Kultur in Dachau:Formschön, aber mäandernd

Lesezeit: 2 min

Das "Criss Cross Trio" mit Geoff Goodman an der Gitarre, Matthieu Bordenave am Saxophon und Bastian Jütte am Schlagzeug. (Foto: Toni Heigl)

Der Auftritt des "Criss Cross Trio" auf der Bühne des Jazz e.V. bleibt hinter seinem Potenzial zurück. Am fehlenden Können der drei Musiker liegt das nicht.

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Was beim Konzert des Gitarristen Geoff Goodman mit seinem Criss Cross Trio auf der Bühne des Jazz e.V. in der Kulturschranne schon nach wenigen Augenblicken auffällt, ist, welch vielschichtigen musikalischen Part sich der Bandleader an seinem Instrument zugedacht hat. Goodmans E-Gitarre erfüllt in den Arrangements gleich eine mehrfache Funktion: Das Trio spielt ohne Bass, und somit übernehmen an vielen Stellen dahinschreitende Gitarren-Ostinati in tiefer Lage die Rolle des Klangfundaments.

Gleichzeitig ist die Gitarre das Harmonieinstrument des ansonsten mit Tenorsaxofon (Matthieu Bordenave) und Schlagzeug (Bastian Jütte) besetzten Trios. Schließlich fungiert sie an etlichen Stellen als melodischer Duopartner des Saxofons, mal bei den sanften Riffs sekundierend, mal eine eigene Melodie einflechtend, mal mit solistischen Passagen oder kurzen Einwürfen hervortretend. Das stellt Goodman durchaus eindrucksvolle, gleichsam polyphone Aufgaben. Sie so exquisit zu meistern wie er, erfordert eine hervorragende Instrumentenbeherrschung.

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Kein Zweifel, dass die auch den beiden anderen Musikern zu eigen ist. Wenn man an diesem Abend in der Kulturschranne häufiger das Gefühl hat, im womöglich elegantesten, sanftmütigsten Dachauer Jazzkonzert aller Zeiten zu sitzen, dann liegt das auch daran, wie die beiden ihren jeweiligen Instrumentalpart interpretieren. Bastian Jütte spielt sein Schlagzeug meistens so dezent, wie dies nur möglich ist. Die Besen sind für ihn ebenso wichtiges Spielgerät wie die Schlagzeug-Sticks, die grundierende Kulisse dabei mehr im Fokus als ein Beat - wobei bemerkenswert ist, dass die Musik dieses Trios selbst in ihren ruhigsten Momenten stets einen fasslichen Puls hat. Sogar Jüttes Soli sind auf diese Weise unprätentiös. Dabei beherrscht er mit seinen Füßen rasch repetierende Bassdrum-Stöße, auf die selbst mancher Metal-Drummer stolz wäre. Bei ihm aber gleiten sie wie beiläufig als kurzer Klangeffekt daher.

Ganz ähnlich Matthieu Bordenave in der Mitte der Dachauer Jazzbühne: An dieser Stelle, wo der schwedische Saxofonist Mats Gustafsson, der in der Historie des Jazz e.V. gegenüber Bordenave gewissermaßen den entgegengesetzten Pol des Saxofon-Ausdrucksmaximums repräsentiert, einst breitbeinig mit durchgedrücktem Rücken stand und Töne hervorstieß, als habe er soeben mit Anlauf einen Speer geschleudert, dessen Flugbahn er nun laut brüllend beobachtet, lauscht Bordenave freundlich nach vorne gebeugt und dem Instrument liebevoll zugewandt seinen feinsinnig gestalteten Melodien. Alles an ihnen ist formschön. Bordenave phrasiert, als gelte es Ravel zu blasen. Man bräuchte geradezu Begrifflichkeiten der klassischen Konzertkritik, um hier zu einer trefflichen Beschreibung zu gelangen.

Der Spannungsbogen ist weitgespannt, aber auch sehr flach

Das ist beim kompositorischen Anspruch dieses Trios mit Geoff Goodman als Hauptkomponist kein Zufall: "The Road Taken" heißt die aktuelle CD, und in vielen der enthaltenen Titel hat Goodman Gedichte in Instrumentalmusik überführt, etwa beim - wie sollte es anders sein - geschmeidig-milden "35th Chorus" nach einem Text des Schriftstellers Jack Kerouac.

Das ist alles wirklich ganz zauberhaft, schön und angenehm, sauber koordiniert, wohlgeformt, geschmackvoll abgerundet - und von Goodman auch charmant moderiert. Stellt sich nur die Frage nach dem Spannungsbogen. Kurz gesagt: Er ist sehr weitgespannt, aber auch sehr flach. Das ist schade für dieses Konzert, dessen überragende musikhandwerkliche Darbietungsqualität es nicht verdient hat, eintönig zu werden. Es ist aber auch unverständlich: Denn es gibt sehr wohl Momente, in denen das Trio eine andere Seite zeigt. Einmal bereits vor der Pause, als Goodman seinen Gitarrenpart aus anfänglich sphärischer Klangkulisse heraus zu hart geschlagenen, kraftvoll stampfenden Akkorden verdichtet und Bordenave hierauf mit eruptiv überblasenen Tönen reagiert.

Oder auch im Zugabestück, in dem Swing, Polka und furios wirbelnder Schlagzeugbeat zu seinem herrlich skurrilen Gebräu voller überraschender Würznoten vermengt werden. Und somit bleibt es ihr Geheimnis, weshalb die drei Musiker drauf verzichten, derartige Ausdrucksintensität häufiger anzustreben - und es stattdessen bevorzugen, dass ihr wunderbares Konzert in all seiner charmanten Diskretion irgendwann ins Mäandern gerät.

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