Ausstellung in Dachau:Das Experiment

Ausstellung in Dachau: Die drei Künstler finden ganz unterschiedliche Arten, Zeiterleben in räumliche Konstellationen zu übersetzen.

Die drei Künstler finden ganz unterschiedliche Arten, Zeiterleben in räumliche Konstellationen zu übersetzen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die gemeine Ausstellung von Stefanie Gerstmayr, Rolf Maria Krückels und Nina Annabelle Märkl ist ein bewusst eingegangenes künstlerisches Wagnis. Das spiegelt auch der Titel wider: "Konglomerate und andere Disaster". Bis zum letzten Moment wurde an der Schau gearbeitet.

Von Renate Zauscher, Dachau

Welche Dynamik können künstlerische Arbeiten mehrerer Personen trotz unterschiedlicher bildnerischer Herangehensweise und Intention des einzelnen Künstlers entwickeln, wenn man sie in einer gemeinsamen Ausstellung in Bezug zu einander setzt? Dieser Frage gehen Stefanie Gerstmayr, Rolf Maria Krückels und Nina Annabelle Märkl nach. In den Räumen der KVD, deren Mitglied Märkl seit Längerem ist, zeigen sie in einer gemeinsam gestalteten Schau je eigene Arbeiten, die sich nach den Vorstellungen der Gestalter interagierend, als Rauminstallation, zu einer neuen Einheit zusammenfügen sollen.

"Konglomerate und andere Disaster" haben Gerstmayr, Krückls und Märkl die gemeinsame Schau genannt, an deren Realisierung noch bis zum letzten Moment vor der Vernissage am Donnerstag gearbeitet wurde. "Konglomerate" - der Begriff aus dem Bereich der Geologie suggeriert den Gedanken des Zusammenwachsens, der der Ausstellung zugrunde liegt. Das "Disaster" aber sei jedem Versuch künstlerischen Arbeitens immanent, erklärt Nina Annabelle Märkl: Das Risiko des Scheiterns gehöre a priori zum künstlerischen Schaffensprozess dazu - was für die Arbeit des Einzelnen gelte und in besonderem Maß natürlich auch für ein Gemeinschaftswerk.

Zunächst verbindet die drei Ausstellungsteilnehmer eine Gemeinsamkeit: Sie haben alle drei an der Kunstakademie in München studiert, ehe sie jeweils ganz eigene Wege weitergegangen sind. Stefanie Gerstmayr, deren Schwerpunkt in München auf der Fotografie gelegen hatte, ging für zwei Jahre nach London, wo sie an der Goldsmith Unitversity of London einen Master gemacht hat, während Märkl am ISCP in New York weiterarbeitete und Krückls sich wichtige Inspirationen für seine Arbeit bei vielen Reisen in den Nahen Osten, insbesondere nach Israel, holte.

So unterschiedlich die ausstellenden Künstler, so unterschiedlich ihre Arbeiten

Ausstellung in Dachau: Von Nina Märkl stammen die abstrakten Objekten aus gefaltetem Aluminium, Papier und Cut Outs.

Von Nina Märkl stammen die abstrakten Objekten aus gefaltetem Aluminium, Papier und Cut Outs.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

So unterschiedlich die Menschen, die hier gemeinsam agieren, so unterschiedlich sind auch die Arbeiten, die sie mitgebracht und hier zueinander in Bezug gesetzt haben. Von Nina Annabelle Märkl stammen zwei große, mit schwarzer Tusche bemalte Papierbahnen, die den Ausstellungsraum gliedern. Unter und neben ihnen, am Boden und an den Wänden, tummeln sich in verschiedenen Farben gehaltene, aus Paperclay geformte amorphe Wesen; so wie in den Tuschzeichnungen sind auch hier teils menschliche Figuren, teils Mischwesen zwischen Mensch und Tier erkennbar. Die großen Papierbahnen korrespondieren mit weitgehend abstrakten Objekten Märkls an einer der Wände, die aus gefaltetem Aluminium, Papier und Cut Outs bestehen.

Papier und Karton sind auch Materialien, mit denen Rolf Maria Krückels häufig arbeitet: Er stammt nicht zufällig aus der "Papier-Stadt" Düren in Nordrhein-Westphalen. So bilden Pappkartons den Hintergrund für Zeichnungen von Tieren und Pflanzen, für die Krückels mit viel Experimentierfreude Asphaltlack und Epoxidharz verwendet hat.

In anderen Arbeiten hat er Schrift auf Andruckpapier für Geldscheine mit Epoxidharzlack kombiniert: "Obey" wird hier auf einem Objekt aus mehr als 20 Tafeln dem Betrachter zugerufen: ein Verweis Krückls auf gesellschaftliche Manipulation, während das "Programm", dem gehorcht werden soll, auf daneben hängenden Tafeln definiert ist: Von "love me" über "shock me", "cut me" oder "hate me" gehen die Aufforderungen bis hin zu "kill me". Epoxidharzlack vermischt mit Goldstaub hat Krückels auch in einem Objekt verwendet, in dem farbige Bänder dem ikonischen Konterfei der amerikanischen Freiheitsstatue zugeordnet sind.

Die Technik des Zeichnens liegt den Arbeiten aller drei Künstler zugrunde

Ausstellung in Dachau: Unter und zwischen den großen Papierbahnen versteckt sich ein Mikrokosmos, den auch amorphe Mischwesen aus Mensch und Tier bevölkern.

Unter und zwischen den großen Papierbahnen versteckt sich ein Mikrokosmos, den auch amorphe Mischwesen aus Mensch und Tier bevölkern.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Technik des Zeichnens liegt den Arbeiten aller drei Ausstellungsteilnehmer zugrunde. So trägt auch Stefanie Gerstmayr Zeichnungen bei, in denen Szenen aus fotografischen Arbeiten mit hineinspielen. Da werden dann etwa Kunstobjekte, die sie in einem Museum gesehen hat, mit deutlich als Touristen erkennbaren Personen zeichnerisch kombiniert. Weiße Wegemarkierungen führen zu den in Sprüh- oder Flüssigkreide ausgeführten, zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit changierenden Bodenbildern und auch zu rätselhaften, in braunen Stoff gehüllten Objekten, die ebenfalls von Gerstmayr geschaffen wurden.

Dem Betrachter, der sich auf die "Reise" durch die Ausstellung einlässt, stehen viele Interpretationsmöglichkeiten offen. Er kann eigene Bezüge zwischen den Exponaten entdecken, kann für sich entscheiden, wo er die Interaktion der Arbeiten, ihr Zusammenwachsen in einer umfassenden Rauminstallation sieht und den inneren Dialog zwischen ihnen erspüren. Der Ausstellungsbesuch wird damit ganz im Sinne der drei Ausstellungsgestalter zur "Reise" durch neue Zusammenhänge jenseits der einzelnen Schauobjekte.

Eröffnet wird die Ausstellung in den KVD-Räumen mit einer Einführung von Karin Hutflötz am Donnerstag, 10.3., um 19.30 Uhr. "Konglomerate und andere Disaster" kann bis zum 3. April von Donnerstag bis Samstag jeweils von 16 bis 19 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr besucht werden.

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