Süddeutsche Zeitung

Ausstellung in Dachau:"Die Keramik ist für mich eine Leinwand"

Die Kunststudentin Trami Nguyen zeigt in ihrer alten Heimatstadt Dachau ihre erste Einzelausstellung. Die 28-Jährige kombiniert ihre Objekte mit Airbrush-Farben und geheimnisvollen Zeichen.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Moku ist unruhig. Mit gesenktem Kopf tappt er durch den Hindernis-Parcours aus Kartons, Podesten und Keramikarbeiten. Den fremden Besucher, der mit Zettel und Stift in der KVD-Galerie steht, lässt er nicht aus den Augen. "Ach", sagt Trami Nguyen nur, "das ist ein Schisserhund." Die Künstlerin ist gerade erst aus Halle angekommen, viele ihrer Werke sind noch gar nicht ausgepackt. Später will sie noch einige ihrer Grafiken aufhängen. Die müsse sie aber erst noch anfertigen, sagt sie. Bis zur Vernissage hat sie ja noch ein ganzen Tag Zeit.

Das ist eine ziemliche lässige Ansage, aber so entspannt wie es klingt, ist Trami Nguyen natürlich nicht. Für die 28-Jährige, die an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, kurz Burg, Keramikdesign studiert, ist es die erste Einzelausstellung überhaupt. "Bei Gemeinschaftsausstellungen teilt man sich die Arbeit - und man teilt sich auch die Ängste." Nun steht zum ersten Mal mit ihren Arbeiten ganz allein im Fokus der Öffentlichkeit. "Das ist superpersönlich", sagt sie, und dass diese Ausstellung in ihrer alten Heimat Dachau stattfindet, macht es für sie auch nicht leichter. Was die Leute dort sagen, kann man nicht so einfach von sich schieben. Vielleicht spürt das der Hund, der sich jetzt als Schatten unter einen Tisch verkrochen hat. Der Name Moku ist abgeleitet von der Glasurtechnik Tenmoku: schwarzes Design mit braunen Rändern. Passt zum Fell.

"Sehr clean, das ist mein Stil."

Trami Nguyen, schwarzer Pony, eine versteckte blaue Strähne im zurückgebundenen Haar und Tattoos wie kleine blaue Aufkleber auf Armen und Beinen, ist in Dachau geboren und aufgewachsen. Auch wenn sie schon acht Jahre aus der Stadt fort ist, gibt es doch immer noch viele Verbindungen nach Dachau, auch zu befreundeten Künstlerinnen und Künstlern. Die Begeisterung für Keramik hat sie ihrer Lehrerin an der FOS zu verdanken. Trami Nguyen findet das Material toll, "das ist super vielseitig". Aber sie weiß auch um die weit verbreiteten Vorbehalte gegen Keramikkünstler: Ist das überhaupt richtige Kunst, was die machen? Ist das nicht eher bloß so eine Art Kunsthandwerk? Und bieten nicht gerade ihre Arbeiten auch manche Angriffsfläche für solche Klischees? Man sieht in dieser gerade entstehenden Ausstellung Objekte, die Vasen, Flaschen und Schalen nicht ganz unähnlich sind. Praktisch aussehende Dinge wirken in ihrem Metier immer verdächtig.

Viele ihrer Kommilitonen an der Kunsthochschule machen die verrücktesten Sachen, sie experimentieren mit Pigmenten und kreieren Objekte, die gar nicht mehr so aussehen, als hätten sie irgendetwas mit Keramik zu tun: je ausgefallener desto besser. Trami Nguyen tickt da anders. "Meine Arbeiten sind meist sehr clean, das ist mein Stil." Und sie sagt es beinahe entschuldigend, weil sie es an der Kunsthochschule immer wieder hört, dass man sich lösen solle von konventionellen Formen. Aber selbst ihre Arbeiten, die als amorphe Hohlkörper etwas von komplizierten menschlichen Organen haben, haben eine Öffnung wie eine Blumenvase. Diese Objekte einfach zu schließen, widerstrebt ihr, das könne sie einfach nicht. Vielleicht ändert sich das eines Tages, vielleicht auch nicht. "Ich bin noch in der Formfindung", sagt sie. Da ist sie als Künstlerin wie ihr Material.

