SZ-Serie: Die Zwanziger, Folge 1:Angst um die Zukunft

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Die Moore im Landkreis, aber auch dieFrischluftschneise zwischen Dachau und Karlsfeld gilt es unbedingt zu schützen, finden Naturschützer. (Foto: Toni Heigl)

Der Klimaschutz ist eines der wichtigsten Themen in diesem Jahrzehnt - er wird auch bei den Wahlen eine große Rolle spielen. Der Landkreis Dachau sieht sich in diesem Bereich auf einem guten Weg, die Naturschützer fordern noch mehr Einsatz für die Umwelt.

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Das vergangene Jahrzehnt war das heißeste seit Beginn der Klimaaufzeichnungen - mit diesem Gedanken startete die Welt in das kommende Jahrzehnt, und schon jetzt ist Klimaschutz das Thema der Zwanzigerjahre. Doch was kann und muss in den nächsten Jahren passieren, hier im Landkreis? "Dieses Jahrzehnt ist das entscheidende", stellt Fée van Cronenburg fest, 17 Jahre alt und Mitglied von Fridays for Future (FFF) in Dachau. Gemeinsam mit vielen jungen Menschen auf der ganzen Welt geht sie seit rund einem Jahr auf die Straße und protestiert für einen Wandel in der Klimapolitik, für ein Umdenken in der Gesellschaft.

Dieses Umdenken sei in der Gesellschaft mittlerweile angekommen, unter anderem dank der FFF-Bewegung, bemerkt Roderich Zauscher, Vorsitzender des Bundes Naturschutz Dachau. "Aber in der Politik? Nein." Dabei gibt es viele Dinge, die dem Kreistagsabgeordneten der Grünen einfallen, die sich im Landkreis Dachau zugunsten des Klimaschutzes umsetzen ließen: den öffentlichen Nahverkehr verbessern, den Straßenausbau hingegen sofort stoppen. "Vor allem die Ost-Umfahrung in Dachau, die nur mehr Verkehr anlocken soll", so Zauscher. In den kommenden Jahren müsse man regenerative Energien fördern, im Landkreis Windräder bauen, Zapfsäulen für E-Autos aufstellen. Wichtig sind dem Naturschützer insbesondere die Moore im Landkreis, die es unbedingt zu schützen gelte. Diese speicherten CO₂ - bauten sie sich ab, würde Kohlendioxid in großen Mengen freigesetzt. Auch die Frischluftschneise zwischen Dachau und Karlsfeld, deren Erhalt durch eine Petition erreicht wurde, müsse dringend Landschaftsschutzgebiet werden. "Doch im Kreistag drückt man sich mit Ausreden", sagt Zauscher.

Im Kreistag hatte die Fraktion der SPD im vergangenen November den Antrag eingereicht, im Landkreis den Klimanotstand auszurufen. Dies lehnte das Gremium jedoch mehrheitlich ab. Die Klimabeauftragte des Landratsamtes hatte sich dagegen ausgesprochen - Grundlage war unter anderem die positive Bewertung der Klimaschutzziele, die der Kreistag 2008 für den Landkreis festgelegt hatte. Bis 2020 wollte man den Energieverbrauch um 30 Prozent senken, die CO₂-Emissionen um 40 Prozent, erneuerbare Energie um 40 Prozent ausbauen. Die letzte Bewertung dieser Ziele gab es 2018, mit den Daten aus dem Jahr 2016. Man entwickle sich ähnlich zum Bundesdurchschnitt, im Sektor der Primärenergie lag man mit einem Rückgang von neun Prozent höher als der Durchschnitt im Bund. Zumindest vergleichsweise sei der Landkreis Dachau hier auf einem guten Weg, heißt es in dem Schreiben. Die Vereinbarung von Klimaschutzmaßnahmen mit allen anderen Sektoren ist die große Herausforderung; hier sprechen die Klimaschutzbeauftragten von Zielkonflikten mit anderen Interessensgebieten - beispielsweise auch mit dem Umwelt- und Artenschutz, wenn es um den Ausbau regenerativer Energien gehe.

