Süddeutsche Zeitung

KVD-Druckwerkstatt:Kulturelles Erbe mit Gewicht

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Die KVD-Druckwerkstatt pflegt an ihren Maschinen noch die alten Techniken der Druckerkunst, damit ist sie heute einzigartig in der Region. Doch ihr derzeitiger Standort ist alles andere als ideal.

Von Victor Ünzelmann, Dachau

Geschäftig eilt Bruno Schachtner zwischen den massiven Maschinen der Druckwerkstatt umher. Die Luft im Keller der Brunngartenstraße 5 riecht nach Chemikalien. Aus einer Schublade zieht er einen mit bleiernen Lettern gefüllten Setzkasten und hievt ihn auf einen Tisch. "Das dürften 16 Cicero sein, das war damals die Maßeinheit für Blei." Dann holt er eine kleine Schiene aus Metall hervor, einen sogenannten Winkelhaken, und ordnet die Lettern darauf an. "Buchstabe für Buchstabe, in einer Größe, in einem Schriftstil." Nach getaner Arbeit müssen die Lettern wieder in ihr zugehöriges Fach einsortiert werden, intuitiv wirft Bruno Schachtner die Lettern in das richtige Kästchen. "M, U, R. Das weiß ich noch von früher", fügt er hinzu.

Seine Lehrjahre als Schriftsetzer liegen schon einige Zeit zurück, heute leitet er die Druckwerkstatt der Künstlerverneigung Dachau (KVD). Die Druckwerkstatt ist so etwas wie sein Kind, vor 15 Jahren standen die Maschinen noch in einem Kuhstall. Als die Geräte dort weg mussten, kam Bruno Schachtner auf die Idee, sie in den damaligen Lagerräumen der KVD unterzubringen. Der Umzug war ein ziemlich großer Aufwand, die schweren Maschinen mussten über den alten Lastenaufzug in den Keller gebracht werden. Die Andruckpresse aus den Fünfzigerjahren musste erst in Einzelteile zerlegt werden, sonst hätte sie nicht in den Aufzug gepasst. Und selbst die vergleichsweise kleinen Tellertiegel müssen mindestens zu zweit getragen werden. Einige der Maschinen sind mehr als 150 Jahre alt, da es für sie keine Ersatzteile mehr gibt, mussten sie maßangefertigt werden, erzählt Dieter Faustmann. Der gelernte Buchdruckmeister ist im Team der KVD-Druckwerkstatt für die Maschinen verantwortlich.

Hochdruck, Tiefdruck, Flachdruck und Durchdruck

Im vergangenen Jahr nahm die deutsche Kommission der Unesco die Drucktechnik in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes auf. Die Begründung: "Gedruckte Text- und Bildmedien sind seit mehr als 500 Jahren Teil der europäischen Kultur und Wissensgesellschaft." In der Druckwerkstatt der KVD wird dieses Erbe am Leben erhalten. An einer Bandbreite von Maschinen wird hier noch Hochdruck, Tiefdruck, Flachdruck und Durchdruck betrieben. Die Bandbreite und Kombination an Maschinen, die immer noch im Einsatz sind, ist für den gesamten Münchner Raum einzigartig, davon ist Bruno Schachtner überzeugt. In Museen gibt es zwar ähnliche Maschinen oder einzelne Künstler, die sich auf bestimmte Druckverfahren spezialisiert haben, aber einen Ort an den diese Bandbreite an Maschinen ausprobiert werden kann, gibt es im gesamten Bezirk Oberbayern nur in der Druckwerkstatt der KVD.

Bis heute stehen die riesigen Maschinen im Keller der Brunngartenstraße. Doch die Zukunft der Druckwerkstatt ist unklar. Nachdem der Vermieter gewechselt hatte, stiegen die Mieten, die meisten der damaligen Mieter gingen. Man wisse nicht, was passiere, wenn der Pachtvertrag ausläuft, kommentiert Dieter Faustmann. Die jetzige Situation ist auch alles andere als zufriedenstellend, klagt Bruno Schachtner. Es gibt keine Lüftung, das ist eine Belastung, die man riechen kann. Außerdem gibt es keine Toilette und kein fließendes Wasser. Für verschiedene Drucktechniken braucht man jedoch Wasser. Dazu kommt, dass es zu eng ist und man sich schnell im Weg steht. Für ein Papierlager oder neue Maschinen ist kein Platz. Wer in die Druckwerkstatt will, muss über eine Treppe in den Keller, ein Zugang mit Rollstuhl ist ohne tatkräftige Hilfe unmöglich.

