Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Dachau:"Wir sind bereit für den Wechsel"

Die CSU Dachau hat ihre Kandidaten für den Stadtrat nominiert. Vier aktive Stadträte ziehen sich zurück und machen Platz für Nachwuchspolitiker.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Anna Eder ist aufgeregt. Als Neuling auf dieser Bühne kann man schließlich nie wissen, was die Partei von einem hält. Die 21-Jährige, die vor weniger als zwei Monaten in die CSU eingetreten ist, wendet sich an ihre Tischnachbarin Stefanie Aschbichler, 32, und fragt: Die würden hier ja einen nicht fressen, oder? Aschbichler, die mal als Nachrückerin für ein paar Monate im Stadtrat saß, winkt ab. Beide lachen. Als später im Saal des Ludwig-Thoma-Hauses die Wahl der Kandidaten für die CSU-Stadtratsliste kurz bevorsteht, mahnt der langjährige Stadtrat August Haas die 69 Wahlberechtigten dennoch, niemanden abzuwatschen, um alte Rechnungen zu begleichen.

Die CSU-Mitglieder watschen niemanden ab, zumindest fast niemanden. Stadträtin Silvia Kalina bekommt mit 39 Ja- und 20 Nein-Stimmen bei neun Enthaltungen das schlechteste Ergebnis des Abends. Doch die Christsozialen nominieren alle 40 Kandidaten, die der Vorstand für die Stadtratsliste vorgeschlagen hat. Fünf Monate vor der Kommunalwahl sind die Reihen in der CSU geschlossen. Fraktionschef Florian Schiller, der auf Listenplatz zwei selbst 69 Ja-Stimmen erhält, sagt: "Von diesem Abend kann ein starkes Signal ausgehen. Wir als CSU sind die Kraft in Dachau."

Die Dachauer Christsozialen sind bereit für den Wahlkampf. Und natürlich sind sie auch bereit für die Mission, das Oberbürgermeisteramt von der SPD zurückzuerobern und die schmerzliche Niederlage von 2014 vergessen zu machen. Oder wie der Ortsvorsitzende Tobias Stephan es sagt: "Wir sind bereit für den Wechsel." Mit der Liste habe man einen "großen Wurf" gemacht. OB-Kandidat Peter Strauch, der ganz vorne platziert ist, ist sich sicher: "Mit dieser Liste können wir gewinnen."

"Jetzt kämpfen wir zusammen"

Dem Vorstand ist es gelungen, eine Stadtratsliste zusammenzustellen, auf der fast genauso viele Frauen (19) wie Männer (21) stehen, was für die CSU durchaus als kleine Revolution gelten kann. Zudem kann sich der Altersschnitt sehen lassen: Jeder zweite Kandidat ist laut Strauch unter 40. Auch darauf ist man in der CSU stolz. Die Jüngste ist Anna Eder aus Pellheim, sie bekommt den achtbaren fünften Listenplatz, direkt hinter langjährigen Stadträtin Gertrud Schmidt-Podolsky. Nachdem sie mit 61 Ja-Stimmen nominiert wurde, kommen mehrere Stadträte zu ihr und gratulieren. "Super Ergebnis", sagt Katja Graßl, "jetzt kämpfen wir zusammen."

Eder sagt, sie finde es schade, dass wenig junge Menschen im Stadtrat seien. Dort würde sie sich vor allem für das Hinterland einsetzen wollen. "Das soll nicht zu kurz kommen", sagt die Mitarbeiterin des Landratsamtes. Die Leute dort hätten mir ihr eine bekanntes Gesicht als Ansprechpartnerin.

"Wir stehen mit einem starken Team gegen den Solisten Hartmann"

Innerhalb der Fraktion zeichnen sich kleinere Machtverschiebungen ab. Die jetzigen Stadträte Wolfgang Reichelt, Christine Unzeitig und Benedikt Hüller kandidieren nicht mehr, de facto wird auch Anton Limmer ausscheiden, da er auf der Liste ganz hinten platziert ist. Tobias Stephan dürfte im neuen Stadtrat eine wichtige Rolle spielen, die CSU-Mitglieder nominieren ihn auf Platz drei. Thematisch sieht er sich als Generalist, aber fühlt sich auch in der Kultur zu Hause. Gute Chancen hat auch der Vorsitzende der Jungen Union, Michael Putterer, der den neunten Platz erhält. Ansonsten setzen die Christsozialen auf den vorderen Posten auf die erfahren Stadträte. Bemerkenswert ist die Kandidatur von Andreas Scherm, der Bauherr, dem das Kaufhaus Rübsamen und der Schermhof gehört. Er steht auf Platz 21.

Zu Beginn des Abends streift Peter Strauch durch die Tischreihen, begrüßt Anwesende, klopft ihnen auf die Schulter oder kümmert sich um die Organisation. Er spüre die Verantwortung auf seinen Schulter, wird er später sagen. Der Hoffnungsträger der Christsozialen präsentiert sich als Spielführer einer Mannschaft. "Wir stehen mit einem starken Team gegen den Solisten Hartmann", sagt er. Rund 80 CSU-Mitglieder und Interessierte sind gekommen. Viele meinen, dass da in Dachau mit der vom SPD-Oberbürgermeister geführten Verwaltung gerade etwas aus dem Ruder laufe. Strauch will dieses Gefühl in seiner Rede mit konkreten Zahlen untermauern. Er spricht über die Themen Verkehr, Wohnen und Sport und greift immer wieder den OB an. Strauch sagt, Hartmann mache seine Hausaufgaben nicht und schrecke vor mutigen Entscheidungen zurück. "Ein OB muss mehr leisten als zu moderieren", so Strauch. "Das Schlimmste aber seien die Finanzen." Die Zahlen für den Haushalt von 2020 seien eine "Katastrophe". Die Rücklagen würden auf einen Schlag komplett aufgebraucht. Strauch hat ausgerechnet, dass die Stadt in den nächsten vier Jahren 140 Millionen Euro neue Schulden machen würde. "So können wir das nicht weiterlaufen lassen." Strauchs Rede endet an diesem Donnerstagabend um 20.25 Uhr. Der OB-Kandidat sagt: "Der Countdown für die Wahl startet genau jetzt."

Die Dachauer CSU will mit ihrer Nominierungsversammlung ein Zeichen für den Wahlkampf setzen. Doch an diesem Abend geht es auch um Dinge, welche die Kommunalwahl in den Hintergrund rücken lassen. Gleich zu Beginn bittet Stephan um eine Gedenkminute für die Opfer des rechtsextremistischen Anschlags von Halle. "Das Gift des Antisemitismus strömt aus. Es ist eine Schande für Deutschland, dass Juden nicht sicher ihrer Religion nachgehen können", sagt Stephan. Die NS-Zeit sei eben alles andere als ein "Fliegenschiss". Dann legt sich Stille über den Saal. Leise Töne im Wahlkampf.

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Quelle:
SZ vom 12.10.2019
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