Diejenigen, die in der Öffentlichkeit der vergangenen Monate häufig das Bild der Gegenspieler zur Klimabewegung eingenommen hatten, waren die Landwirte, deren Arbeit von konkreten Forderungen der Bewegung stark betroffen wäre. "Eigentlich ist das gar nicht so", sagt Anton Kreitmair, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes, und merkt an, selbst bereits schon mal auf einer FFF-Demo in München teilgenommen zu haben. Schief angeschaut habe man ihn dort schon. Kreitmair findet, dass das Bewusstsein für Klimaschutz noch immer fehle, vor allem in der breiten Bevölkerung: "Jeder könnte etwas dazu beitragen." Und in der Landwirtschaft, die einen Großteil der Klimaschutzmaßnahmen mittragen müsste? Ja, auch viele Landwirte müssten noch verstehen, dass der Klimaschutz für sie eine große Chance sei, räumt Kreitmair ein.

Geplant ist ebenfalls, erneuerbare Energien wie Solar im Landkreis auszubauen. (Foto: Toni Heigl)

Insbesondere kritisiert der ehemalige Landtagsabgeordnete der CSU allerdings die bisherige Klimapolitik. Er wählt dieselben Worte wie der Vorsitzende des Bundes Naturschutz und die junge Klimaaktivistin: Man rede viel, aber handle nicht. "Ein ,Weiter' so führt letztlich in die Weltkatastrophe", betont Zauscher. Fée van Cronenburg ist wichtig, dass Klimaschutz nicht nur als "Abwendung der Apokalypse" gesehen werde, sondern eben auch als Chance, die nun mit konkreten Maßnahmen ergriffen werden kann. Im Landkreis sei man ihrem Empfinden nach anderen Kommunen bereits voraus, doch aus Sicht der Schülerin mangelt es noch immer an konkreten Richtlinien und an Bildungsmöglichkeiten, die über den Klimawandel, seine Folgen und mögliche Gegenmaßnahmen aufklären.

Einig sind sich die drei in jedem Fall, dass das Thema Klimaschutz das kommende Jahrzehnt bestimmen werde und auch die Wahlen. Fée van Cronenburg hofft, dass möglichst vielen Menschen bewusst werde, dass "jede Wahl eine Klimawahl ist", und spielt hierbei auch auf die Kommunalwahlen im Landkreis an. Entscheidend sei für sie, dass Parteien im Umkehrschluss die Forderungen der Gesellschaft aufnehmen, die Maßnahmen im Klimaschutz fordert. "Vor allem wünsche ich mir, dass auch auf die jungen Menschen gehört wird." Gemeinsam mit dem Bund Naturschutz möchte die FFF-Gruppe einen Klima-Wahlomat für die anstehende Kommunalwahl im Landkreis entwerfen. Damit sollen Wähler testen können, wie die einzelnen Parteien sich hinsichtlich Fragen zu Umwelt und Klima positionieren und welche Projekte sie umsetzen möchten. Im Landratsamt möchte man sich bei diesem Thema insbesondere auf junge Menschen konzentrieren. Diese hätten noch keine feste Gewohnheiten, ihr Handeln ließe sich bei überzeugender Argumentation noch beeinflussen, heißt es in der Beschlussvorlage der Klimaschutzbeauftragten.

Klimaschutz werde Geld kosten, auch das müsse im Bewusstsein der Menschen ankommen, fordert Kreitmair, der besonders an die Initiative der Einzelnen appelliert. Die Richtung müsse aber die Politik vorgeben. Was bleibt also zu tun, in diesen Zwanzigerjahren? "Eine ganze Menge", fasst Zauscher zusammen, und ergänzt: "Nichts zu tun, das ist ein Verbrechen an der Zukunft."

Was passiert bis 2030 in Themenbereichen wie Klima, Verkehr, Wohnen oder Arbeit im Landkreis? Anlässlich des Starts in ein neues Jahrzehnt beschäftigt sich die Dachauer SZ in einer losen Serie mit den großen Zukunftsfragen.

© SZ vom 15.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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