Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Dachau:Wie politisch ist die Jugend wirklich?

40 Prozent der unter 25-Jährigen aus dem Landkreis Dachau haben bei der jüngsten Wahl nicht mit abgestimmt. Woher kommt die Politikverdrossenheit bei der Jugend? Junge Kreistagskandidaten diskutieren darüber.

Von Renate Zauscher, Dachau

Ist die Jugend zu unpolitisch und deshalb auch in politischen Gremien nur ungenügend vertreten? Diese Frage beschäftigte die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion, zu der am Montag Sebastian Leiß, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler Dachau im Kreistag, in die ASV-Gaststätte eingeladen hatte. Immerhin 40 Prozent der unter 25-jährigen Wähler haben bei der jüngsten Wahl nicht mit abgestimmt. Zum Vergleich: Der Bundesdurchschnitt der Nichtwähler lag damals bei knapp 28 Prozent. Diese Zahlen geben zu denken.

An der Diskussion nahmen vier Kandidaten für den Dachauer Kreistag teil: Leiß (30) selbst, der dem Gremium als dessen jüngstes Mitglied bereits seit 2014 angehört, Berkay Kengeroglu, 19, Sprecher des Dachauer Jugendrats, der sowohl für den Dachauer Stadtrat wie für den Kreistag auf der jeweiligen SPD-Liste kandidiert, sowie Bastian Brummer, 22, Listenführer der Weichser Bürgervertretung, und Ludwig Gasteiger, 42, Geschäftsführer des Kreisjugendrings, der für die Grünen in den Kreistag einziehen will. Moderiert wurde die Veranstaltung von Lucia Tröger, die mehrere Jahre Sprecherin des Dachauer Jugendrats war und für die CSU auf deren Stadtratsliste antritt. Der eigentlich vorgesehene CSU-Vertreter in der Diskussionsrunde, Michael Putterer, Ortsvorsitzender der Jungen Union, war durch Krankheit verhindert.

"Kommunalpolitik ist etwas für Liebhaber"

Ist die Jugend also tatsächlich zu unpolitisch? Und wie ließe sich das ändern? Die Podiumsgäste hatten unterschiedliche Antworten auf diese Frage. Ludwig Gasteiger sieht wachsendes Interesse junger Leute an der Politik, kritisiert aber, dass in den Schulen "zu wenig geschieht", um Jugendliche an politisches Engagement heranzuführen. Mit einem vom Bund geförderten Modellprojekt wolle deshalb der Kreisjugendring an die Schulen gehen und entsprechende Lernprozesse anstoßen und begleiten. Sebastian Leiß sieht einen der Gründe für mangelndes politisches Interesse junger Leute darin, dass die politische Praxis oft "öde" sei. Eine Kritik, die Gasteiger nicht gelten lassen will: "Gewisse Formalitäten sind einfach nötig". Wichtig seien auch konkrete Projekte, deren Umsetzung Jugendlichen Mut für weiteres Engagement machten.

In ihrer Rolle als Moderatorin fragte Lucia Tröge die Podiumsgäste, ob politische Ämter für junge Leute überhaupt erstrebenswert seien. Wie stehe es mit dem "Kosten-Nutzen-Verhältnis" in solch einem Amt? "Ich muss den Spirit dafür haben, Kommunalpolitik ist etwas für Liebhaber", glaubt Sebastian Leiß, der seinen persönlichen Zeitaufwand für die Politik mit annähernd 15 Wochenstunden angibt. Als Problem betrachten einige der Jungpolitiker aber auch die hohe Mobilität junger Menschen, die für Studium, Ausbildung oder Beruf oft umziehen müssten und zudem oft auf Nebenjobs angewiesen seien. Da bliebe für politisches Engagement häufig keine Zeit.

"Mich schreckt das ab"

Und nicht jeder junge, an Politik interessierte Mensch will sich über die "Ochsentour" nach oben arbeiten müssen. "Mich schreckt das ab", sagt Bastian Brummer, weshalb er sich keiner etablierten Volksparteien als deren "Handlanger" angeschlossen habe. Auch wenn Berkay Kengeroglu überzeugt ist, dass "Plakate kleben einfach dazugehört": Den langen Weg, bis man in einer Volkspartei nach oben kommt und Verantwortung übernehmen kann, will nicht jeder gehen.

Was also tun, um junge Leute für die Politik zu gewinnen? Kengeroglu sieht großes Potenzial bei den Jugendräten; so habe der Dachauer Jugendrat über Instagram rund 800 Follower. Leiß glaubt, dass persönliche Kontakte ausschlaggebend seien, um Interesse zu wecken, und Gasteiger setzt auf politische Bildung in den Schulen, auch wenn dort natürlich keine "Indoktrinierung" stattfinden dürfe.

Welche Folgen hätte es, wenn die Jugend zahlenmäßig entsprechend in politischen Gremien vertreten wäre? Die Politik würde, so die einhellige Meinung der jungen Kreistagskandidaten, transparenter und innovativer werden, dazu auch mehr Spielraum für unterschiedliche Meinungen bieten. Vor allem aber würde sie vermehrt auf Zukunftsthemen setzen, glaubt Ludwig Gasteiger: Heutige Politik sei doch sehr stark auf die Interessen der Älteren zugeschnitten. Zuletzt konnten sich auch die rund zwanzig Zuhörer zu Wort melden. Eine der Publikumsfragen zielte auf das persönliche Motiv der jungen Leute für ihr Engagement. Die Antwort war klar: "Es gehört Leidenschaft dazu und viel Herzblut". Nur damit, glaubt Ludwig Gasteiger, könne man auch mit gelegentlichen Anfeindungen und Kritik umgehen.

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SZ vom 02.01.2020
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