Ausgerechnet aus der Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau ist am vergangenen Wochenende das „Nagelkreuz von Coventry“ gestohlen worden – jenes Symbol, das für die Vergebung deutscher Schuld steht. Nun appellieren die Seelsorger eindringlich an den Dieb, das Kreuz zurückzubringen.
„Das Nagelkreuz fehlt uns schmerzlich“, teilen Pfarrer Björn Mensing, Diakon Frank Schleicher und Pastoralreferentin Judith Einsiedel mit. Mehr als 13 Jahre lang war es das Herzstück der ökumenischen Freitagsandacht, bei der Besucher aus aller Welt zusammenkommen, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken und für Frieden zu beten. „Wir wissen noch nicht, wie wir die Coventry-Andacht ohne das Kreuz halten sollen“, schreiben die Verantwortlichen des Ökumenischen Nagelkreuzzentrums.

Die Geschichte des Kreuzes macht den Verlust besonders schmerzlich: Im November 1940 zerstörte die deutsche Luftwaffe bei einem verheerenden Angriff die englische Stadt Coventry. Aus den Ruinen der niedergebrannten Kathedrale formte der damalige Propst drei große Nägel zu einem Kreuz – nicht als Zeichen der Anklage, sondern der Versöhnung. „Aus den Überresten der Zerstörung wurde ein Symbol geschaffen, das den Geist der Vergebung und des Neuanfangs ausdrücken soll“, heißt es in dem Appell.
Der ideelle Wert des Kreuzes ist unermesslich
Seit 80 Jahren verleiht die Kathedrale von Coventry Nachbildungen dieses Kreuzes an Einrichtungen weltweit, die sich um die Heilung historischer Wunden bemühen. Am 8. Mai 2012, dem 67. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus, überreichte David Porter, ein leitender Mitarbeiter der anglikanischen Kathedrale, das Nagelkreuz in einem ökumenischen Gottesdienst an die Dachauer Gedenkstätte. Die Katholische Seelsorge und die Versöhnungskirche wurden damit in die weltweite Nagelkreuzgemeinschaft aufgenommen.
Seitdem haben unzählige Menschen im Angesicht dieses Symbols gebetet und Kerzen für die Opfer und den Frieden entzündet. Neben dem Kreuz findet sich das Versöhnungsgebet von Coventry auf Englisch, Polnisch, Italienisch und Deutsch – Sprachen der Opfer und Täter. Der materielle Wert des aus Nägeln gefertigten Kreuzes sei gering, der ideelle jedoch unermesslich, so die Seelsorger.
Sie hoffen nun auf Einsicht – oder darauf, dass das Kreuz gefunden wird, sollte es nach dem Diebstahl achtlos weggeworfen worden sein. Jeder Hinweis zur Rückgabe könnte helfen, dieses einzigartige Symbol der Versöhnung an seinen angestammten Platz zurückzubringen.

