Kinderbetreuung in Dachau:Der Fluch des guten Rufs

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Gemeinsam mit Kindern vom Klosterkindergarten und dem Steinlechnerhof weiht Oberbürgermeister Florian Hartmann den Amper-Spielplatz ein. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Im September könnten 160 Betreuungsplätze für Kinder fehlen. Die Große Kreisstadt leidet auch an ihrer Beliebtheit bei jungen Familien. Es hat sich herumgesprochen, dass es hier vergleichsweise viele Kitas gibt.

Von Petra Schafflik, Dachau

Schlechte Nachrichten für Dachauer Familien: Obwohl die Stadt permanent in die Kinderbetreuung investiert, fehlen im Herbst 160 Plätze in Krippe, Kindergarten und Hort. Allein mit rasch installierten Provisorien wird es nicht getan sein, denn mehr noch als Räume fehlt Personal. 75 Plätze können allein wegen fehlender Erzieherinnen nicht belegt werden. Der Markt ist leergefegt, "es gibt einfach zu wenige Erzieher", sagt Markus Haberl, der für die Kinderbetreuung zuständige Amtsleiter in der Stadtverwaltung.

"Fürchterlich", kommentiert Familienreferentin Elisabeth Zimmermann (CSU) die Zahlen. Die Stadt setzt deshalb an mehreren Punkten an: Wo Räume da sind, sollen Plätze belegt werden, auch wenn der gesetzliche Betreuungsschlüssel nicht erreicht wird. Staatliche Fördermittel gibt es dann nicht, aber diese Einbuße will die Stadt tragen. Freie Träger können so ein finanzielles Risiko aber nicht eingehen. Gleichzeitig könnten in Containern, die zum Jahresende frei werden, drei bis vier Krippen- oder Kindergartengruppen unterkommen. Denn fehlender Platz ist schon auch ein Problem. Verhandlungen mit möglichen Betreibern laufen noch, so Haberl. Was das Personal angeht, bleibt Haberl optimistisch, "da ist noch einiges in Bewegung."

Gerade junge Familien zieht es nach Dachau

Für betroffene Eltern mag es wie Hohn klingen, aber auf dem Papier steht Dachau nicht schlecht da. Denn Jahr für Jahr sind zuletzt neue Kitas entstanden, 2479 Plätze gibt es aktuell in Krippen, Kindergärten und Horten für die mehr als 47 500 Einwohner der Stadt. In dem mit 62 000 Bürgern deutlich größeren Rosenheim können auch nicht viel mehr, nämlich 2548 Mädchen und Buben eine Kita besuchen. Auch einen Vergleich mit Germering oder Fürstenfeldbruck muss die Stadt nicht scheuen. Wenn in Dachau jetzt aber anders als in diesen Vergleichskommunen dennoch Plätze fehlen, liegt das vor allem an der Attraktivität der Stadt. Gerade junge Familien zieht es offenbar hierher.

"Dachau ist beliebt, hat den Ruf, dass es eine gute Kinderbetreuung gibt und die Kinder auch unterkommen", so hat es Stadträtin Christa Keimerl (SPD) beim Neubürgerempfang von neu Zugezogenen gehört. Dieser gute Ruf wird nun zum Problem. Dabei sind große Neubaugebiete in jüngster Zeit nicht entstanden, allerdings läuft in bestehenden Wohnvierteln die Nachverdichtung. Baulücken werden geschlossen und wo gerade noch ein Häuschen aus den Fünfzigern in einem weitläufigen Garten stand, entsteht ein Dreispänner. Oft ziehen junge Familien ein, die für ihren Nachwuchs Kita-Plätze benötigen. "Dieser Zuzug ist nicht planbar", betont Haberl.

Mehrere Klageandrohungen

Doch in diesem Jahr kamen weitere Faktoren dazu: Die von der Staatsregierung im Frühjahr fast überstürzt eingeführte Einschulungskorridor gibt Eltern mehr Freiheit. Kinder, die zwischen Anfang Juli und Ende September sechs Jahre alt werden, können eingeschult oder zurückgestellt werden. In Dachau führt das dazu, dass etwa 30 Kinder ein Jahr länger im Kindergarten bleiben. Plätze, die für jüngere Nachrücker fehlen. Verschärft wird die Lage durch die gesellschaftliche Entwicklung, wonach immer mehr junge Eltern ihren Nachwuchs nicht nur in den Kindergarten schicken, sondern auch eine Krippen- und Hortbetreuung wünschen. Und diese Forderung auch juristisch durchsetzen. Nachdem Familien seit 2013 einen Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder ab dem ersten Geburtstag bis zum Schuleintritt haben, drohen der Stadt juristische Folgen.

Für Krippenkinder sind beim formal zuständigen Landkreis wie auch bei der Stadt "mehrere Klageandrohungen angezeigt worden", sagt Markus Haberl. Ob vor Gericht eine Rolle spielt, dass die Stadt nicht verantwortlich ist für die Betreuungslücke, sondern schlicht das Personal fehlt, ist nicht absehbar. In jedem Fall wird die Verwaltung weiter intensiv nach Erzieherinnen suchen. "Die Prognosen waren auch in der Vergangenheit oft um diese Zeit schlecht und am Ende ist es aufgegangen", sagt SPD-Fraktionssprecherin Christa Keimerl zuversichtlich. Für Familienreferentin Zimmermann (CSU) gilt als Ziel, "möglichst allen Krippen- und Kindergartenkindern gerecht zu werden".

© SZ vom 12.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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