Zeitgeschichte:Aufmerksame Quellenkritik

Die KZ-Gedenkstätte Dachau arbeitet an einem neuen Dokumentarfilm.

Die KZ-Gedenkstätte Dachau arbeitet derzeit an einem neuen Dokumentarfilm über die Geschichte des Konzentrationslagers und dessen Befreiung. Dieser soll den Film ersetzen, den Besucher der Einrichtung - in Nicht-Corona-Zeiten - im Kinosaal des ehemaligen Wirtschaftsgebäudes ansehen können. Der Streifen stammt aus dem Jahr 1969 und entstand im Auftrag des Internationalen Häftlingskomitees. Er zeigt unter anderem Filmaufnahmen und Fotografien der amerikanischen Befreier. Es ist eine Dokumentation der Brutalität des Konzentrationslager-Systems. Zu sehen ist zum Beispiel, wie amerikanische Soldaten am Tag der Befreiung des KZ Dachau auf den sogenannten Todeszug aus dem Konzentrationslager Buchenwald stoßen, in dem sich die Leichen getöteter Häftlinge übereinander stapeln.

Die KZ-Gedenkstätte tritt nun dem Eindruck entgegen, der neue Dokumentarfilm spare diese brutalen Szenen aus. Diese "historisch wertvollen" Fotografien und Filmaufnahmen der Befreier fänden "selbstverständlich" weiterhin Verwendung, teilt die Gedenkstätte mit. "Anders als in dem Film von 1969 ordnet das zeitgenössische Werk den zeitlichen Kontext der Aufnahmen durch seinen dramaturgischen Aufbau und den Sprechertext jedoch quellenkritisch ein." Um die schrecklichen Zustände im Lager zum Zeitpunkt der Befreiung zu verdeutlichen, würden auch im neuen Film von Hunger, Krankheit und Misshandlung schwer gezeichnete Überlebende gezeigt. Ebenso seien die Bilder von toten Häftlingen in verschiedenen Teilen des Lagers zu sehen. Auch die Fotos der Journalistin Lee Miller würden gezeigt, wie amerikanische Soldaten den sogenannten Todeszug aus dem KZ Buchenwald voller Leichen entdecken oder wie Häftlinge die Körper ihrer toten Mitgefangenen betrachten, die sich auf einem LKW stapeln. Hinzu kämen Aufnahmen von Dachauer Bürgern, die gezwungen wurden, die Toten in den Leichenkammern des Krematoriums anzusehen.

"Der Dokumentarfilm verfolgt die Grundfrage, wie wir uns heute mit filmischen Mitteln ein Bild von den Geschehnissen im Konzentrationslager Dachau machen können", so die Gedenkstätte. Trotz der fragmentarischen Überlieferung des Quellenmaterials würden die vorhandenen Filmausschnitte, Fotografien, Zeitzeugeninterviews, Dokumente, Pläne, Grafiken und Objekte in ihrer Vielfalt neu zusammengesetzt. "Dieser Vorgang wird für die Zuschauer durch eine aufmerksame Quellenkritik offengelegt und nachvollziehbar gemacht."

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