Amtsgericht Dachau:Kranke Kuh im Stall

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Einem Rind muss ein Teil des Schwanzes amputiert werden - der Bauer kommt mit einer Geldstrafe davon.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Er kenne sehr wohl moderne Milchviehbetriebe, sagte der Anwalt. Aber wenn er eine Kuh wäre, würde er lieber im Betrieb seines Mandanten leben. Amtsrichter Lukas Neubeck entlockte der flapsige Spruch des Verteidigers ein Schmunzeln. Auch er hielt es für unwahrscheinlich, dass der Angeklagte seine Kuh mutwillig schlecht behandelt hatte.

Das aber legte ihm die Staatsanwaltschaft vor dem Dachauer Amtsgericht zur Last: einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Der Strafbefehl resultierte aus einer Anzeige durch das Veterinäramt des Dachauer Landratsamts. Die Behörde führte im August dieses Jahres auf dem Hof des Angeklagten eine Kontrolle durch, weil die Milch qualitativ nicht einwandfrei war. Während der Kontrolle fiel schließlich der schlechte Allgemeinzustand einer der sieben Kühe auf. Das Tier roch einer Ärztin des Veterinäramts zufolge nach Eiter und war stark verschmutzt. Am Schwanz des Tieres entdeckte die Ärztin, unter verkrustetem Schmutz, eine eitrige Wunde. Der Tierarzt am Ort musste der Kuh einen Teil ihres Schwanzes amputieren. Das Landratsamt untersagte dem Angeklagten darauf hin die Tierhaltung: Er müsse seinen Bestand bis Ende Oktober auflösen.

Der Anwalt vermutet Kalkül der Behörden

Der Anwalt des 70-Jährigen vermutete hinter der Anzeige reines Kalkül des Landratsamts. Denn in der Vergangenheit war der Betrieb bei Kontrollen mehrfach negativ aufgefallen. Entweder waren die in der Milch enthaltenen Zellzahlen zu hoch, was für eine Entzündung des Euters spricht. Oder aber es fehlten manchen Tieren die obligatorischen Ohrenmarken oder die Klauenpflege war unzureichend.

Der forsch und sehr selbstsicher auftretende Anwalt wollte aber gar nicht daran denken, den Strafbefehl anzunehmen. "Ich will einen Freispruch", forderte er. Schließlich wies er daraufhin, dass der Milchviehbetrieb seines Mandanten gar nicht ernst zu nehmen, weil sehr antiquiert sei. Die unerlaubte Praxis, Kälber mit einem Seil im Stall festzubinden, habe er von seinen Vorfahren abgeschaut. Überhaupt sei der Angeklagte eigentlich gar kein richtiger Bauer. Nach dem Tod des Vaters sei der Hof ihm und seinem Bruder sozusagen in die Hände gefallen.

Seither leite der Angeklagte den Hof und betreibe dort eine Schmiede, während sich der kleinere Bruder um die Landwirtschaft und die Tierhaltung kümmere. Das Milchgeld, das der Hof erwirtschaftet, belaufe sich jährlich auf 3500 Euro netto. Ein Schreiben des Steuerberaters attestierte dem Angeklagten ein sattes Minus im abgelaufenen Geschäftsjahr. Dass dem Angeklagten die Wunde nicht aufgefallen war, sei ebenso wenig verwunderlich. "Mein Mandant ist kein Veterinär."

Zahlung zugunsten des Tierschutzvereins Dachau

Im Gegensatz zu der Ärztin, die für das Landratsamt arbeitet. Sie sprach quasi ohne Punkt und Komma und lieferte eine Aussage, die an das Referat einer übereifrigen Studentin erinnerte. Weitaus einsilbiger ließ sich der Tierarzt des Angeklagten ein. So eine Verletzung komme durchaus vor, er habe sie als nicht sonderlich kompliziert in Erinnerung. Grundsätzlich sei ihm der Betrieb des Angeklagten in der Vergangenheit nicht weiter negativ aufgefallen.

Amtsrichter Neubeck stellte das Verfahren gegen eine Zahlung von 1200 Euro ein. Nutznießer ist der klamme Tierschutzverein Dachau.Ob der Landwirt seine Tiere behalten darf, wird das Verwaltungsgericht in München entscheiden.

© SZ vom 01.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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