Mitten in Dachau:Landratsamt der Herzen

Mitten in Dachau: Noch steht es: das Gebäude des Dachauer Landratsamts am Weiherweg.

Noch steht es: das Gebäude des Dachauer Landratsamts am Weiherweg.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Wie sehr man sie schätzt, merkt man bei vielen Dingen erst, wenn sie weg sind - oder wenn sie weg sollen. Das gilt auch für Verwaltungsgebäude.

Glosse von Gregor Schiegl, Dachau

Schon lange vor den Klimaschutzaktivisten der "Letzten Generation" brachte der amerikanische Pop-Art-Künstler Andy Warhol die Tomatensuppe in die Kunst, nur haben viele das heute schon wieder vergessen. Auch der Ruhm ist vergänglich, mehr als 15 Minuten sind kaum noch drin. Araschnia Levana aber wird es heuer auf ganze 365 Tage bringen, auch wenn jetzt viele fragen werden, wer diese Frau Levana sei. Die Lepidopterologen kennen die Antwort: Es ist das Landkärtchen, der bunte Hund unter den Faltern, er verblüfft mit seinem variablen Aussehen und hat es damit geschafft, Schmetterling des Jahres 2023 zu werden. Glückwunsch an dieser Stelle, Landkärtchen!

Nach diesem kurzen Abriss über den Ruhm nun aber zu dem Abriss als solchem: Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege hat auf der Basis von mehr als 400 E-Mail-Einsendungen den "Abriss des Jahres 2022" gekürt. Mit großem Vorsprung landete dabei die Nürnberger Radrennbahn auf Platz eins. "Die Zuschriften zeugen von der hohen emotionalen Verbundenheit vieler Bürger mit der Radrennbahn", heißt es in der Pressemitteilung des Vereins. "Die Leute schrieben von persönlichen Sporterlebnissen und schickten manchmal sogar Fotografien mit." Erwähnen sollte man vielleicht noch, dass die Rennbahn jetzt, im Jahr 2023, immer noch steht; die Stadt Nürnberg hat den Abriss zwar beschlossen, aber noch nicht vollzogen. Wird sie es jetzt noch wagen, diesen Ort schöner Erinnerungen in einen Haufen Schutt zu verwandeln? Manche glauben nein.

Hier springt der gleißende Funken der Hoffnung aus dem fernen Franken über auf Dachau, wo das alte Landratsamt abgerissen werden soll, um einem Neubau zu weichen. Auch hier gibt es Kräfte, die diesen Tempel kommunaler Verwaltungskunst, gerne vor der Abrissbirne bewahren würden. Vielleicht wäre es nun an der Zeit, eine Kampagne zu starten, in der die Landkreisbürger ihre bewegendsten Erlebnisse schildern: den Zuschussantrag für Mehrwegwindeln, als die kleine Estefania Leonie auf die Welt kam, die heroische Befreiung vom Benutzungzwang der Biotonne, als man es endlich geschafft hatte, einen Komposthaufen anzulegen, nicht zu vergessen all die Wahlabende im Sitzungssaal zusammen mit Kommunalpolitikern, die nervös an Salzstangen kauten, es waren Stunden des Bangens, und am Ende gab es Sieger und Besiegte. Und das ist es, was noch lange bleiben wird: die Erinnerungen. Das Gebäude drum herum ist nur eine sterbliche Hülle.

Zur SZ-Startseite

"Rückschrittlich und unzeitgemäß"
:Warum ein Architekturstudent den Neubau des Landratsamts stoppen will

Vor wenigen Tagen hat Lukas Strasser eine Homepage freigeschaltet, mit der er sich an Landrat Stefan Löwl und Oberbürgermeister Florian Hartmann wendet. Statt eines Neubaus fordert er den Erhalt des Gebäudes. Ein Haus abzureißen statt es zu sanieren, sei nicht nachhaltig, so der 28-Jährige.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: