Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Dachau:Schneeweißes Lächeln

Oberbürgermeister Florian Hartmann tritt in der Kommunalwahl 2020 als gemeinsamer Kandidat von SPD, den Grünen und Bündnis für Dachau an. Seine Nominierung gleicht einem Triumphzug.

Von Helmut Zeller, Dachau

Ein bisschen übertrieben wirkt das schon, aber es ist eben Wahlkampf. "Es kann nur Einen geben", steht in großen Lettern auf dem riesigen Plakat im ErchanaSaal des Thoma-Hauses; daneben, auf dem zweiten riesigen Plakat, das Gesicht des Einen mit einem stechendweißen Lächeln wie ein Filmstar. Doch Oberbürgermeister Florian Hartmann, 32, wird an diesem Freitagabend noch wirklich wie ein Star gefeiert werden. Und Stadtrat Sören Schneider, Chef der Dachauer SPD, macht gleich zu Anfang der Aufstellungsversammlung zur Kommunalwahl 2020 deutlich, dass die Wahlwerbung so übertrieben gar nicht ist. Seinen Sohn Robert auf dem rechten Arm, der Kleine wollte unbedingt zu Papa, steht Schneider lässig vor den 60 Besuchern und lässt die Bombe platzen.

SPD, Grüne und Bündnis für Dachau ziehen mit einem gemeinsamen Oberbürgermeisterkandidaten Florian Hartmann in den Wahlkampf. Für sie gibt es wirklich nur den Einen, der den langjährigen Amtsinhaber Peter Bürgel (CSU) in der Stichwahl 2014 bezwungen hat und als damals jüngster Bürgermeister Deutschlands in das Dachauer Rathaus eingezogen ist.

Dieser Mann ist der CSU ein Dorn im Auge

"Könnt Ihr euch noch an die Wettervorhersage für den 30. März 2014 erinnern? Es wird ein herrlicher Sonntag, hieß es damals." Florian Hartmann macht eine Pause und sagt dann: "So war es auch, und wir sind uns in der Kulturschranne in den Armen gelegen." Eine halbe Stunde lang redet Hartmann - und präsentiert sich als ein kämpferischer, selbstbewusster und humorvoller Kommunalpolitiker. Im Wahlkampf, sagt er, mache es oft den Eindruck, als wäre der Stadtrat ein zerstrittener Haufen. Jede demokratische Gruppierung aber habe an der positiven Entwicklung der Stadt Dachau - natürlich unter seiner Regie - einen Anteil. "Alles in allem ein konstruktiver Stadtrat." Die SPD hat im 41-köpfigen Stadtrat von Dachau lediglich acht Sitze. Hartmann war deshalb gezwungen, sich in den meisten Fällen Mehrheiten zu suchen. Das gelang ihm.

Selten werde "mehr Schmarrn" geredet als in einem Wahlkampf, sagt er - und das geht in die Richtung der CSU. Sie erwecke den Eindruck, als sei die Stadt hoch verschuldet, und spreche von einer "Katastrophe". Das klingt ganz danach, als hätte Dachau einen dicken Batzen Kredite ausgegeben. "Weiß jemand, wie viel?" Hartmann hebt ein Schild hoch: "0", steht darauf. Im Dezember berät der Stadtrat den Haushalt. Der Oberbürgermeister warnt die CSU schon davor, die Etatplanung wieder abzulehnen - "nur weil Wahlkampf ist". "Lasst uns zusammen einen vernünftigen Haushalt aufstellen und den Wahlkampf nicht auf dem Rücken Tausender von Bürgern führen." Denn sonst müssten etwa die Zuschüsse für die Vereine bis zu einer Einigung eingefroren werden.

Bei den Grünen hatten Stadträtin Luise Krispenz und Stadtrat Thomas Kreß durchaus Ambitionen

Dieser Mann ist der CSU ein Dorn im Auge. Der Ortsverband hat lange Zeit gebraucht, um sich von dem Wahldebakel 2014 zu erholen. Und Hartmann ist bei den Dachauer Bürgerinnen und Bürgern sehr populär. Nicht nur das war ein Grund für das ungewöhnliche Wahlbündnis zugunsten des Oberbürgermeisters. Für Jasmin Lang, Sprecherin der Dachauer Grünen, ist Hartmann schlicht "ein grüner OB-Kandidat", der Mitglied der SPD sei. Entsprechend herzlich gratuliert sie ihm auch nach seiner einstimmigen Nominierung durch die SPD. Zweiter Bürgermeister Kai Kühnel, der die Aufstellungsversammlung an einem Tisch hinten im Saal verfolgt, wirkt zufrieden. Im Grunde war er, der Drahtzieher der Allianz, sich schnell einig gewesen mit Hartmann, und dann hatte der noch die Grünen ins Boot geholt.

