Kommunalwahl in Dachau:Diese Stadträte haben ihre Wiederwahl verpasst

Sechs Dachauer Stadträte, davon fünf aus dem bürgerlichen Lager, haben kein Mandat mehr erhalten. Sie gehen ohne Groll, aber reicher an Erfahrung.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Edgar Forster weiß, wie es ist, aus dem Stadtrat auszuscheiden. 1977 legt er, damals noch Sozialdemokrat, sein Mandat nieder. Einer der Gründe: "Der Stadtrat hat mich frustriert." Auch 1996 muss Forster den Stadtrat verlassen, dieses Mal "unfreiwillig". Er verpasste bei der damaligen Wahl den Wiedereinzug. Und jetzt hat es ihn erneut erwischt. Die Wähler haben Forster, ein kommunalpolitisches Urgestein, aus dem Dachauer Stadtrat gekegelt. Der 75-Jährige saß fast die Hälft seines Lebens in diesem Gremium. 1972 zog er zum ersten Mal ein. Mit Unterbrechungen blieb er insgesamt 35 Jahre. Und jetzt soll einfach Schluss ein? "Dass mich in sechs Jahren noch mal der Ehrgeiz packt, mit über 80, glaube ich eher weniger", sagt Forster und wird dann philosophisch: "Was einen Anfang hat, hat auch ein Ende."

Dass der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler Dachau (FWD) aus dem Stadtrat ausscheiden würde, damit dürften nur wenige gerechnet haben. Die FWD müssen empfindliche Verluste hinnehmen. Ihre Fraktion schrumpft um einen Sitz auf zwei Mandate. Der Leidtragende ist Forster, der gleichwohl ganz gut damit leben kann. "Ich habe genug zu tun", sagt er. Doch nicht nur die FWD, auch andere Parteien müssen persönliche Schicksalsschläge in ihren Fraktionen verkraften. Die CSU stürzt tief. Sie verliert fünf Sitze und ist nur noch zweitstärkste Kraft im Stadtrat. Direkte Auswirkungen hat das Wahldebakel der CSU vor allem auf die Stadträtinnen Heidi Lewald und Silvia Kalina. Sie waren von aussichtsreichen Listenplätzen aus in die Wahl gegangen - Lewald stand an zehnter und Kalina an zwölfter Stelle. Doch gereicht hat es für beide nicht. "Für die CSU war es ein gravierender Erdrutsch. Und der hat mich erwischt", sagt Kalina, die glaubt, dass es für ihre Partei nun deutlich schwieriger wird, Mehrheiten zu finden. "Das ist eine Umstellung."

Die 70-Jährige kam 2014 in den Stadtrat. Davor arbeitete sie 40 Jahre lang im Rathaus, einen Großteil dieser Zeit als Sekretärin des Oberbürgermeisters. Sie weiß, dass es in der Politik schnell gehen kann. "Ich habe mich jetzt sechs Jahre eingearbeitet und wollte es eigentlich noch mal sechs Jahre machen", sagt sie. Sie habe dieses Ehrenamt sehr ernst genommen, sich in verschiedenste Themen eingearbeitet und dafür Berge von Unterlagen durchforstet. Als kulturpolitische Sprecherin ihrer Fraktion besuchte sie unzählige Ausstellungseröffnungen und Konzerte. "Es war interessant und hat Spaß gemacht", sagt sie. "Jetzt wird sich das Leben ändern."

