Kulturförderung:Sinnlose Debatte auf schmalem Grat

Dass der Stadtrat die Kulturförderung reformiert, um keine rassistische, antisemitische oder sexistische Kunst zu fördern, hört sich gut an. Tatsächlich ist der Beschluss aber das Ergebnis einer unwürdigen Diskussion.

Kommentar von Thomas Radlmaier

Die Stadt Dachau will ihre Kulturförderrichtlinien präzisieren. Wer städtische Gelder für ein Konzert oder eine Lesung beantragt, soll sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Eine Förderung bekommen nur Veranstalter, die sicherstellen, dass auftretende Künstler sich nicht rassistisch, antisemitisch oder sexistisch äußern. Das hört sich gut an, gebraucht hätte es die Ergänzung aber nicht. Schließlich hätten die Stadträte schon davor Anträge ablehnen können, bei denen das oben Genannte nicht zutrifft - dass man das überhaupt betonen muss, wirkt befremdlich. Noch befremdlicher ist, wie diese neue Regelung zustande kam: Sie ist das Ergebnis einer kommunalpolitisch unwürdigen Debatte, die in ihrer Undifferenziertheit beispiellos ist.

Was viele vielleicht gar nicht mehr wissen: Es ging ursprünglich um mickrige 750 Euro für ein Punk-Konzert. Die Stadträte haben Sabot Noir in der Vergangenheit schon öfter und auch mit mehr Geld unterstützt. Und das zu Recht, schließlich handelt es sich um eine lokale Gruppe, die mit ihrer Musik ernsthafte gesellschaftliche Probleme anspricht. Die Musiker sind weit davon entfernt, Extremisten zu sein. Nur die Stadträte von CSU, AfD, ÜB/FDP und Freie Wähler interessierten sich gar nicht dafür, welche Musik Sabot Noir eigentlich macht. Vielmehr wollten sie das Thema vor der Sommerpause politisch für ihre Zwecke ausschlachten und rissen deshalb eine polizeikritische Songzeile aus dem Zusammenhang. Sie ließen sich leiten vom Zeitgeist und brachten in den Dachauer Stadtrat eine Schwarz-Weiß-Debatte um die Polizei ein, die nach den Ausschreitungen gegen Beamte in Stuttgart und Frankfurt und der schleppenden Aufklärung über die "NSU 2.0"-Drohmails in Deutschland aufkeimte. Nur war das an dieser Stelle völlig deplatziert. Dass es in der Debatte nie wirklich um die Sache ging, zeigt zum Beispiel, dass es plötzlich auch die CSU nicht mehr interessiert, ob mit der neuen Reglung gegen die Polizei gerichtete Hassbotschaften von der Förderung explizit ausgenommen werden können.

Leider ist der Oberbürgermeister damals vor dem Druck der konservativen Kräfte im Stadtrat eingeknickt. Dabei hatte er den Zuschuss immer verteidigt. Und nun wird der Stadtrat vermutlich die letztlich sinnlose Regelung für die Kulturförderrichtlinien einführen. Zwar sind die politischen Gräben nun vielleicht zugeschüttet. Doch zu welchen Preis? Die Gefahr besteht, dass provokante und staatskritische Kunst von der Förderung ausgeschlossen wird. Die Stadträte müssen sich jeden Einzelfall anschauen und dann gewissenhaft entscheiden. Es ist eine Gratwanderung auf dem höchst sensiblen Gebiet der Kunst- und Meinungsfreiheit. Die Stadträte haben sich unnötigerweise darauf eingelassen.

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