Dachau:Kreis der Greise

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Deutschland altert und ganz besonders der Landkreis. Die Zahl der über 80-Jährigen soll in Dachau bis 2030 um 120 Prozent zunehmen.

Robert Stocker

Der Landkreis Dachau droht zu vergreisen. Nach einer Prognose der Bertelsmann-Stiftung nimmt der Anteil der über 80-Jährigen an der Bevölkerung bis zum Jahr 2030 um 120 Prozent zu. Im Freistaat liegt die Zahl dagegen nur bei 64 Prozent, im Bundesdurchschnitt steigt der Anteil der Hochbetagten um 59 Prozent. Die dramatische Veränderung der Altersstruktur hat nach Ansicht von Experten zwei Hauptursachen: Der Babyboom und die Attraktivität der Region München hätten zu einem starken Zuzug von Menschen geführt, die in 20 Jahren das Greisenalter erreichen.

Symbolfoto: Senioren sitzen in Dresden auf einer Bank am Zwingerteich (Archivfoto vom 25.5.2005). (Foto: dpa)

Eine ähnliche Entwicklung der Altersstruktur wird es nach der Studie der Bertelsmann-Stiftung in den Nachbarlandkreisen Fürstenfeldbruck, Freising und München geben. Auch hier sagen die Datenerheber der Bertelsmann-Stiftung eine Zunahme der über 80-Jährigen von weit mehr als hundert Prozent voraus. Andererseits verzeichnen die Landkreise in der Boom-Region München durchwegs einen starken Bevölkerungszuwachs. So kann der Landkreis München bis zum Jahr 2030 mit 13,9 Prozent mehr Einwohnern rechnen, im Landkreis Erding soll der Zuwachs 10,9 Prozent betragen. Im Landkreis Dachau erwarten die Statistiker einen Bevölkerungszuwachs von zehn Prozent. Deutlich weniger Bewohner wird es dagegen in drei oberfränkischen Landkreisen geben. In Wunsiedel (Fichtelgebirge) sagen die Experten ein Minus von 20,2 Prozent voraus, in Hof 19,2 Prozent und in Kronach 16,8 Prozent. Im oberpfälzischen Tirschenreuth soll der Bevölkerungsrückgang 15,9 Prozent betragen.

Der starke Zuzug und der überproportionale Zuwachs der mehr als 80-Jährigen im Landkreis Dachau sind nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Für Wolfgang Gartenlöhner, Leiter der Heimaufsicht im Landratsamt, hängt beides sogar unmittelbar zusammen. Gartenlöhner führt die Veränderung der Altersstruktur auf die Attraktivität und die Wirtschaftskraft der Münchner Region zurück, die seit Jahrzehnten Menschen aus anderen Regionen Bayerns anziehe. "Wir hatten in den 60er und 70er Jahren einen Baby-Boom. Viele junge Leute dieser Generation verließen schon damals ihre Heimat und zogen wegen der besseren beruflichen Perspektiven in das Münchner Umland oder in die Landeshauptstadt. In 20 Jahren werden viele von ihnen 80 Jahre alt sein." Wer damals von Franken oder Niederbayern nach München gezogen sei, habe die Boom-Region auch nicht mehr verlassen.

Der Leiter der Heimaufsicht ist nicht der Ansicht, dass die vielen Altenheime in Stadt und Landkreis für die Altersstruktur eine Rolle spielen. Die meisten Heimbewohner würden schon seit Jahrzehnten im Landkreis wohnen und zögen nicht wegen des großen Angebots an Alteneinrichtungen in den Landkreis. Das sei nur dann der Fall, wenn Angehörige schon im Landkreis wohnten. Den größten Bevölkerungsanteil stellten derzeit die 50- bis 60-Jährigen, die in 30 Jahren 80 Jahre und älter sind. "Die werden auch ein Problem mit der Rente haben", ist sich Gartenlöhner sicher. Wegen der veränderten Altersstruktur würden die Renten sinken und eine private Vorsorge würden nur wenige treffen: "Viele können es sich nicht leisten."

© SZ vom 16.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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