Süddeutsche Zeitung

Dachau:Sagenhafte Rückkehr

Die Neuauflage des Kult-Festivals ist ein voller Erfolg: Im Schnitt 1000 Menschen besuchen jeden Tag die Thoma-Wiese, um das vielfältige Musik- und Kulturangebot wahrzunehmen. Die Organisatoren sind zufrieden und hoffen auf eine Fortsetzung.

Von Eva Waltl, Dachau

Im dunkelblauen Zirkuszelt zeugen am Samstag noch einige Wasserpfützen, die sich vereinzelt zwischen den aufgereihten Stühlen auftun, von dem regnerischen Auftakt des kult'21, des Musik- und Kulturfestivals auf der Thoma-Wiese, während draußen bunte Regenschirme und Wimpel unter blaustrahlendem Himmel hängen und der Regen der ersten Tage vergessen scheint. Die Neuauflage des namhaften Kult-Festivals ist am Sonntag zu Ende gegangen. Organisatoren und Helfer zeigen sich zufrieden und blicken auf ereignisreiche Tage zurück.

"Es war eine Zitterpartie mit Höhen und Tiefen", beschreibt Sabine Seeholzer vom Trägerverein des Festivals "Jetzt" die langwierigen Vorbereitungen. Mehr als zwei Jahre hatte das achtköpfige Organisatorenteam an den Grundstrukturen des Events gefeilt, bis es nun endlich stattfinden konnte. Gemeinsam mit der Hilfe von etwa 140 Freiwilligen haben sie die Thoma-Wiese in eine bunte und zauberhafte Landschaft verwandelt, die den Besucher an jeder Ecke mit liebevollen Details in verwundertes Staunen versetzt. "Wir haben ein sehr kreatives Team", sagt Mitorganisator Frank Donath, während er auf die vielen außergewöhnlichen Kleinigkeiten beim Durchschreiten des Geländes aufmerksam macht.

Fünf Tage haben sie auf der Thoma-Wiese gewerkelt, dem Festival seinen letzten Schliff verliehen und "Unterstützung von allen Seiten" erfahren, erzählt Donath mit Blick auf die vielen Sponsoren und Vereine, die das Festival erst ermöglichten. Vor allem von dem Engagement der zahlreichen freiwilligen Helfer, die tagtäglich auf der Thoma-Wiese die Veranstaltung am Leben hielten, sind Seeholzer und Donath überwältigt. "Ohne Unterstützung der jungen Generation hätten wir es nicht geschafft", ergänzt Seeholzer.

Das Ergebnis des Gemeinschaftsprojekts sind neben den vielen Workshops und Attraktionen große und kleine musikalische Schmankerl. So spielte der bekannte Gitarrist Joe Kieser mit Freunden am Eröffnungsabend im Zirkuszelt und verbreiteten trotz hereinprassendem Regen unermüdlich ihren Rhythm'n'Blues Sound. Weiter verzauberte Amy Warning am Freitagabend das Publikum und gab ihr Zusammenspiel aus Soul, Reggae und Folk zum Besten. Eine "sagenhafte Stimmung", schwärmt Donath von dem Auftritt der Sängerin. Und am sonnigen Samstagnachmittag sitzt dann Herbstwind Wischpara auf der Bühne der Kultarena: Norbert Göttler bringt gemeinsam mit der Sängerin Kathrin Krückl und dem Gitarristen Martin Off den Zuschauern bayerische Lyrik näher, die keineswegs nur unterhaltsam, sondern auch tief gehende Themen zu behandeln in der Lage sei, erklärt Göttler einleitend, während auf dem Open-Air-Gelände erst Reggae, dann Hip-Hop erklingt. Um nur einen kleinen Einblick in das vielfältige Kultprogramm zu geben.

Vielfältig sollte es auch sein, erklären die Organisatoren, denn man hätte für alle Besucher etwas bieten wollen. Und diese schienen es anzunehmen. Durchschnittlich etwa 1000 Menschen besuchen jeden Tag und über den Tag verteilt das Kulturfestival. Auch der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) findet Gefallen an dem Angebot: "Es ist super, was sie auf die Beine gestellt haben. Kult war für mich als Schüler ein so prägendes Erlebnis, als ich das erste Mal in das große Zirkuszelt mit Sternenhimmel kam."