Es muss zeitnah etwas passieren

Für die Anliegen der Druckwerkstatt sind das Kulturamt und der Kulturausschuss des Stadtrats zuständig. Die Verantwortlichen wissen um den Wert der Werkstatt und sind sich auch bewusst, dass es dort einige Probleme gibt. An diesem Dienstag, 16. Juli, tagt der Kulturausschuss. Unter dem sechsten Tagesordnungspunkt "Verschiedenes öffentlich" könnte auch das Thema Druckwerkstatt noch einmal zur Sprache kommen. Für Bruno Schachtner steht fest: Es muss zeitnah etwas passieren.

Aus seiner Sicht gibt es nur drei Lösungen, die für die Druckwerkstatt akzeptabel wären. Erste Möglichkeit: Die Druckwerkstatt zieht auf das Gelände der ehemaligen MD-Papierfabrik. Zweite Möglichkeit: Die Druckwerkstatt bleibt, wo sie ist, und die momentane Lage wird durch diverse Baumaßnahmen verbessert. Und die dritte Option: Als Alternative könne er sich auch vorstellen, in die Räume der ehemaligen Post-Wäscherei am Max-Mannheimer-Platz zu ziehen. Das Gebäude zwischen Stadtbücherei und Wirtschaftsschule Scheibner gehört der Stadt. In der unteren Etage befinden sich Parkplätze, die obere Etage birgt die Artothek, in der Kunstwerke entliehen werden können. Die untere Etage würde genug Platz bieten und hätte den nötigen Zugang, damit die Druckwerkstatt dort einziehen kann. Schachtner möchte aber verhindern, dass die Druckwerkstatt für eine Zwischenlösung irgendwo "geparkt" wird, um anschließend wieder umzuziehen. Der logistische Aufwand wäre zu groß, die Maschinen können leicht beschädigt werden. Ersatzteile gibt es nicht mehr.

Die KVD-Druckwerkstatt auf dem MD-Gelände?

Wenn man Bruno Schachtner fragt, wo er die KVD-Druckwerkstatt gerne hätte, zögert er nicht lange und verweist auf das Gelände der ehemalige MD-Papierfabrik. Im Jahr 2007 schloss die Fabrik ihre Tore, mittlerweile gibt es große Pläne für das Areal: Mietwohnungen, Spielplätze und ein Museumsforum. Das Museumsforum ist ein Projekt der Stadt, des Landkreises und des Bezirks Oberbayern. Man wolle kein zweites technisches Museum schaffen, das gebe es bereits, kommentiert der Bezirksheimatpfleger für Oberbayern, Norbert Göttler. Stattdessen will man ein Museum zum Anfassen und Erleben mit dem Schwerpunkt Arbeiter- und Industriekultur. Als Vorbild nennt er das Textil- und Industriemuseum in Augsburg. Hier können Besucher Industriegeschichte praktisch erfahren und nicht nur anschauen.

Für das Museumsforum gibt es bereits Überlegungen, die alten Kessel der Papierfabrik wieder zum Laufen zu bringen und Papier zu schöpfen wie früher. Bruno Schachtner ist der Meinung, mit der Druckwerkstatt gut in dieses Programm zu passen. Es gibt bereits den Plan, Werkstätten mit pädagogischer Betreuung in das Museumsforum zu integrieren. Besonders freuen würde es Bruno Schachtner, wenn dafür eine Stelle geschaffen würde. Jemand mit einer pädagogische Ausbildung und mit einem Verständnis von Drucktechniken, das schwebt ihm vor.

Seine Ideen sind bis jetzt nur eine Vision, das weiß Bruno Schachtner selber. Das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen. Dieser Tatsache ist sich auch Marianne Klaffki (SPD) bewusst; die stellvertretende Landrätin brennt für das Projekt. Ihr schwebt Großes vor, aber sie ist überzeugt, dass sich das Projekt auch umsetzen lasse. Das Problem sei momentan die Klärung der Organisationsstruktur und die Finanzierung, dafür laufen momentan die Kalkulationen. Das Kulturamt erklärt zur Frage nach dem Stand des Projekts: "Derzeit laufen unter Federführung des Bezirks und unter finanzieller Beteiligung von Stadt und Landkreis eine Vorplanung und eine Altlastenuntersuchung für die benötigten Gebäude und Flächen. Auf der Basis der Ergebnisse dieser Untersuchungen soll, voraussichtlich frühestens im Herbst dieses Jahres, eine Entscheidung in den Gremien von Stadt, Landkreis und Bezirk herbeigeführt werden." Es wird also noch dauern, bis eine Entscheidung gefällt wird.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2019
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