KZ-Gedenkstätte Dachau:"Auf dem harten Boden des Appellplatzes"

Ferdinand Hackl

Er war "für eine Zeit Dachauer": Ferdinand Hackl überlebte die Haft im Konzentrationslager.

(Foto: Elija Boßler/oh)

Das Gesicht des ehemaligen KZ-Häftlings Ferdinand Hackl ist im Rahmen der Plakataktion "Für eine Zeit ein Dachauer" in der ganzen Stadt zu sehen.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Der SS-Schutzhaftlagerführer Traugott Redwitz lässt dem Häftling Ferdinand Hackl, den seine Freunde nur "Ferdl" nennen, am 2. September 1943, einem Donnerstag, einen Zettel überreichen. "Der Spielausschuss der Sportgemeinschaft KLD hat beschlossen, Sie für das Auswahlspiel im Stadion Dachau aufzustellen", steht darauf. "Sie" - es ist das erste und letzte Mal, dass ein Nazi ihn, den Häftling mit der Nummer 26196, in seiner Zeit im Konzentrationslager Dachau mit "Sie" anredet.

Der Grund, warum sich Redwitz zu der Anrede herablässt: Er, der SS-Lagerfunktionär, ist auf Hackl, einen Kommunisten, angewiesen. Er verfolgt den verrückten Plan, mit den besten Fußballern unter den Häftlingen in Deutschland Schaufußballspiele zu veranstalten. Hackl soll Teil der Dachauer Häftlingsmannschaft sein. Doch das Auswahlspiel fällt aus. Der Reichssportführer Arno Breitmeyer lehnt das Vorhaben ab.

Ferdinand Hackl war "für eine Zeit Dachauer"

75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau wird Ferdinand Hackl, der das Lager überlebte und 2010 mit 91 Jahren in Wien starb, sichtbar werden in der Dachauer Stadtgesellschaft. Hackls Porträt ist im August auf Plakaten zu sehen, die in der ganzen Stadt zum Teil schon aufgehängt sind. Es ist die Fortsetzung der Plakatreihe "Für eine Zeit Dachauer", die der Förderverein für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung des KZ im April startete. Jeden Monat soll jeweils ein Porträt eines ehemaligen KZ-Häftlings in Dachau plakatiert werden. Insgesamt sind es zwölf Porträts.

Im Rahmen dessen hat der Förderverein Ferdinand Hackls Geschichte recherchiert. Hackl, der 1918 in Wien auf die Welt kam und in Ottakring aufwuchs, schloss sich als Jugendlicher der Arbeiterbewegung an. Ab 1935 war er in der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) aktiv. 1937 meldete sich der 19-jährige Hackl als Freiwilliger, um mit den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg gegen die Franco-Faschisten zu kämpfen. Er wurde geschnappt und kam in mehrere Internierungslager. Die Gestapo verhaftete ihn im Januar 1941 in Paris - "fatalerweise, weil seine Eltern eine Vermisstenanzeige aufgegeben hatten", wie der Förderverein berichtet.

Ankunft im KZ Dachau

Die Nazis sperrten Hackl am 6. Juni 1941 ins KZ Dachau. Er musste unter anderem in der Schraubenfabrik "Präzifix", einem Außenlager des KZ Dachau, schuften. Die Befreiung 1945 erlebte er im Außenlager Fischen im Allgäu, wo KZ-Häftlinge Zwangsarbeit für die Messerschmitt AG leisten mussten. Hackl hatte seine Häftlingsjacke mit einem roten Blechwinkel behalten und nach Wien mitgenommen. "Die Jacke mit dem Winkel hab ich mir aufgehoben als Souvenir", sagte er später. Nach der Befreiung engagierte er sich in der KPÖ und in verschiedenen Opferorganisationen. Er war auch Mitglied der Internationalen Lagergemeinschaft Dachau.

In seiner Biografie berichtet Hackl auch über die Fußballspiele, die von 1942 an auf dem Appellplatz in Dachau angepfiffen wurden. Ein zynischer Versuch der Nazis, so die Arbeitsmoral der Häftlinge zu heben. "Auf dem Appellplatz, wo Häftlinge täglich schikaniert und sehr oft auch zu Tode gequält wurden (...), durfte jetzt an freien Sonntagen Fußball gespielt werden", schreibt Hackl. Die Mannschaften waren nach Nationen oder Arbeitskommandos zusammengestellt. Welch widersprüchliche Gefühle die Häftlinge beim Spielen hatten, zeigt Hackls Bericht. Diese Spiele hätten geholfen, "den spielenden und auch den zuschauenden Häftlingen, ihr Leid und den Hunger - zumindest für die Zeit des Fußballspiels - ein wenig zu vergessen. Selbst der üble Geruch vom nahe gelegenen Krematorium wurde, wenn er nicht zu arg war, während der Fußballspiele weniger beachtet." Die SS-Männer hätten dem Spiel "auf dem harten Boden des Appellplatzes" vergnügt zugeschaut.

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