt darauf ein, bis Jahresende insgesamt 1800 Flüchtlinge im Landkreis unterbringen zu müssen. Löwl greift damit den Prognosen der Bezirksregierung vor, die derzeit noch von 1200 ausgehen. Im Landratsamt rechnet man schon länger mit etwa 1400 Menschen. Die bestehenden Unterkünfte reichen längst nicht mehr aus. Am Donnerstag bezogen 42 Flüchtlinge die Turnhalle der Berufsschule in Dachau-Augustenfeld. Bis zu 260 Menschen könnten dort Platz finden. Es ist das erste Mal, dass der Landkreis Flüchtlinge in einer Schulturnhalle einquartieren muss. Die bestehenden Sanitäranlagen reichen für maximal 120 Menschen aus, weitere könnten im Innenhof aufgestellt werden. In anderen Landkreisen im Großraum München werden schon länger Schulturnhallen als Unterkünfte genutzt. Im Landkreis Freising sind es bisher zwei, in Ebersberg drei. Auch im Nachbarlandkreis Fürstenfeldbruck werden demnächst drei Turnhallen belegt sein. Löwl hofft, dass die Berufsschulturnhalle "allerspätestens" in der zweiten Schulwoche nach den Sommerferien wieder für den Sport freigegeben werden kann. "Garantieren kann ich es nicht", sagte er. Denn wenn der Notfallplan in Kraft tritt, muss möglicherweise die Berufsschulturnhalle eingebunden werden.

In die Berufsschulturnhalle sollen zunächst die 99 Flüchtlinge aus der Tennishalle Indersdorf verlegt werden. Denn diese muss wahrscheinlich bald wieder als Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung in München dienen. Wegen der ständig steigenden Zahl der Flüchtlinge hat Landrat Löwl vorsorglich zwei Traglufthallen bestellen lassen. Die zeltartigen Gebilde bieten Platz für jeweils 300 Menschen und werden voraussichtlich mindestens ein Jahr stehen. Die erste soll in Karlsfeld errichtet werden und von Mitte September an in Betrieb genommen werden, die zweite Mitte Oktober in Bergkirchen. Dort sollen die Asylbewerber hinziehen, die zunächst in der Turnhalle der Berufsschule untergebracht werden. Anfang 2016 soll eine dritte Traglufthalle in Dachau aufgestellt werden.

Am Mittwochabend informierte Löwl die Anwohner in Augustenfeld über die Situation in der Berufschulturnhalle. Die Bürger waren überwiegend positiv gestimmt. Sie waren sehr zahlreich gekommen, manche saßen auf dem Boden, andere mussten stehen. Mehrere äußerten sich jedoch besorgt über mögliche Lärmbelastung und die Sicherheit von Kindern und jungen Frauen. Polizeihauptkommissar Werner Kretz sagte, dass zum Schutz sowohl der Anwohner als auch der Flüchtlinge rund um die Turnhalle vermehrt Streife gefahren werde. Löwl betonte daraufhin, dass es im Landkreis bisher von keiner Seite gewalttätige Übergriffe gegeben habe. Löwls Konzept zur Sicherheit der Flüchtlinge sieht vor, dass während der Zeit, in der dort Asylbewerber untergebracht sind, die Turnhalle umzäunt wird. Die gleiche Sicherheitsfirma, die für die Tennishalle in Markt Indersdorf zuständig ist, werde Tag und Nacht auch an der Berufsschulturnhalle präsent sein. Bereits seitdem bekannt ist, dass Asylbewerber auf dem Gelände einziehen, wird das Areal bewacht. In den vergangenen Tagen und Wochen gab es in der gesamten Bundesrepublik Angriffe auf geplante Flüchtlingsunterkünfte, zuletzt im baden-württembergischen Remchingen und im oberbayerischen Reichertshofen. In beiden Fällen wird Brandstiftung vermutet.

Die Forderungen der Anwohner in Augustenfeld nach Lärmschutz nahm Löwl zur Kenntnis. Jedoch forderte er die Bürger zu Geduld und differenzierter Herangehensweise auf. "Bloß, weil irgendeiner mal laut ist, heißt es nicht, dass das Asylbewerber waren", sagte er. Eine Anwohnerin bat, die neu ankommenden Flüchtlinge möglichst schnell über Gepflogenheiten und Verbote in Deutschland zu informieren. Löwl forderte die Bürger auf, mit den Flüchtlingen zu sprechen und auch selbst den Kontakt zu den neuen Nachbarn zu suchen. Einige regten an, Hot Spots für freien Internetzugang einzurichten und Sport- und Spielplätze in der Umgebung auch während der Ferien zu öffnen, um Flüchtlingen wie Kindern der Anwohner Freizeitmöglichkeiten zu bieten. Löwl zeigte sich dankbar für die gutwilligen Vorschläge: "Wir brauchen Sie."

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