Süddeutsche Zeitung

Militärische Geste:Ein historisches Ereignis: Gedenkflug über Dachau

Kampfflugzeuge der deutschen und israelischen Luftwaffe fliegen gemeinsam über Dachau, um an die Opfer des KZ zu erinnern. Es ist ein historisches Manöver.

Von Julia Putzger, Dachau/Fürstenfeldbruck

Am vergangenen Montag wurde im nordrhein-westfälischen Nörvenich Geschichte geschrieben: Erstmals landeten Kampfflugzeuge der israelischen Luftwaffe auf deutschem Boden. Im Rahmen der gemeinsamen Übung "Blue Wings" der israelischen und deutschen Luftwaffe wurden sechs israelische Kampfjets nach Deutschland verlegt. Zwei von ihnen werden als Teil einer Formation an diesem Dienstagvormittag auch über Dachau und weiter zum Fliegerhorst nach Fürstenfeldbruck fliegen. Mit der Veranstaltung soll dem Olympiaattentat von 1972 sowie den Opfern des Holocausts gedacht werden.

"Nach dem Menschheitsverbrechen der Shoa ist es ein bewegendes Zeichen unserer heutigen Freundschaft, dass wir erstmals in unserer Geschichte Seite an Seite mit der israelischen Luftwaffe fliegen", sagt der Inspekteur der deutschen Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz. Gemeinsam mit seinem israelischen Amtskollegen, Generalmajor Amikam Norkin, wird er gegen zehn Uhr vormittags an der Spitze der Formation in einem Führungsflugzeug an der Dachauer KZ-Gedenkstätte vorbeifliegen. Flankiert wird dieses Flugzeug von je zwei deutschen Eurofightern und zwei israelischen F-16 Kampfflugzeugen. Wichtig bei der Routenwahl ist das "vorbei" - denn deutsche Kampfjets sollen nicht direkt über das ehemalige KZ-Gelände fliegen. Weiter geht es dann zum Überflug des Fliegerhorsts in Fürstenfeldbruck, um den Opfern des Olympiaattentates zu gedenken. Danach wird nur das Führungsflugzeug mit Gerhartz und Norkin in Lechfeld landen, während die Kampfjets nach Nörvenich zurückkehren. Von Lechfeld aus machen sich die beiden Chefs der deutschen und israelischen Luftwaffe dann zur Dachauer Gedenkstätte auf, wo sie einen Kranz niederlegen und der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gedenken werden. Dabei werden sie von einer Delegation begleitet, der auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Jeremy Issacharoff, der israelische Botschafter in Deutschland, angehören werden. Allerdings findet die Veranstaltung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, auf der Facebookseite der israelischen Botschaft wurde jedoch eine Liveübertragung angekündigt.

Ein historisches Ereignis

Initiiert worden war die Durchführung der gemeinsamen Übung von Luftwaffenchef Gerhartz, der in den vergangenen Jahren bei multinationalen Übungen in Israel den Besuch in Deutschland vorgeschlagen hatte. Schon seit mehreren Jahren arbeiten die deutsche und israelische Luftwaffe eng zusammen, unter anderem wird das deutsche Personal für unbemannte Drohnen in Israel ausgebildet. Nun, 75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers und 48 Jahre nach dem Attentat auf Olympiateilnehmer, wolle man den Opfern gedenken und gleichzeitig den Blick nach vorne richten, um Antisemitismus weiterhin zu bekämpfen, erklärt ein Pressesprecher der Luftwaffe. 1972 war es bei den olympischen Spiel zu einer Geiselnahme durch eine palästinensische Terrorgruppe gekommen. Doch der Versuch der deutschen Einsatzkräfte, die israelischen Geiseln zu befreien, scheiterte. Insgesamt kamen elf israelische Sportler ums Leben.

Die gemeinsame Gedenkveranstaltung der deutschen und israelischen Luftwaffe ist nun ein wahrhaft historisches Ereignis, etwas Vergleichbares hat in Deutschland bisher noch nie stattgefunden. Bereits im Jahr 2003 jedoch flogen die israelischen Kampfjets bei einer Gedenkfeier über Auschwitz. Für die Übung Blue Wings 2020 sind Teile der israelischen Luftwaffe noch bis zum 28. August in Nörvenich stationiert.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5001818
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.08.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.