Und auch für die jungen Gäste gibt es auf der Thoma-Wiese in diesen Tagen einiges zu erleben und zu bestaunen. Auf dem Open-Air-Bereich locken das Spielmobil mit allerlei Aktivitäten und der Sinnesgarten mit unzähligen Kuriositäten, die das Auge gar nicht im Stande ist, alle zu erblicken. Kinder schaukeln auf den Hängematten, die zwischen zwei Bäumen aufgespannt sind, greifen nach herumschwebenden Seifenblasen oder werfen Dosen, die dann laut klirrend zu Boden fallen. Abends, erzählt Donath und schmunzelt, wenn der Sinnesgarten voll sei, könne es auch schon mal passieren, dass einer der maroden Stühle zusammenkrache: "Es ist eben alles sonderbar hier." Die bunten Wimpel, die auf dem gesamten Gelände vom Himmel baumeln, haben Schulklassen aus Dachau, Bergkirchen, Karlsfeld und des Franziskuswerk Schönbrunn aus recyceltem Material genäht und individuell gestaltet. Recycling scheint ohnehin ein großes Thema zu sein, wenn man sich auf den Kieselsteinen der Thoma-Wiese fortbewegt: Ehemalige, alte Wahlplakate wurden umgestaltet und verzieren den stählernen Zaun. Die Helferausweise und Flyer sind aus nachhaltigem Material hergestellt, an den Essensständen gibt es kein Plastikgeschirr und auf die Mülltrennung wird genau geachtet. "Es ist teurer, aber wir haben es uns auf die Fahne geschrieben", erklärt Seeholzer.

Nicht ganz billig sind auch die Gagen der Bands. Im Open-Air-Bereich zahlt der Besucher keinen Eintritt, die Musiker erhalten dennoch ihre Gage, denn man wolle nach der schweren Pandemiezeit Kunst und Kultur und auch jene Menschen, die finanziell schwach aufgestellt sind, unterstützen, erklärt Donath. Dank der Zuschüsse der Stadt Dachau, des Landkreises, des Bezirks Oberbayern und vielen weiteren Sponsoren können die Organisatoren das Festival erhalten, allein durch die Einnahmen sei es nicht möglich, bemerkt Seeholzer. Insgesamt hätte der Kartenverkauf ein wenig besser laufen können, an Nachmittagen war die Kultarena manchmal nur halb gefüllt. "Wir haben festgestellt, dass die Menschen wegen Corona noch vorsichtig waren", so Seeholzer.

Die Coronapandemie war für die Veranstalter ein wichtiges Thema, denn man hätte für die Gäste den Besuch so sicher wie möglich gestalten wollen, erklärt Donath. So befinden sich auf dem Gelände eine Test- und Impfstation. "Hier ist ständig was los", sagt Donath mit Blick auf die zwanzigköpfige Schlange vor dem Impfbus des BRK Ismaning, der am Samstagnachmittag die begehrte Dosis verteilt. So recht erklären können sich sowohl Max Frisch, Leiter des Dachauer Impfzentrums, als auch Donath den großen Ansturm auf das Impfangebot nicht, schließlich ist derzeit die allgemeine Impfbegeisterung eher gering. "Ich habe die Erfahrung gemacht, je abstruser der Ort, desto mehr Menschen lassen sich impfen", vermutet Frisch. Allein am Freitag und Samstag impft das Team 90 Menschen gegen das Coronavirus.

Während sich eine neue Gruppe junger Helfer gerade zur Teststation begibt, bevor sie ihren Dienst antreten und zwei der Ehrenamtlichen vor dem Eingang mit kleinen Bällen jonglieren, blicken die Mitorganisatoren Donath und Seeholzer glücklich in die Nachmittagssonne. Sie seien insgesamt sehr zufrieden, denn es gehe den Organisatoren "nicht um Kommerz, sondern um die Zusammenkunft", erklärt Donath, und diese sei hier an jedem Tag spürbar gewesen. Er wünscht sich ein Fortbestehen des Festivals: "Wenn unsere Arbeit dazu führt, dass die Jungen das Festival weitermachen, haben wir unser Ziel erreicht."

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SZ vom 20.09.2021
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