Dachau/München:"Im Zweifel fordern wir eine Entscheidung bis zum Bundesverwaltungsgericht"

Dachau/München: Das Verwaltungsgericht München ordnete eine Neubesetzung der Ausschüsse des Dachauer Kreistages an.

Das Verwaltungsgericht München ordnete eine Neubesetzung der Ausschüsse des Dachauer Kreistages an.

(Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa)

Der Landkreis Dachau und die AfD streiten sich gerichtlich um die Besetzung der Ausschüsse im Kreistag. Der Landrat will - wenn nötig - bis vor die letzte Instanz ziehen.

Von Thomas Radlmaier, München

Im Streit um die Ausschussbesetzung des Dachauer Kreistages hat die AfD vor dem Verwaltungsgericht München einen Etappensieg eingefahren. Die Richterinnen und Richter bestätigten in einer mündlichen Verhandlung am Mittwoch eine vorangegangene Gerichtsentscheidung, in deren Folge die Ausschussgemeinschaft aus ÖDP, Bündnis für Dachau und Linke ihre Sitze in den Ausschüssen zugunsten der AfD-Fraktion abgeben musste.

Walter Georg Leisner, Anwalt des Landkreises Dachau und Berliner Verfassungsrechtler, kündigte an, Berufung einzulegen, um so eine Entscheidung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof herbeiführen. Landrat Stefan Löwl (CSU) sagte nach der Verhandlung: "Da es ähnliche Situationen auch außerhalb Bayerns gibt, werden wir im Zweifel wohl sogar eine Entscheidung bis zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig fordern."

Dachau/München: Der Dachauer Landrat Stefan Löwl.

Der Dachauer Landrat Stefan Löwl.

(Foto: Toni Heigl)

Es ist ein Fall, der sich in Sphären des Klein-Klein kommunalpolitischer Arbeit bewegt, aber dennoch große demokratietheoretische Fragen aufwirft wie: Wählt der Wähler mit seiner Stimme nur eine Partei oder drückt sich darin auch ein Koalitionswunsch aus?

Zwischen dem Klein-Klein der Kommunalpolitik und den großen demokratietheoretischen Fragen

Bei der Kommunalwahl 2020 hatte die ÖDP drei Sitze im Kreistag erreicht, das Bündnis für Dachau zwei und Linkspartei einen. Um Vertreter in die Ausschüssen entsenden zu können, bildeten die drei Parteien eine Ausschussgemeinschaft - ein übliches Vorgehen in der Kommunalpolitik, wo oftmals kleine Wählergruppierungen in den Gremien vertreten sind. Die Folge: Die im Vergleich zur Ausschussgemeinschaft kleinere AfD-Fraktion (vier Sitze) ging leer aus. Nachdem die AfD-Kreisräte der Ausschussbesetzung zunächst zustimmten, verklagten sie später den Landkreis deswegen.

Das Verwaltungsgericht ordnete im Sommer vergangenen Jahres im Eilverfahren die sofortige Neubesetzung der Ausschüsse an - zumindest bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren. In der Folge sahen sich ÖDP, Bündnis und Linkspartei gezwungen, die Ausschussgemeinschaft aufzulösen. Ihren jeweils einen Sitz im Kreisausschuss sowie im Umwelt-, Schul- und Kulturausschuss bekam die AfD. Der Fall in Dachau ist nur einer unter mehreren: Ende 2020 etwa folgte das Verwaltungsgericht Ansbach einem Eilantrag der AfD und verlangte die Neubildung der Ausschüsse im Nürnberger Stadtrat.

Der Casus knacksus liegt beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof

Der Casus knacksus liegt beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH). Dieser hatte im August 2020 die bisherige Rechtspraxis auf den Kopf gestellt. Unter Berufung auf Art. 33 der Gemeindeordnung hatte er beschlossen, "dass die Bildung von Ausschussgemeinschaften kleinerer, ansonsten nicht in den Ausschüssen vertretenen Gruppen nur zur Vergabe von Ausschusssitzen führen darf, soweit damit nicht eine größere Gruppe den einzigen ihr zustehenden Sitz verliert". Demnach wären Ausschussgemeinschaften nur zulässig, wenn diese keine andere Fraktion aus den Ausschüssen verdrängen. Das Argument heißt "Gebot der Spiegelbildlichkeit": Der Wählerwille muss sich spiegelbildlich zum gesamten Parlament auch in den Gremien niederschlagen.

Hier gehen die Meinungen auseinander. Für den Landkreis berührt dieser Beschluss des BayVGH keine verwaltungs-, sondern verfassungsrechtliche Fragen und müsse daher von einer höheren Instanz als dem Verwaltungsgericht geklärt werden. Der Wähler könne bewusst kleinere Parteien wählen, weil er wisse, dass diese eine Ausschussgemeinschaft bilden würden, sagte Leisner. "Der Wähler wählt Koalitionen." Dem hielt der Anwalt der AfD entgegen, dass Koalitionen etwas anderes seien als Gemeinschaften, die sich lediglich für die Besetzung von Ausschüssen zusammenfänden.

Das Verwaltungsgericht folgte am Mittwoch zwar der Auffassung des BayVGH. Doch die Vorsitzende Richterin Christine Gibbons gab zu erkennen, dass der Fall abschließend von einer höheren Instanz geklärt werden sollte. Sie kündigte an, aufgrund der Bedeutung der Frage eine Berufung zuzulassen. Damit kommt der Landkreis Dachau dem Bundesverwaltungsgericht ein Stück näher.

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