Folge der Zentralisierung:Kinderärztlicher Bereitschaftsdienst wird eingestellt

Kind beim Kinderarzt

Der kinderärztliche Bereitschaftsdienst in Dachau wird eingestellt.

(Foto: dpa)

Der kinderärztliche Bereitschaftsdienst in Dachau wird eingestellt. Eltern müssen künftig bis nach München fahren. Auch die Mediziner sind enttäuscht.

Von Julia Putzger, Dachau

Egal ob plötzliches Fieber, Ohrenschmerzen oder Hautausschlag - wenn es dem eigenen Kind nicht gut geht, machen sich besorgte Eltern meist schnellstmöglich auf den Weg zum Arzt. An Wochenenden und Feiertagen gab es im Landkreis dafür bisher einen kinderärztlichen Notdienst. Doch mit der Eröffnung einer neuen kinderärztlichen Bereitschaftspraxis im Münchner Westen soll dieser Dienst nun eingestellt werden - und der Weg zum Kinderarzt für die Bewohner des Landkreises damit länger.

Die neue Bereitschaftspraxis, die am Donnerstag im Klinikum Dritter Orden in München-Nymphenburg eröffnet, deckt laut einer Pressemitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) "den Einzugsbereich des Münchner Westens bis ins Umland von Dachau ab". Insofern wäre der Standort in München eine gute Ergänzung für den Landkreis. Doch es fehlt an Medizinernachwuchs.

"Das ist natürlich sehr schlecht für unsere Patienten"

Da der lokale Bereitschaftsdienst von immer weniger Ärzten gestemmt wird - nur noch sieben treten den zusätzlichen Dienst an, zwei von ihnen freiwillig, da sie per Bereitschaftsdienstordnung ab einem Alter von 62 Jahren eigentlich nicht mehr dazu verpflichtet wären - kommt es zu einer Zusammenlegung. Das heißt, dass die Dachauer Ärzte künftig im Klinikum Dritter Orden Bereitschaftsdienste übernehmen, weshalb es dann keinen Bereitschaftsdienst außerhalb Münchens mehr gibt.

"Das ist natürlich sehr schlecht für unsere Patienten, aber von der Politik anscheinend so gewollt", bemängelt der Dachauer Kinderarzt Nikolaus Hosemann die aktuelle Entwicklung. Er glaubt, dass sobald Nachfolger für die Kinderärzte, die über 62 Jahre alt sind, gefunden wären, auch der lokale Dienst wieder aufrecht erhalten werden könnte. Schließlich wären die jüngeren Ärzte anders als ihre älteren Vorgänger verpflichtet, im Bereitschaftsdienst zu arbeiten.

"Viele Leute fahren sowieso ins Krankenhaus, darum macht es absolut Sinn, dort eine Bereitschaftspraxis einzurichten"

Guido Zdrenka, zuständiger Regionalleiter der KVB, kann Hosemanns Kritik nicht verstehen und entgegnet, dass sämtliche Entscheidungen in Zusammenarbeit mit der Dachauer Dienstgruppe getroffen worden seien. Diese habe auf Grund der hohen Arbeitsbelastung einen Antrag auf Auflösung gestellt, woraufhin die jetzige Lösung erarbeitet wurde. Es sei darum falsch, über die Ergebnisse zu klagen. "Wir haben eine Lösung gefunden, die für die Ärzte aber vor allem auch für die Patienten passt." Der Weg nach München bedeute für viele keine große Veränderung: "Man kann zwar nicht direkt sagen, dass München und Dachau verschmelzen, aber viele fahren sowieso schon in die Kliniken der Stadt", sagt der Regionalleiter. Ein weiterer Vorteil der Praxen in München seien die durchgängigen Öffnungszeiten - in Dachau gab es eine dreistündige Mittagspause. Neben der neuen Bereitschaftspraxis in der Klinik des Dritten Ordens sei auch die Bereitschaftspraxis in Schwabing von Dachau aus gut erreichbar, mit öffentlichen Verkehrsmitteln auch die Fahrt zur Praxis Elisenhof am Münchner Hauptbahnhof kein Problem.

Generell fokussiere die KVB die Einrichtung der Bereitschaftspraxen direkt in den Kliniken. "Viele Leute fahren sowieso ins Krankenhaus, darum macht es absolut Sinn, dort eine Bereitschaftspraxis einzurichten", erklärt Zdrenka. Da es am Dachauer Helios Amper-Klinikum aber keine Kinderstation gebe, konnte dort auch keine kinderärztliche Bereitschaftspraxis eingerichtet werden. Eine allgemeine Bereitschaftspraxis gibt es dort zwar - Hosemann empfiehlt Eltern aber, unbedingt mit ihren Sprösslingen einen ausgebildeten Kinderarzt aufzusuchen.

"Es wäre schön gewesen, wenn die Münchner uns geholfen hätten"

Auch der Dachauer Kinderarzt Ramon Rümler ist enttäuscht darüber, dass die wohnortnahe Versorgung wegbricht. Zwar entlaste die Zusammenarbeit mit dem Klinikum in Nymphenburg die Dachauer Ärzte, doch eigentlich hätte er lieber den Bereitschaftsdienst vor Ort aufrechterhalten: "Es wäre schön gewesen, wenn die Münchner uns geholfen hätten. Also zum Beispiel übergangsweise drei Ärzte aus Allach bei uns Dienste übernommen hätten." Die bisherige Situation habe man aber jedenfalls nicht beibehalten können. Denn da auch andere Landkreise rund um München ihre Verantwortung an die Landeshauptstadt abgegeben hätten, seien viele Patienten aus anderen Landkreisen nach Dachau gekommen. "Wir hatten einen sehr guten Service, aber es ist natürlich frustrierend, die Arbeit der anderen zu übernehmen. Andererseits gibt es in München Wartezeiten von vier bis fünf Stunden", sagt Rümler. Seiner Meinung nach wäre es deshalb sinnvoller, vor Ort Entlastung zu schaffen, statt auf Zentralisierung zu setzen.

Auch die Verantwortlichen im Landratsamt sind nicht erfreut über die aktuelle Entwicklung. Da man aber keinen direkten Einfluss nehmen könne, versuche man vorerst sich mit Wünschen und Vorschlägen einzubringen, so die Behörde. Einen kinderärztlichen Bereitschaftsdienst in Dachau würde man sich aber wünschen.

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