KZ-Gedenkstätte:Still, aber nicht stumm

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Das Gedenken an die Befreiung des KZ Dachau vor 76 Jahren findet pandemiebedingt in einem kleinen Kreis statt.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Das ehemalige Konzentrationslager ist am Donnerstagvormittag menschenleer. Um zehn Uhr schreiten vereinzelt Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte großen Schrittes über das Gelände, es ist so ruhig, dass man den Kies untern den Füßen knirschen hört. Nur ein paar Journalisten sind schon da und warten in Jacken, Schals und Mützen gehüllt. Am April-Himmel hängen graue Wolken, und über den früheren Appellplatz, wo die Häftlinge bis vor 76 Jahren stundenlang in Eiseskälte ausharren mussten, hat sich schwer die Stille gelegt.

Der Gedenkakt anlässlich der 76. Jahrestages der Befreiung des KZ Dachau ist bemerkenswert und auch ein wenig historisch. Wie im vergangenen Jahr hat die Corona-Pandemie eine Befreiungsfeier mit tausenden Besuchern, darunter Überlebende und Befreier, unmöglich gemacht. Das "stille Gedenken", wie es im Programm heißt, an diesem Vormittag ist die einzige Präsenzveranstaltung in der Gedenkstätte. Es findet im kleinen Rahmen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

KZ-Gedenkstätte Dachau
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Um kurz nach elf stehen der Dachau-Überlebende Abba Naor, Landtagspräsidentin Ilse Aigner, Innenminister Joachim Herrmann, Stiftungsdirektor Karl Freller und der stellvertretende Leiter der Gedenkstätte, Christoph Thonfeld, vor dem Internationalen Mahnmal. Mit gesenkten Köpfen und die Hände zusammengefaltet blicken sie auf 79 Kränze von Opferverbänden, Konsulaten, Parteien oder Vereinen. Dann gehen sie über den ehemaligen Appellplatz weiter zur Widerstandsmauer. Karl Freller, CSU-Landtagsvizepräsident, sagt, es möge hier heute stiller sein als sonst. "Doch die Gedenkstätte wird nie ein stummer Ort sein. Die Verbrechen, die hier geschahen, verstummen nicht." Diese seien eine "dauerhafte Mahnung für uns".

Zwischen 1933 und 1945 ermordeten die Deutschen in Dachau mehr als 41 500 Menschen. Das erste Konzentrationslager in Deutschland galt als Vorbild für alle anderen. Der Schoah-Überlebende Abba Naor (93) spricht seit Jahrzehnten an Schulen darüber, was in den Lagern passierte. Am Donnerstag zitiert er aus einem Schreiben eines Schülers an ihn. Der Schüler habe ihn gebeten, nicht aufzuhören zu vermitteln, "wie wichtig es ist, ohne Hass zu leben". Denn Hass sei die Wurzel allen Übels. Abba Naor sagt: "Die Kinder in Bayern verstehen mehr als die Erwachsenen. Bayern darf stolz sein auf seine Jugend."

Zeitzeugen wie Abba Naor werden immer weniger. Zugleich erstarken in der Seuche Verschwörungserzählungen, wie der Antisemitismus eine ist. Vergleiche, die die Schoah verharmlosen, sind bei Demos gegen die Corona-Regeln keine Seltenheit. Ilse Aigner (CSU) sagt: "Wer sich im Zusammenhang mit Corona einen gelben Stern anheftet, sich mit Anne Frank oder Sophie Scholl vergleicht, macht sich der Relativierung des Holocaust schuldig." Auch Joachim Herrmann (CSU) wird deutlich: Es sei eine "Schande", dass Hetzer jüdische Mitbürger als "Strippenzieher" für Corona diffamieren würden. "Wir dulden solche Lügen nicht."

© SZ vom 30.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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