Streit um ein Parteienstiftungsgesetz:Appelle stoßen auf taube Ohren

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Desiderius Erasmus war ein niederländischer Humanist. (Foto: imago stock&people/imago/United Archives)

Die Lagergemeinschaft Dachau hatte die Regierungsparteien aufgefordert, die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung nicht mit Steuergeld zu fördern. Eine Antwort hat der NS-Opferverband nie erhalten. Jetzt hat sich auch der Runde Tisch gegen Rassismus auf seine Seite gestellt.

Von Helmut Zeller, Dachau

Die Dachauer Bundestagsabgeordnete Beate Walter-Rosenheimer (Grüne) ist irritiert - von Spitzenpolitikern ihrer eigenen Partei. Der SZ entnahm sie, dass die Lagergemeinschaft Dachau im November, während der Koalitionsverhandlungen zur neuen Ampelregierung, an Annalena Baerbock und Robert Habeck einen Brief mit der dringenden Bitte geschrieben hatte, eine staatliche Förderung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) zu verhindern. Bis heute hat die Lagergemeinschaft keine Antwort erhalten. "Ich bedauere es sehr und habe mich gestern sofort mit den jeweiligen Büros in Verbindung gesetzt, um nachzuhaken", erklärt Walter-Rosenheimer. Eine Antwort hat der NS-Opferverband auch von den beiden anderen Adressaten nicht erhalten: Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP). Inzwischen unterstützt in einem offenen Brief der Runde Tisch gegen Rassismus die Forderung der Lagergemeinschaft.

In seinem Brief an die Bundestagsfraktionen von SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU sowie der Linken heißt es: "Führende Mitglieder der DES und weite Bereiche der AfD überschreiten immer wieder oder dauerhaft die Grenze des demokratisch Erträglichen." Das Schreiben ging auch an die Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Dachau-Fürstenfeldbruck, Michael Schrodi (SPD), Katrin Staffler (CSU) und Beate Walter-Rosenheimer. Mit Sorge betrachte man die zunehmende antisemitische Hetze, Verharmlosung des Holocaust oder zuletzt auch die bundesweit orchestrierte Durchsetzung der Szene von Querdenkern und Corona-Leugnern sowie Impfskeptikern durch die Neue Rechte, auch in Dachau. Eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall, kommt zu dem Schluss: "Entscheidende Akteur*innen der Stiftung sind seit Jahrzehnten in der Neuen Rechten gut vernetzt und organisiert. Zu befürchten ist, dass die DES dauerhafte Strukturen schaffen könnte, um menschenfeindliche Positionen der Neuen Rechten in der Gesellschaft stärker zu platzieren und zu verankern."

Die Dachauer Bundestagsabgeordnete der Grünen: Beate Walter-Rosenheimer. (Foto: oh)

Der Runde Tisch betont: "Schaffen Sie die gesetzliche Grundlage dafür, dass der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung keine Bundesmittel zur Verfügung gestellt werden - und zwar dauerhaft!" Die Lagergemeinschaft hatte im November gefordert, das müsse im Koalitionsvertrag klar festgeschrieben werden. Darin heißt es jetzt nur: "Die Arbeit und Finanzierung der politischen Stiftungen wollen wir rechtlich besser absichern. Dies soll aus der Mitte des Parlaments geschehen unter Einbeziehung möglichst aller demokratischen Fraktionen." Die Frage, wie mit der DES umgegangen wird, bleibt offen. "Mit großer Sorge sehen wir, wie rechte Strömungen rund um die AfD die deutsche Geschichte umdeuten und so Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus und Rassismus zunehmen", hatte der Holocaust-Überlebende und Präsident der Lagergemeinschaft, Ernst Grube, geschrieben.

Walter-Rosenheimer hat der Lagergemeinschaft ihr Bedauern über das Schweigen der Bundesminister Baerbock und Habeck ausgedrückt und einen "zeitnahen Gesprächstermin" angeboten. Der DES könnten nun, nachdem die AfD zum zweiten Mal in den Bundestag eingezogen ist, bis zu 70 Millionen Euro an Steuergeld zustehen. "Viele Akteur*innen der Stiftung und Partei fallen seit Jahren mit antisemitischen, völkischen und rassistischen Äußerungen auf. DES-nahe Strukturen werden zudem vom Verfassungsschutz beobachtet. Es ist zu befürchten, dass die DES ein Forum für die neuen Rechten in diesem Land wird. Mitfinanziert von staatlichen Geldern - ein unhaltbarer Zustand", so die Grünen-Politikerin. Deshalb müsse die Lagergemeinschaft gehört werden - "aus Respekt vor den Überlebenden des Holocausts, der Erinnerung an die Opfer sowie der staatseigenen Verantwortung".

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