Dachau ist verwundert. Nicht ganz Dachau, aber Mitglieder von Zeitgeschichtsvereinen und die KZ-Gedenkstätte fragen sich, was denn nun schon wieder los sei. Die Verhandlungen zwischen dem Freistaat Bayern und der Stadt Dachau über die Zukunft eines Gedenkorts „Kräutergarten“ auf dem Areal der SS-Plantage östlich der Alten Römerstraße am ehemaligen Konzentrationslager sind erneut ins Stocken geraten.
2022 hatten Karl Freller (CSU), Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, und Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) noch von einem „Durchbruch“ gesprochen. Die Stiftung wollte das 8000 Quadratmeter große Gelände, das derzeit im Besitz der Stadt ist, für einen symbolischen Kaufpreis von einem Euro erwerben und darauf einen Gedenkort errichten. Jetzt wackelt die mühsam errungene Übereinkunft wieder. In der Bauausschusssitzung am Dienstag reagierten die Stadträte auf die jüngste Mitteilung der Stiftung empört. Sie fühlten sich über den Tisch gezogen und sprachen von „Erpressung“.
Stadtverwaltung kritisiert Stiftung
Der Grund des Aufruhrs: Im November 2024 habe die Stiftung den Bau von zwei Fußgängerüberwegen von der KZ-Gedenkstätte über die Alte Römerstraße zum „Kräutergarten“ sowie die Anlage eines Parkplatzes mit 24 Stellplätzen für den künftigen Gedenkort als Bedingung für eine Übernahme des „Kräutergarten“-Areals gefordert. Der Parkplatz würde die Stadt 400 000 Euro kosten. Zeitgeschichtsreferent Richard Seidl (Grüne) sagte der SZ, es sei schon befremdlich, die Übernahme an eine solche Bedingung zu knüpfen – „jetzt, wo keine Hindernisse mehr bestehen“.
Die Verwaltung hatte die Stiftung heftig attackiert: „Entgegen den Vereinbarungen der Absichtserklärung aus dem Jahr 2022 werden immer wieder neue Forderungen zu Altlastenuntersuchungen gestellt und die infrastrukturelle Erschließung thematisiert“, heißt es in der Beschlussvorlage. Jetzt plötzlich stellten Stellplätze und Fußgängerüberwege „Voraussetzungen für eine Grundstücksübertragung dar“, obwohl diese Themen in früheren Gesprächen explizit ausgeschlossen worden seien.
Alles ein großes Missverständnis?
Diese Darstellung löst bei der Gedenkstättenstiftung und der KZ-Gedenkstätte wiederum Verwunderung aus. Die Stiftung hatte doch noch angeboten, dass ihr wissenschaftlicher Leiter im Bauausschuss diese Fragen erläutern würde. Aber die Verwaltung sei darauf nicht eingegangen, sagte ein Sprecher auf SZ-Anfrage. Auf keinen Fall habe die Stiftung die verkehrstechnische Erschließung zur Grundbedingung für die Übernahme des Areals erklärt. Im Gegenteil: In der entsprechenden Mitteilung an die Stadtverwaltung sei eindeutig von einem „Vorschlag“ die Rede gewesen, um dessen „wohlwollende Prüfung“ man gebeten habe. „Ich bin sehr irritiert über die Wortmeldungen aus dem Bau- und Planungsausschuss“, erklärte denn auch die Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann. „Vonseiten der Gedenkstätte hatten wir den Austausch und die Entwicklungen der letzten Monate sehr positiv wahrgenommen.“

KZ-Gedenkstätte Dachau:Verdichtung von Raum und Zeit
Bei einer performativen Begehung des sogenannten „Kräutergartens“ in Dachau zeigen die Schauspieler eindrucksvoll, wie absurd die Gegenwart dieses Ortes des einstigen NS-Terrors vor dem Hintergrund der Vergangenheit ist. Eine Anklage in acht Akten.