Natürlich war es ganz so einfach nicht. Bei den Grünen hatten Stadträtin Luise Krispenz und Stadtrat Thomas Kreß durchaus Ambitionen für eine Kandidatur. Kreß hatte 2014 einen nicht geringen Erfolg eingefahren - und die bundesweite Erfolgswelle der Grünen trägt die Partei im Landkreis und in der Stadt Dachau voran. Jasmin Lang und Kai Kühnel sind sich einig: Nie zuvor haben ihre Partei und ihre Gruppierung so viel eigene Ideen im Rathaus umsetzen können als in den vergangenen fünfeinhalb Jahren. Kühnel erklärt, dass früher die Ideen des Bündnisses im Stadtrat lächerlich gemacht worden seien. Zuletzt gab es eine parteiübergreifende Allianz für den Oberbürgermeister Dachaus in den 1990er Jahren, wie Sören Schneider betont, für Lorenz Reitmeier (1966 bis 1996).

Hartmann betont - die Liste der "Erfolge" ist lang -, dass er die Bürger weiter aufrichtig an der Entwicklung der Stadt beteiligen wolle. Besonders hebt er die sozialgerechte Bodennutzung hervor, die im Stadtrat gegen Widerstände durchgesetzt wurde. Investoren müssen demnach 30 Prozent der Fläche für Einheimischenmodelle oder staatlich geförderten Wohnungsbau abtreten und sich an den Folgekosten für die Infrastrukturmaßnahmen beteiligen. "Wir haben das in Dachau geschafft, was in München schon lange üblich ist." Er verspricht, gegen den Mangel an bezahlbaren Wohnungen weiter vorzugehen. "Ich habe die Vision von einem sozialeren Dachau und einem ökologischeren", sagt er.

"Ja, das ist schon schön"

Leidenschaftlich ruft Florian Hartmann: "Ich habe riesige Lust darauf, weiterzumachen, gemeinsam mit Euch." Er wirkt selbst überrascht von der Wirkung seiner Rede. Im Saal brandet Applaus auf, alle erheben sich von ihren Plätzen und spenden dem Oberbürgermeister nicht endenwollenden Beifall. Hartmanns Oberlippe beginnt zu zittern, er presst den Mund zusammen, irgendwie muss er sich jetzt zusammenreißen, darf diesem Gefühl der Freude nicht nachgeben. Später, da ist er wieder der unaufgeregte, eher wortkarge Mann, wird er sagen: "Ja, das ist schon schön, wenn man auf seine Arbeit so viel positive Resonanz erfährt."

Überhaupt ist das ein herrlicher Abend, wie damals vor sechs Jahren, die SPD demonstriert, angefeuert von der Unterstützung durch Grüne und Bündnis, Geschlossenheit und Zuversicht - da könnte die Bundespartei vor Neid erblassen. Alle Beschlüsse fallen einstimmig, die "bärenstarke Liste" (Hartmann) der 40 Stadtratskandidaten, die der OB anführt, wechselt zwischen Frauen und Männer - aus Bildung, Wirtschaft, Kultur, Sport - ab, und findet nur Zustimmung. Auf den Tischen stehen viele kleine rote Fähnchen, tiefrot sind auch die Abstimmungskarten, die in die Luft gestreckt werden. Alle sind bestens gelaunt - noch ist die Wahl nicht gewonnen. Aber die Dachauer SPD zeigt: Wir sind da.

Einer kandidiert aus Altersgründen nicht mehr, Günter Heinritz, einer der profiliertesten Kommunalpolitiker der Partei. Er blickt melancholisch auf das Wahlplakat Hartmanns. Der Zeitgeschichtsreferent hat die vielen Zerreißproben und Grabenkämpfe in der Dachauer SPD miterlebt - und nun schaut er auf das schneeweiße Lächeln des Kandidaten und lächelt selbst.

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Quelle:
SZ vom 21.10.2019
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