Volle Straßen:"Die Verkehrsprobleme werden wir erst in 15 Jahren lösen können"

Lesezeit: 3 Min.

Ein Thema war die hohe Verkehrsbelastung auf der Münchner Straße. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Vor Dachauern und Karlsfeldern versucht Landrat Stefan Löwl, eine nüchterne Einschätzung der Verkehrsprobleme zu fördern.

Von Julia Putzger, Karlsfeld

Tacheles reden - das ist gerade beim Thema Europa geboten. Denn am 26. Mai sind Europawahlen, und die Furcht vor großen Zugewinnen der Rechtspopulisten in der EU wächst. Landrat Stefan Löwl (CSU) nutzte seine Veranstaltung in der Reihe "Tacheles reden", die den direkten Dialog mit den Bürgern fördern will, für ein Plädoyer für ein freies, demokratisches Europa.

Man habe es sich, sagte Löwl, in den vergangenen Jahren zu einfach gemacht und die Europäische Union bei unattraktiven Entscheidungen auf nationaler Ebene vorgeschoben. Doch Europa sei nicht an der Bürokratie schuld, sondern habe im Gegenteil vieles vereinfacht und einzelstaatlichen Regelungen vorgegriffen.

Der Wahlkampf für die Europawahl im Landkreis Dachau ist gestartet

Um Europa attraktiver zu machen und den Menschen näher zu bringen, muss laut Löwl die kommunale Ebene stärker in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Die Stimmen aus den Kommunen würden selten gehört, stattdessen hätten Lobbyisten das Sagen. Das seien gute Bestrebungen, stellte eine Frau aus dem Publikum fest, doch wie genau wolle man Regionalität in der EU denn umsetzen? Darauf hatte Löwl keine fixe Antwort, der Weg dorthin sei lang.

Landrat Stefan Löwl diskutiert mit den Bürgern aus Karlsfeld und Dachau die Probleme der Wachstumsregion. (Foto: Toni Heigl)

Bereits zum fünften Mal ließ Landrat Löwl am Montagabend Tacheles reden. Die CSU-Ortsverbände Dachau und Karlsfeld hatten dazu ins Restaurant Paulaner Seegarten am Karlsfelder See eingeladen, um über die Herausforderungen des südlichen Landkreises zu diskutieren - also vor allem die hohe Verkehrsbelastung im Landkreis.

Karlsfeld erstickt im Verkehr

Bevor die etwa 50 Bürgerinnen und Bürger zu Wort kamen, sprach Löwl lange über die Herausforderungen der kommunalpolitischen Arbeit im Landkreis. Bei seiner Tätigkeit ginge es nicht nur um sachliche Lösungen von ohnehin komplexen Problemen, sondern vielfach müsse man sich mit destruktiven Kräften auseinandersetzen. Obwohl sich Entscheidungsträger intensiv mit den Themen beschäftigten, werde ihnen häufig Inkompetenz vorgeworfen, zumeist mit dem Ziel, eigene Vorstellungen durchzubringen. Den früher vorhandenen Vertrauensvorschuss gebe es nicht mehr. Auch die öffentliche Verwaltung werde häufig kritisiert, obwohl sie Großartiges leiste. Die Bürokratie sei schließlich keine Erfindung der Beamten, sondern komme aus dem Leben: "Wir wünschen uns, dass alles gerecht ist und nichts passiert. Einzelfallgerechtigkeit ist nun einmal bürokratisch", erklärte Löwl.

Lange werde die Umsetzung eines neuen Mobilitätskonzepts und somit die Entlastung der Hauptverkehrsachsen durch Dachau und Karlsfeld dauern. "Wir müssen ehrlich sein und sagen: Die Probleme, die wir heute diskutieren, werden wir nicht heute, nicht morgen und nicht übermorgen lösen können, sondern erst in 15 Jahren. Aber wir müssen sie trotzdem angehen, sonst haben wir auch in 15 Jahren keine Lösung", so Löwl. Etwa der viel diskutierte Bau einer Seilbahn wäre zwar rein technisch schnell möglich, die nicht geklärte Rechtslage, Grundstückseigentümer und Anwohner könnten aber schnell zum Problem werden, meinte Löwl und dämpfte somit etwaige Hoffnungen. Die Probleme der Wachstumsregion seien häufig nicht die großen Probleme Deutschlands, weshalb man auf entsprechende Unterstützung nicht immer hoffen könne.

Durchfahrtsverbote für den Schwerlastverkehr in Karslfeld könnten nur durchgesetzt werden

Mehrere Bürger sprachen das hohe Verkehrsaufkommen in Karlsfeld an und wunderten sich, warum geplante Umfahrungen die Situation in ihrer Gemeinde nicht verbessern würden und stattdessen auch in Zukunft weiter ein Großteil des Verkehrs durch Karlsfeld fließen würde. Löwl erklärte, dass man in einer Verkehrsstromanalyse herausgefunden habe, dass viele, die ihre Fahrt im Dachauer Hinterland starteten, nicht bis nach München sondern - möglicherweise auf Grund ihres Arbeitsplatzes - nur bis Karlsfeld fahren würden. Entlastung könnten demnach nur Alternativen zum Auto bringen, doch auch dabei stehe man vor Problemen. So seien explizite Busspuren häufig kaum möglich. Auch Durchfahrtsverbote für den Schwerlastverkehr könnten nur durchgesetzt werden, wenn eine alternative Route vorhanden sei. Außerdem zeigten jüngste Beispiele, dass die Verbote einfach missachtet würden. "Da fehlen einem Bürger dann die Worte", fasste eine Besucherin die Lage zusammen.

Trotzdem wollte Löwl den Bürgern vor allem Mut machen und zeigen, dass man gemeinsam anpacken und sich Herausforderungen stellen müsse. Auch deswegen sei er für die Veranstaltungsreihe "Tacheles reden" nie nur in einer Gemeinde, da Probleme und Entscheidungen immer auch Auswirkungen auf die benachbarten Orte hätten. Das starke Wachstum in der Region bringe viele noch ungelöste Aufgaben mit sich, doch eine "Entwicklung unter der Käseglocke" ist für Löwl ebenso wenig zielführend. Es dürfe keine Entweder-oder-Mentalität geben - beispielsweise könne man Autofahrer nicht zu Gunsten von Radfahrern aus dem Verkehr drängen, sondern müsse behutsam verlagern. "Ich bin keiner, der sagt: Ich will das eine. Ich sage, ich will alles."

© SZ vom 08.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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