Dachau:Lockdownmüde Menschen stören die Natur

Dachau: Hunde ohne Leine können eine Gefahr für Tiere im Krenmoos darstellen.

Hunde ohne Leine können eine Gefahr für Tiere im Krenmoos darstellen.

(Foto: Toni Heigl)

Vor allem seit Beginn der Pandemie treibt es immer mehr Spaziergänger in die Natur. Doch was Erholung für den Menschen bedeutet, bedeutet Stress für viele Tiere.

Von Viktoria Hausmann, Dachau

Corona macht lockdownmüde Menschen zu fleißigen Spaziergängern, Joggern, Radlern und Stand-up-Paddlern. Bewegung, frische Luft und Ruhe in der Natur genießen, ist schließlich umsonst und das Einzige, was in der ganzen zeit nicht eingeschränkt wurde. Der Trend zum Hund folgte, und nun sind im Landkreis Dachau täglich viele zusätzliche Herrchen mit ihren Vierbeinern unterwegs. Eigentlich sehr löblich, bedeutet es doch Naturnähe und Gesundheitsbewusstsein. Doch leider gehen dabei nicht alle rücksichtsvoll mit der Natur um, wie Müll, ausgerissene und zertrampelte Pflanzen zeigen.

"Vor fünfzig Jahren war es ganz normal, um drei Uhr Nachmittags Rehe am Feldrand zu sehen," erzählt Fridolin Merz. "Damals ging kaum jemand in den Wald. Dadurch dass Radfahrer und Jogger immer tiefer ins Unterholz rein müssen, sind Rehe heute fast nur nachtaktiv." Die Rehe seien nicht die einzigen Tiere, die ihr Verhalten in wenigen Jahrzehnten dem Menschen angepasst hätten, sagt Merz. Jedes Tier, das sich bedroht fühle, gehe dem Menschen aus dem Weg. Merz ist 81 Jahre alt und sitzt im Vorstand des Jagdschutz- und Jäger-Vereins Dachau.

Gerade sind er und seine Vereinskollegen damit beschäftig, Rehkitze vor der Heumahd aus Feldern zu locken. Dafür muss der Wald aber wieder ruhiger werden. Das Gegenteil ist der Fall: Jäger Merz hat schon erlebt, dass Menschen Hasenjunge und Rehkitze mit nach Hause nahmen, um sie zu "retten": "Das ist ganz falsch. Wenn man so ein Jungtier sieht, einfach in Ruhe lassen und bloß nicht anfassen. Die Mutter kommt wieder zurück," erklärt er. Sei der Duft eines Menschen aber erst mal auf dem Fell des Jungen, könne es sein, dass die Eltern es nicht mehr annehmen.

Auch für Sportler und Hundebesitzer, die ihre Tiere nicht im Griff haben, haben Waidmänner und Naturschützer wenig Verständnis: Hunde scheuchen Wildtiere auf und treiben sie dadurch auch auseinander. Jungtiere werden so von ihren Eltern getrennt. Vögel, die am Boden brüten, geben womöglich sogar ihr Gelege auf, warnt das Landratsamt Dachau. Für den Nachwuchs hat das direkte Folgen: Je mehr Trennungen desto weniger Jungtiere kommen durch. Die Natur werde dadurch ärmer und weniger Artenreich, sagt Roderich Zauscher.

Diese Einschätzung teilt auch der Verein Bund für Umwelt und Naturschutz: Seinen Schätzungen zufolge sind bundesweit insgesamt 7000 Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Dazu gehören Fischotter und Zwergfledermäuse sowie viele Vogel-, Insekten- und Pflanzenarten.

Zauscher, der Erste Vorsitzende vom Bund Naturschutz im Landkreis, mahnt daher: "Das Krenmoos am Schwarzhölzl ist zum Beispiel kein Brutgebiet für den Kiebitz mehr, weil die vielen Spaziergänger ihn verscheuchen. Hunde gehören eigentlich in der Bodenbrüterzeit konsequent an die Leine." Die Brutzeit dauert noch bis Anfang Juli. Es ist die Zeit, in der auf der Amper und dem Kalterbach kleine Entchen und Gänseküken mit ihren Familien schwimmen. Ein Motiv, das Spaziergänger gerne fotografieren. Für das Landschaftsschutzgebiet Glonntal und die Kernzonen im Krenmoos gilt deshalb von 1. März bis 15. Juli eine verpflichtende Leinenpflicht für Hunde. Missachtung kann Geldstrafen nach sich ziehen. Das Gleiche gilt ganzjährig in den Naturschutzgebieten Weichser Moos und Schwarzhölzl.

Doch Hundebesitzer sind nicht die einzigen, über die der Naturschützer Zauscher sich aufregt. Dass Menschen überall querfeldein durch die unberührte Natur wandern, seltene Pflanzen zertrampeln um für Instagram zu posieren oder sogar mit Motorrädern und Quads tiefe Schneisen in der Vegetation hinterlassen, macht ihn ebenso wütend: "Man sollte während der gesamten Vegetationszeit auf den Wegen bleiben und keine Pflanzen abreißen. Das wäre zwar nicht schlimm, wenn es nur einer oder ein paar machten, aber in der Menge fehlt den Insekten und den Wildtieren bald die Nahrung."

Dass viele Spaziergänger nicht darüber nachdenken würden, ob ihr Handeln auch gut für die heimische Flora und Fauna ist, sei Teil des Problems. Man müsse sich deshalb bei jedem naturnahen Hobby - sei es nun Stand-up-Paddling oder Wildkräutersammeln - fragen, was es anrichtet, rät Zauscher. Schließlich seien die heimischen Wiesen und Gewässer nicht in erster Linie Naherholungsgebiet, sondern der Lebensraum vieler bedrohter Arten.

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