"Die Keramik ist für mich eine Leinwand"

Trami Nguyen bevorzugt weiß glasierte Oberflächen. "Die Keramik ist für mich eine Leinwand", sagt die junge Künstlerin, ihr Pinsel ist die Airbrush-Pistole. Diese Arbeitsweise sei "super spannend", schwärmt sie, auch wenn die relativ großen Pigmente, die sie verwende, immer wieder die Sprühdüse verstopften. Das leicht Verschwommene der Airbrush gefalle ihr besonders gut. Die Ästhetik passt ja auch ganz gut zur Idee, die im Titel ihrer Ausstellung steckt: "Kodierte Signale". "Das hat etwas mit nicht lesbarer Schrift zu tun", erklärt sie. "Man sieht die Zeichen, kann sie aber nicht ohne weiteres entschlüsseln." Der Betrachter kann sie achselzuckend ignorieren oder sich damit auseinandersetzen. Das ist das, worauf Trami Nguyen hofft.

Eigentlich wird der Begriff "Keramikkünstlerin" ihr nicht gerecht, denn sie ist viel mehr als das. Sie kombiniert ihre Objekte mit Zeichnungen, mit Schrift und auch mit Druck. Ein schneeweißes amphorenartiges Gefäß hat sie mit einem Graffito aus Wachsstift verziert. Das schlichte Muster aus Kreuzen und Strichen könnte ebenso die Kritzelei an einer Bahnhofsmauer sein wie archaische Geheimzeichen auf einer Tonscherbe. Diese Ambivalenz gibt es auch in der Formsprache ihrer Keramik. Der Korpus wirkt einerseits antik, erscheint durch den kühnen runden Fuß aber auch wieder hypermodern.

Trami Nguyen ist keine impulsive Künstlerin, die einfach mal loslegt und schaut, was am Ende entsteht. "Ich bin sehr technisch und baue viel auf." Sie mag es nicht, wenn etwas ganz anderes herauskommt, als das, was sie sich vorgenommen hat oder - noch schlimmer - nur ein Haufen Scherben, weil der neue experimentelle Ansatz vielleicht doch ein paar entscheidende physikalische Gesetzmäßigkeiten außer Betracht gelassen hat. Für sie als junge Künstlerin spielt auch die Ökonomie eine Rolle: Das Material, Steinzeug und auch das Porzellan, das sie gießt, sind zu teuer, um größere Mengen Ausschuss zu riskieren. Und die Energie zum Brennen wird auch nicht billiger. Wenn Material übrig bleibt, schneidet oder knetet es die Künstlerin zu interessanten kleinen Objekten, die, glänzend glasiert, manchmal aussehen wie exotische Süßigkeiten. Experimente im Keksformat.

Kunst zum Anfassen

Auf einem Stück Wellpappe hat sie probeweise eine Tafel gedeckt, auf farbigen Glasscheiben stehen Schalen, daneben stehen und liegen spindelförmige Gebilde, die wie eine Kreuzung aus Hantel und Blumenvase aussehen. Ein praktischer Nutzen: nicht erkennbar. Sehr gut! Trami Nguyen setzt eine dieser Keramiken hochkant auf den Boden und setzt eine weitere oben auf. Man wagt kaum hinzusehen, aber die junge Künstlerin weiß, dass sie auf ihre handwerklichen Fähigkeiten voll vertrauen kann. Alle Flächen sind so exakt und gerade, dass nichts wackelt. Theoretisch könnte man daraus einen Turm bis zur Decke errichten. Es sind perfekte Bauklötze. Selber ausprobieren sollten die Besucher das natürlich nicht, aber Trami Nguyen hat auch nichts dagegen, wenn man ihre Kunstwerke berührt. Beim Dekodieren kann Anfassen manchmal ganz hilfreich sein.

Nun wartet Trami Nguyen auf die Signale des Dachauer Kunstpublikums. Sie müssen auch nicht kodiert sein.

"Kodierte Signale", Ausstellung von Trami Nguyen in der KVD-Galerie. Öffnungszeiten: Donnerstag bis Samstag jeweils von 16 bis 19 Uhr, Sonntag 14 bis 18 Uhr. Zu sehen bis 10. Juli.

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