Dachau:Klimawandel in der Kreispolitik

Nach den ersten 106 Tagen im Amt hat sich der neue Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU) die Sympathie der Kreisräte gesichert. Sie sprechen von einem neuen Miteinander im Gremium

Von Wolfgang Eitler, Dachau

"Zitieren Sie die auch?" Landrat Stefan Löwl (CSU) meint den SPD-Fraktionsvorsitzenden Harald Dirlenbach, Bürgermeister von Vierkirchen. Dazu die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Marese Hoffmann aus Hackermoos, und den Sprecher der Freien Wähler, Michael Reindl, ehemals Bürgermeister in Erdweg. Und das sagen die drei über genau 106 Tage Landrat Löwl, über den Nachfolger von Hansjörg Christmann (CSU), der den Landkreis zuvor 37 Jahre regelrecht dominierte.

Marese Hoffmanns Bilanz fällt so aus: "Ich finde der Start in sechs neue Jahre Kreistag war positiv." Sie fügt hinzu: "Der beste, den ich in den 18 Jahren als Kreisrätin erlebt habe." Sie lobt die atmosphärische Aufhellung. "Die ist mir zurzeit wichtiger als das Politische." Harald Dirlenbach ist von der Persönlichkeit Löwls angetan: "Er kommt mit klaren Vorstellung zum Gespräch, aber nicht mit vorgefertigten Meinungen." Und Michael Reindl, der sich manchmal, im übertragenen Sinn gesprochen, in Christmann regelrecht verbissen hatte, würdigt Löwl als Landrat, der sich in kurzer Zeit "gut eingearbeitet" hat. Vor allem ist er von den Gesprächen mit den Fraktionsvorsitzenden angetan: "Ich hoffe, er macht sie zum festen Bestandteil seiner Tätigkeit."

Klar, die Lobeshymnen sind auch versteckt gezielte Attacken auf die Christmann-Ära und einen von ihnen als veraltet empfundenen Politikstil, in dem ein kleiner Kreis aus persönlichen Beratern die Leitlinien des Kreistags letztlich bestimmte. Trotzdem freut sich Löwl über diese Komplimente. Deshalb die Frage, ob die SZ diese Stellungnahmen der vermeintlichen oder tatsächlichen politischen Kontrahenten auch angemessen wiedergibt.

Tatsächlich hat sich in der Debattenkultur des Kreistags in wenigen Monaten Entscheidendes geändert. Unter Christmann hätte es eine solche Diskussion über die Amperklinikum AG, wie am Freitag, 25. Juli, nie und nimmer gegeben. Betriebsratsvorsitzender Dieter Möbs hätte nicht das Wort ergreifen und Kritik an der Personalpolitik vortragen dürfen. Denn Christmann hätte den Vertreter Helios niemals unterbrochen, und das Wort an einen seiner Untergebenen gegeben, um auch dessen Position kennenzulernen.

Bei solchen Diskussionen erzeugte der Alt-Landrat in der Gesundheitspolitik stets eine Stimmung der Unangreifbarkeit im Kreistag, welche die Opposition teilweise einschüchterte. Niemals hätte sich die SPD-Fraktion getraut, für das Personal und gegen den Hauptgesellschafter der Amperkliniken AG Position zu beziehen. Aber an diesem denkwürdigen Freitag sah sich Bernhard Seidenath, Christmanns Nachfolger als CSU-Kreisvorsitzender bemüßigt, die Seiten wenigstens andeutungsweise zu wechseln. Löwl hat das Klima im Kreistag in der Gesundheitspolitik zugunsten einer offenen Debatte gedreht.

Dachau: Lachend mit Familie Richtung Dachauer Volksfest. Landrat Stefan Löwl kann auch wegen der Komplimente aus dem Kreistags sehr guter Stimmung sein.

Lachend mit Familie Richtung Dachauer Volksfest. Landrat Stefan Löwl kann auch wegen der Komplimente aus dem Kreistags sehr guter Stimmung sein.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Grünen-Sprecherin Marese Hoffmann erzählt von einem Gespräch mit dem neuen Landrat, in dem er ihr gesagt habe, "dass sein Blick nicht auf die Gewinnmaximierung im Unternehmen gerichtet ist". Löwl sagt: "Das stimmt." Und er erklärt: "Bei einem Anteil von 5,1 Prozent an den Amperkliniken ist für uns die Höhe der Rendite nicht ausschlaggebend, sondern die medizinische Qualität und die Arbeitsbedingungen des Personals." Er relativiert: "Aber wirtschaftlicher Erfolg und eine gute Personalführung schließen sich nicht aus." Ähnliches sagte am 25. Juli auch der Regionalleiter des neuen Hauptaktionärs der Amperklinikum AG, Martin Jonas, im Kreistag: "In einem wirtschaftlich guten Unternehmen geht es auch dem Personal gut." Es ist nur eine Nuance, aber eine entscheidende, in der sich Löwl und die Sprecher von Grünen, SPD und Freie Wählern unterscheiden. Sie zeigten sich überzeugt, dass auch der Umgang mit dem Personal die Entwicklung eines Unternehmens beeinflusst.

Die neue, anscheinend als wohltuend empfundene Atmosphäre hängt sicher auch damit zusammen, dass sich die unterschiedlichen Fraktionen und Gruppierungen über die wichtigsten politischen Themen der nächsten sechs Jahre einig sind. Das heißt: Sie wissen genau, worüber sie sich auseinandersetzen. Es bestehen keine Unklarheiten. So wollen alle ein Gesamtkonzept für den Verkehr des Landkreises, weil sämtliche 17 Kommunen an ihre planerischen Grenzen stoßen.

Der Hinweis des Kultusministeriums, dass der Bedarf für ein viertes Gymnasium nicht ausreiche, obwohl das im Aufbau befindliche Ganztagsgymnasium in Dachau blendend angenommen wird, hat alle Kreispolitiker empfindlich getroffen. Unabhängig davon, ob sie die Bildungspolitik des Freistaats und das mehrgliedrige Schulwesen wirklich gut finden. In der Asylpolitik arbeiten alle Fraktionen an einem Konsens.

Und wie findet Stefan Löwl seine ersten 106 Tage als Landrat? "Es macht Spaß", sagt er. Die Verwaltung zieht anscheinend mit bei seinem umfassenden internen Veränderungen, wie bei einer Stabsstelle für die Entwicklung des gesamten Landkreises oder beim Aufbau eines Services für die Bürger, indem beispielsweise einfache Anfragen online erledigt werden können.

Und was will Löwl nach sechs Jahren über sich sagen, bevor er, ministrabel geworden, Richtung München entschwindet? Zunächst hebt er die Stimme und schwört jeglichen Karriereambitionen ab: "Ich will Landrat bleiben." Sein Ziel klingt zunächst bescheiden: "Ich will auf jeden Fall erreicht haben, dass der Landkreis mit dem Zuzug mithalten kann."

Da warten einige große Herausforderungen auf ihn: Der Bau neuer Schulen zählt dazu. Er muss die Lücken im Bildungswesen auffüllen. Es fehlt eine Fachoberschule für den Landkreis, während Starnberg und Fürstenfeldbruck über eine weitere neue nachdenken. Die Debatte über eine Nord-Ostumfahrung Dachaus ist nicht ausgestanden. Beide Probleme will Löwl über einen Bildungsatlas und ein Gutachten über den Gesamtverkehr in den Griff bekommen. Der Herbst wird politisch spannend.

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