Auch den Vorwurf, ständig neue Bodengutachten zu verlangen und dadurch die Übernahme zu verzögern, weist die Stiftung zurück. Das Gutachten aus dem Jahr 2024 kommt zwar zu dem Ergebnis, dass keine Altlasten vorhanden sind, die ein Risiko darstellen würden – gleichwohl empfahlen die Fachleute weitere Detailuntersuchungen. Die Kosten für Gutachten würden bis zu 50 000 Euro betragen, der Betrag ist noch nicht ausgeschöpft, so die Stiftung. Die Stadt hat inzwischen weitere Bodenuntersuchungen veranlasst. Im Februar dieses Jahres sollen die Ergebnisse vorliegen.
Darauf bestehen, wie Stiftungsdirektor Karl Freller (CSU) schon einmal erklärte, die Geldgeber für das Projekt, der Bund und der Freistaat Bayern. Die Stiftung steht zur Absichtserklärung von 2022 – nur, so wird argumentiert, müssten sich beide Seiten doch Gedanken über den weiteren Fortgang machen, etwa die verkehrstechnische Erschließung. Die Stiftung übernimmt, wie vereinbart, den Bau des Gedenkortes und die Ausgaben für die denkmalpflegerischen Aufgaben – Millionenbeträge, die sie vor dem Stiftungsrat und den Geldgebern rechtfertigen muss. Deshalb wäre viel geholfen, wenn die Stadt die Kosten für Parkplatz und Fußgängerüberwege übernähme, für dessen Betrieb die Stiftung anteilig aufkommt.
Seit 17 Jahren keine Lösung
Ein Fußgängerüberweg sei ja klar, sagt Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Er, so Hartmann, wolle nicht behaupten, dass die Übernahme des Geländes bewusst verzögert werde. „Aber jedes Mal mache ich mir Gedanken, ob man es wirklich will.“ Hartmann versteht nicht, wie er sagt, warum man jetzt bereits über 24 Stellplätze spricht, wenn man doch noch gar nicht die Nutzung kennt. Zumindest ein Nutzungskonzept liegt bereits seit 2019 in der Schublade der Gedenkstättenleiterin.
Der Oberbürgermeister kann sich unter Umständen auch mit der Finanzierung eines Parkplatzes anfreunden, das sei dann eben der Beitrag der Stadt für einen Gedenkort. Aber dann erwarte er schon, sagt Hartmann, dass das „wirklich der letzte Punkt“ sei. 2018 hatte er das Areal zu einem symbolischen Kaufpreis angeboten, erstmals beriet sein Vorgänger, Peter Bürgel (CSU), schon im Jahr 2008 mit Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) über einen Gedenkort „Kräutergarten“. 17 Jahre und vier Staatsminister später ist: noch immer nichts geschehen. Die drei noch vorhandenen von ursprünglich fünf Gewächshäusern und ihre Kopfbauten verfallen zusehends.
Biogärtnerei für die Volksgesundheit
Auf dem Großteil des Areals entstand nach dem Krieg das Gewerbegebiet Dachau-Ost. Die restliche, verwilderte Brachfläche mit verrosteten alten Gewächshäusern war einst Teil eines gigantischen landwirtschaftlichen Komplexes, den die Nationalsozialisten verharmlosend „Kräutergarten“ nannten. Hinter dem Projekt stand Heinrich Himmler, der mit den Bioprodukten der Plantage die deutsche Volksgesundheit verbessern wollte. Für diesen Zweck wurde die „Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung“ gegründet. Das Geschäftsmodell basierte auf Sklavenarbeit. Zwischen 1939 und 1945 starben auf der Plantage mehr als 800 KZ-Häftlinge, zumeist Juden sowie Sinti und Roma. Sie gingen an Hunger und den Strapazen zugrunde oder wurden von den SS-Wachen erschossen.
Gedenkstättenleiterin Hammermann hofft, wie sie erklärt, dass trotz der komplexen Sachlage das Projekt zeitnah voranschreitet. Es hing am seidenen Faden: Der Bauausschuss stimmte mit nur acht zu sieben Stimmen dafür, dass die Verwaltung die Parkplatzfrage, auch unter Einbeziehung einer kostengünstigeren Variante, weiter untersucht. Das Ergebnis geht dann in den Haupt- und Finanzausschuss.