Kleine Altstadt-Galerie:Satire gegen rechts

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Eine Karikatur von Kostas Koufogiorgos zum Thema Asyl und Einwanderung. (Foto: Kostas Koufogiorgos)

Bei der Eröffnung der Wanderausstellung "Oh, eine Dummel" appellieren die Organisatoren, gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aufzustehen. Doch das Interesse könnte größer sein.

Von Helmut Zeller, Dachau

"Ja, wo sind wir denn!" Landrat Stefan Löwl (CSU) spricht über die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch einen Rechtsextremisten, dann erinnert er an das AfD-Gerede 2016 über den Einsatz von Schusswaffen gegen Flüchtlinge. Löwl spricht vor etwa 60 Besuchern zur Eröffnung der Ausstellung "Oh, eine Dummel" über Rechtsextremismus in Karikatur und Satire.

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) sagt: Dachau, das sich als ein Lernort begreife, beziehe Position gegen die Menschenfeindlichkeit - er erinnert an die Demonstration von zweieinhalbtausend Menschen gegen den Auftritt der AfD-Politikerin Beatrix von Storch im Landtagswahlkampf 2018. "Wir sind mehr", sagt Hartmann - und vielleicht stimme das Pegida-Wutbürger oder Identitäre doch einmal nachdenklich.

Die Liste rechtsextremer Umtriebe ist lang

Wo sind wir also? Im Innenhof des Cafés Gramsci und der Kleinen Altstadt Galerie prangt an einer Fassade der Spruch: "Dachau ist bunt." Das trifft auf die Besucher zweifellos zu - weshalb Landrat Löwl denn auch meint, er fühle sich ein bisschen wie ein katholischer Pfarrer, der immer in die gleichen Gesichter schaue. Er wünscht der Ausstellung, die der Gesellschaft einen Spiegel vorhalte, auch Besucher, die nicht ohnehin immer da sind. Denn im Landkreis und der Stadt Dachau gibt es zwar keine fest etablierte Nazi-Szene - aber längst nicht alles ist so bunt, wie das von Behörden, Schulen, Polizei und auch Teilen der Politik jahrelang gerne gesehen wurde.

Viele Besucher kamen zu der Vernissage der Wanderausstellung "Oh, eine Dummel", die der Kreisjugendring nach Dachau geholt hat. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Liste rechtsextremer Umtriebe ist lang: Aufkleber mit rassistischem und völkischem Inhalt im Stadtgebiet, zuletzt im März auch am Taschner-Gymnasium, rund um den Bahnhof und am Karlsberg; ein Infostand der "Identitären Bewegung" vor dem Rathaus, einen Tag vor der Europawahl, rechtsradikale Umtriebe am 8. Mai, dem Jahrestag des Kriegsendes, in Vierkirchen, Petershausen und Jetzendorf - die Neonazis der Partei "Der Dritte Weg" treten an diesem Tag bundesweit auf; Auftritte von Rechtsradikalen an der KZ-Gedenkstätte Dachau; der Diebstahl des KZ-Tores, Identitäre mit Fahnen am Volksfest, der Auftritt sogenannter Reichsbürger. Seit den 1990er-Jahren dokumentiert "Aida" in München rechtsextreme Umtriebe in ganz Bayern.

Gerade der Freiraum steht ganz oben auf der Feindliste der Rechtsextremen

Rechtsradikale wie die Identitären kommen aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck, überwiegend aus München und aus Schwaben, wie Ludwig Gasteiger, Hauptgeschäftsführer des Kreisjugendrings (KJR), erklärt. Dass sie hier nicht richtig Fuß fassen können, liege an den sehr aktiven Mitgliedern etwa des Runden Tisches gegen Rassismus und - vor allem am autonomen Jugendzentrum Freiraum, die in fast allen Fällen sofort Gegendemonstrationen auf die Beine bringen und den Rechtsextremen den Spaß vermiesen würden. Die Reaktion der Polizei erschien in einem Fall doch fragwürdig: Als nach einem Übergriff auf den Freiraum, dessen telefonische Strafanzeige von den Beamten gar nicht aufgenommen wurde. Gerade der Freiraum steht ganz oben auf der Feindliste der Rechtsextremen, auch der KJR wurde zuletzt 2015 mit Morddrohungen angegangen, ein Mitarbeiter im Netz verleumdet. Im Zusammenhang mit dem Mord an Walter Lübcke erfuhr die "schwarze Liste" der Pranger-Plattform "Nürnberg 2.0 Deutschland" wieder Aufmerksamkeit: Neben Lübcke und anderen stehen darauf die Namen des OB Hartmann sowie des Runden Tisches gegen Rassismus, des Freiraums und des Helferkreises Asyl.

Cartoons und Karikaturen sollen einen jugendgerechten Zugang zur Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit ermöglichen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Peter Heller, Sprecher des 2015 gegründeten Runden Tisches, appellierte bei der Vernissage, gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aufzustehen. Er verwies auf die Rolle mancher Politiker und Parteien, die zur Verrohung der Sprache, des Denkens beitrügen, zündelten und anstachelten. Dem Runden Tisch gehören heute Vertreter von 90 Organisationen, Parteien, Vereinen, Kirchen und Betrieben an. Gasteiger erinnerte auf der Vernissage daran, dass es vor dem Mord an Lübcke schon eine ganze Reihe rechtsextremistischer Anschläge gegeben habt: neben den NSU-Morden den Angriff auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Oktober 2015, dem sie nur schwer verletzt entkam, die Terrorakte gegen Kommunalpolitiker in Berlin. "Egal, wen sie angreifen, der Staat muss sie schützen", so Gasteiger.

"Oh, eine Dummel!" ist ein Angebot für die Schulen im Landkreis

Die Saat ist aufgegangen. Antisemitische, überhaupt gruppenbezogene menschenfeindliche Einstellungen nehmen auch in der breiten Gesellschaft im Landkreis zu. Die Wanderausstellung "Oh, eine Dummel" mit 60 Karikaturen namhafter Künstler, satirischen Fernseh- und Filmbeiträgen ermöglicht einen jugendgerechten Zugang zu dem Thema Rechtsextremismus und klärt über die simplen rechtspopulistischen "Lösungen" sowie deren gefährlichen Gehalt auf. Dazu gibt es didaktische Material zur Nachbereitung in den Schulklassen. "Oh, eine Dummel!" ist ein Angebot für die Schulen im Landkreis. "Die Resonanz war bisher nicht so riesig", sagt Gasteiger bedauernd. Immerhin kamen zur Vernissage schon mal Lehrkräfte der Gerhardinger-Realschule und des Effner-Gymnasiums. Man müsse die Frage klären, wie menschenfeindliche Denkmuster entstehen, meint Gasteiger. Wenn ein Schüler erkennbar nach rechts rutsche, müssten die Pädagogen rasch darauf reagieren. Die Schulen nähmen inzwischen doch häufiger das KJR-Präventionsangebot in Anspruch.

Die Ausstellung ist Teil des Bundesprogramms Demokratie leben, das der Landkreis seit 2015 fördert. Der KJR fungiert dabei als Koordinierungs- und Fachstelle. Unter anderem organisiert er Demokratiekonferenzen, zuletzt 2018, an der Mittelschule Karlsfeld. Weitere sollen folgen. Gasteiger: "Das sind positive Signale."

© SZ vom 02.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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:Hoffentlich eine Initialzündung

Die Karikaturenausstellung initiiert hoffentlich einen Diskurs über Menschenfeindlichkeit im Landkreis, ihre Zunahme in der Mitte der Gesellschaft.

Kommentar von Helmut Zeller

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