Stadträte üben ein Ehrenamt aus, das viel Zeit beansprucht. Die meisten gehen einem Hauptberuf nach. Den Job und das Mandat unter einen Hut zu bringen, ist eine Herausforderung, insbesondere für Selbstständige wie Heidi Lewald. Sie arbeitet als Architektin. In ihrer Zeit als Stadträtin seien ein paar persönliche Dinge zu kurz gekommen, sagt sie. Jetzt habe sie wieder mehr Zeit für sich. "Ich habe mir vorgenommen, ins Fitnesscenter zu gehen", sagt sie und lacht. Doch natürlich hätte gerne noch eine Legislaturperiode drangehängt. Sie rückte vor fünf Jahren in den Stadtrat nach. "Keiner hat damit gerechnet, dass wir fünf Sitze verlieren", sagt sie. Sie meint, die Kommunalwahl sei vor allem eine Persönlichkeitswahl. Und da sie nicht in Dachau geboren sei, sei ihr Name bei den Dachauern vielleicht nicht so bekannt. Die Tätigkeit im Stadtrat und vor allem die Zusammenarbeit mit Fraktionskollegen habe ihr großen Spaß gemacht. Auch deshalb tue es ihr "menschlich leid", dass sie jetzt nicht wiedergewählt worden sei.

Auch die Überparteiliche Bürgergemeinschaft (ÜB) muss die Abgänge zweier bekannter Stadträte verkraften. Rainer Rösch und Franz Xaver Vieregg werden dem neuen Stadtrat nicht mehr angehören. Rösch saß zwölf Jahre lang in dem Gremium, 2014 kandidierte er sogar als Oberbürgermeister und holte 15,4 Prozent, ein Achtungserfolg. Doch dieses Mal lief es für die ÜB ganz anders. Bei der Stadtratswahl erreichte sie nur noch 5,1 Prozent. Die Fraktion halbiert sich auf zwei Sitze. Rösch, der einstige OB-Kandidat, muss gehen. "Das ist natürlich enttäuschend", sagt er. "Aber ich falle jetzt deshalb nicht in eine Lebenskrise." Er freue ihn, dass er in den vergangen Jahren dem ein oder anderen Bürger helfen konnte, etwa wenn er bei strittigen Bauvorhaben zwischen zwei Parteien vermitteln konnte. Überhaupt habe er sich als Stadtrat oft in der "Vermittlerrolle" gesehen. Rösch zieht eine für ihn zufriedenstellende Bilanz: "Es war eine interessante Zeit, eine Bereicherung fürs Leben." Mit Rösch und Vieregg verliert die ÜB-Fraktion nicht nur Personen, sondern auch Detailwissen. Vieregg sagt, es dauere Jahre, "bis man den Durchblick hat". Der 80-Jährige, der 2006 in den Stadtrat nachrückte, glaubt auch, dass es für die zwei verbliebenen ÜB-Stadträte "äußerst schwierig wird, die Ausschüsse zu besetzen". Er selbst könne mit seinem Ausscheiden aus dem Stadtrat voll und ganz leben. "Ich habe viele Hobbys", so Vieregg. Er will sich wieder mehr seiner Theaterleidenschaft widmen.

Auch Bernhard Sturm schaut nach vorn. Er hat als einziger Bündnis-Stadtrat die Wiederwahl verpasst, was auch daran liegt, dass seine Gruppierung trotz Stimmenzugewinn einen Sitz vorloren hat. Die Bündnis-Fraktion hat fortan nur noch drei statt vier Sitze und leidet damit auch unter dem guten Ergebnis der Grünen und dem sensationellen Triumph der SPD. Das Bündnis und die Grünen unterstützten den sozialdemokratischen Oberbürgermeisterkandidaten Florian Hartmann. Sturm sagt: "Ich hätte gern im Team Hartmann weitergearbeitet." Gleichwohl hege er "keinen Groll". Er sei "nicht enttäuscht, aber überrascht". Das Feedback aus der Bevölkerung sei im Wahlkampf eigentlich immer positiv gewesen. "So richtig verstanden hat das Ergebnis noch keiner." Der 58-Jährige blickt auf eine "spannende Zeit" zurück. Er habe sich in viele Themen eingearbeitet, darunter sei auch zum Teil "zähe Kost" gewesen wie die Straßenausbaubeitragssatzung. Ob er in sechs Jahren noch einmal antritt? "Nein, aber ich habe mir vorgenommen, in der politischen Arbeit weiterzumachen."

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