"Kräutergarten":Taten zählen, nicht leere Worte

Ehemaliger Kräutergarten aus der NS-Zeit in Dachau, 2015

Der Rest eines historisches Gewächshauses.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Dass jeglicher Fortschritt, den "Kräutergarten" in die KZ-Gedenkstätte Dachau einzubinden, seit nunmehr drei Jahren an einem fehlenden Bodengutachten scheitert, ist eine Absurdität sondergleichen.

Kommentar von Julia Putzger

Der Zahn der Zeit nagt nicht nur an den Gewächshäusern im sogenannten "Kräutergarten", sondern auch an der Erinnerung. Sie verblasst mit dem Sterben der Zeitzeugen und kann nur durch eine proaktive Gedenkkultur wachgehalten werden. Proaktiv, das bedeutet: seinen Worten auch Taten folgen zu lassen und Probleme auf diesem Weg nicht nur zu erkennen, sondern zu überwinden.

Schon im Juni 2012 sagte Karl Freller (CSU), Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und heute Vizepräsident im Bayerischen Landtag, auf dem Fachsymposium zum Thema "Kräutergarten": "Der Anblick der verfallenen Gebäude fordert eindrücklich zum Handeln auf." Schon damals diskutierte der Dachauer Stadtrat über Möglichkeiten zur Konservierung der Bauten. Eigentlich, so scheint es, haben alle schon vor mindestens zehn Jahren erkannt, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Doch diese Erkenntnis hat ihr Handeln nicht beschleunigt. Stattdessen blieb es bei leeren Worten, beim Bekenntnis, die Erinnerung wachzuhalten. Dieses wird bei jeder sich bietenden Gelegenheit feierlich in Szene gesetzt. Als Vergangenheitsbewältigung noch kein Thema war, mit dem sich die deutsche Gesellschaft auseinandersetzen wollte, war das Gebot des Wachhaltens ein gutes und passendes. Doch heute, 76 Jahre nach der Befreiung, ist das Wachhalten nicht mehr genug. Es gleicht mehr einer komatösen Bewusstlosigkeit denn einer aufgeweckten Geisteshaltung.

Allein, dass jeglicher Fortschritt, den "Kräutergarten" in die KZ-Gedenkstätte Dachau einzubinden, seit nunmehr drei Jahren an einem fehlenden Bodengutachten scheitert, ist eine Absurdität sondergleichen. Doch nicht die deutsche Bürokratie ist es, die dem Gedenken auf diese Weise den Garaus macht, sondern die komatöse Bewusstlosigkeit, in der auch die Entscheidungsträger zu schweben scheinen. Wie sollte man sonst erklären, warum derlei Formsachen ein Projekt von - wie stets von allen versichert - immenser Bedeutung verzögert, gar blockiert? Es ist deshalb höchste Zeit, alle Mittel in Bewegung zu setzen. Fünf vor zwölf war es schon vor zehn Jahren - wenn überhaupt, dann bleiben jetzt nur noch wenige Sekunden, bis der endgültige Gong ertönt. Dann ist selbst die Zeit für leer Worte abgelaufen.

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