Dachau:Rückschlag für kleine Parteien

Dachau: Sitzungssaal des Kreistages: Dort muss über die Neubesetzung der Ausschüsse abgestimmt werden.

Sitzungssaal des Kreistages: Dort muss über die Neubesetzung der Ausschüsse abgestimmt werden.

(Foto: Toni Heigl)

Aufgrund einer Gerichtsentscheidung muss die Gemeinschaft aus ÖDP, Linke und Bündnis ihre Ausschusssitze der AfD-Fraktion überlassen. In der kommenden Woche befasst sich der Kreistag mit der Neubesetzung. Landrat Stefan Löwl (CSU) sieht ein "Riesenproblem".

Von Jacqueline Lang, Dachau

Noch steht eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren aus, aber wenn es bei der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts in München bleibt, dann sitzen bis zum Ende der Legislaturperiode 2026 nicht mehr die Mitglieder der Ausschussgemeinschaft aus ÖDP, Linke und Bündnis für Dachau im Kreisausschuss sowie in den 14-köpfigen Kreisgremien - dem Schulausschuss, Umwelt- und Verkehrsausschuss und Kulturausschuss - sondern die AfD. Nach der vorläufig neuen Rechtssprechung ist die Bildung der Ausschussgemeinschaft nämlich nicht rechtens.

Überraschend ist dieses Urteil insofern, als dass die Bildung solcher Ausschussgemeinschaften bis zu der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) im August 2020 gängige Praxis gewesen ist. Ihre Bildung erlaubte es kleineren Parteien und politischen Gruppierungen, Sitze in Gremien zu erlangen. Im Falle des Dachauer Kreistags verlor die AfD aber durch die Ausschussgemeinschaft ihre Sitze in den Ausschüssen und klagte. Außerdem wurde der AfD in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren Recht gegeben, weshalb die Partei auch schon vor der endgültigen Entscheidung die Gremien mit ihren Kreisräten besetzen darf.

Der Landkreis will zum jetzigen Zeitpunkt keine Beschwerde einlegen

Einmalig ist die Entscheidung nicht: Bereits Ende des vergangenen Jahres hatte das Verwaltungsgericht Ansbach einem Eilantrag der Ansbacher AfD stattgegeben, wonach auch dort über die Bildung der Ausschüsse neu entschieden werden muss. Michael Stauch, AfD-Fraktionssprecher, sagt, der Anwalt der Kreis-AfD sei wegen dieser Entscheidung "siegessicher" gewesen. Die Aussage von Walter Georg Leisner, Anwalt des Landkreises Dachau und Berliner Verfassungsrechtler, dass das Verwaltungsgericht die Grenzen "richterlicher Rechtsfortbildung gegen den Willen des Gesetzgebers" sei und damit eine Gefahr für die Demokratie darstelle, kann Stauch nicht nachvollziehen. Immerhin sei ja eine Klage vor einem unabhängigen Gericht ein demokratisches Mittel. Welcher AfD-Kreisrat nun in welchem Ausschuss den Sitz übernehmen wird, werde intern noch geklärt, so Stauch. Am 16. September steht im Kreistag genau das auf der Tagesordnung: die Neubesetzung der Ausschüsse.

Bliebe es in Dachau bei der Entscheidung, dass die Bildung von Ausschussgemeinschaften nicht mehr rechtens ist, sei das ein "Riesenproblem für kleine Parteien", sagt Landrat Stefan Löwl (CSU). Zum jetzigen Zeitpunkt will der Landkreis dennoch keine Beschwerde einlegen, denn diese ginge ja erneut an das Verwaltungsgericht, das in der Sache entschieden hat. Erst wenn, so Löwl, die Sache auch im Hauptsacheverfahren im Sinne der AfD entschieden werde, werde man sich einschalten und dann auch alle Instanzen durchlaufen - notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht.

Die Situation, in der sich der Landkreis nun befindet, hängt unter anderem mit dem sogenannten d'Hondt-Verfahren zusammen. Es ist eines von insgesamt drei Wahlverfahren, das die Besetzung der Ausschüsse festlegt. Anders als die beiden anderen Verfahren - Hare-Niemeyer und Sainte-Laguë/Schepers - stärkt das d'Hondt-Verfahren größere Parteien. 2014 hatte der Kreis noch das Hare-Niemeyer-Verfahren gewählt, 2020 entschied sich eine knappe Mehrheit für d'Hondt. War dies eine Entscheidung gegen die AfD, die erstmals in den Kreistag einzog? "D'Hondt wurde nicht gewählt, um die AfD zu verhindern", stellt Löwl klar. Es sei, das belege auch die Chronologie der Ereignisse, keine "taktische Entscheidung" gewesen. Immerhin habe man sich zuerst für das Wahlverfahren entschieden, dann hätten sich Linke, ÖDP und Bündnis zusammengetan.

"Demokratisch bedenklich"

Jonathan Westermeier (Linke), der nun als einer von sechs Kreisräten - die ÖDP hat drei Sitze, das Bündnis zwei, die Linke mit Westermeier einen - direkt betroffen von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist, hatte schon im Mai 2020 Kritik an dem d'Hondt-Verfahren geübt, weil es de facto einer Fünf-Prozent-Hürde gleichkomme, wie auch Löwl bestätigt. Westermeier ist überzeugt, dass die Wähler mit ihren Stimmen insgesamt eher Zustimmung für Positionen der Ausschussgemeinschaft signalisiert hätten als für jene der AfD. Dass diese durch die Entscheidung des Gerichts nun trotzdem Sitze in den Ausschüssen erhalte, entspreche deshalb nicht dem Wählerwillen und sei damit "demokratisch bedenklich". Er hoffe deshalb auf höhere Instanzen, für die laufende Legislaturperiode mache er sich aber eher keine Hoffnungen mehr. Wie die Sprecher von Bündnis und ÖDP, Peter Heller und Leonhard Mösl, will er eine Beschwerde zum jetzigen Zeitpunkt weder ausschließen noch bestätigen, Zeit dafür bleibt ihnen bis zum 24. August. Einig sind sich alle nur insofern, dass sie nicht kampflos aufgeben wollen. Heller deutet aber an, dass er sich von einer Beschwerde wenig verspricht. Er fragt: "Will man sich so einen sichtbar erfolglosen Schritt antun?"

Heller widerspricht Westermeier insofern, als eine Ausschussgemeinschaft den Wählerwillen abbilde. Denn auch wenn das in ihrem Fall so sei, müsse es zwischen den Mitgliedern nicht zwangsläufig inhaltliche Überschneidungen geben. Allerdings sieht auch er es so, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs die "gültige Rechtslage auf den Kopf gestellt hat", auch wenn es sie zu akzeptieren gilt. Ihre Hoffnungen setzt die Ausschussgemeinschaft nun auf das noch ausstehende Hauptsacheverfahren.

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