Süddeutsche Zeitung

Jazz e. V.:Zwischen Schnappatmung und Sanftmut

Lesezeit: 2 min

Das Quartett "Jim & The Shrimps" zeigt sich bei seinem Konzert in der Kulturschranne von zwei Seiten: Während das erste Set einem harten instrumentalen Schlagabtausch gleicht, malen die Musiker nach der Pause ruhigere Klanglandschaften.

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Das erste Set dieses Konzerts von Schlagzeuger Jim Black und seinem Quartett Jim & The Shrimps auf der Bühne des Jazz e.V. in der Kulturschranne hat es in sich. Echte Spielfreude. Echter Genuss. Echter Jazz. Wunderbar ist, mit welch eindringlicher Intensität sich die beiden Saxofonisten (Asger Nissen am Alt-, Julius Gawlik am Tenorsaxofon) ins musikalische Zwiegespräch stürzen. Mal als harter verbaler Schlagabtausch, mal einander brüllend überlagernd, einander zustimmend, einander widersprechend, streitend, sich versöhnend - beide mit mächtigem Selbstbewusstsein argumentierend, mit ordentlich Haaren auf den Zähnen und Feuer im Rachen. Und welch Wirkung, wenn sie zwischendurch plötzlich in genussvoll koordinierter melodischer Aussage zueinander finden - um dann durch skalendominierte Soli zu brettern. Großartig.

Das Ganze findet auf Basis eines atemberaubend bewegten Fundaments statt. So diskret Felix Henkelhausen in seiner aufrechten Körperhaltung auch hinter dem Kontrabass steht (als wäre er ein freundlicher Stehgeiger), er befördert kräftig Sauerstoff in die Glut, lässt den Puls pulsieren, lässt den Blutdruck steigen und den Walkingbass im Sprinttempo Marathon laufen. Wenn dazu noch ein Schlagzeuger wie Jim Black (ein alter Bekannter des Jazz e.V.) hinter dem Drumset sitzt, kann das Vergnügen immens werden.

Kein Mangel an klanglichen Konturen

Was hat dieser Jim Black eine Freude daran, seine Snare Drum zu traktieren! Die rechte Hand schlägt in prägnantem Swing das Becken, die linke aber vollführt auf der Snare lauter köstliche, rhythmisch grandios jegliche Bravheit konterkarierende kleine, kleinste und hintersinnige Teufeleien - und Toms hat Jim Black auch nicht nur zur Zierde ans Schlagzeug geschraubt bekommen.

Zwischendurch gibt es auch in diesem Furioso-Set beruhigtere Momente. Aber wie in einem gut interpretierten Andante bleiben auch dann eine klare musikalische Richtung und ein fasslicher Schritt erkennbar. Klare Konturen sowieso, denn wo ein Jim Black trommelt, kann an klanglichen Konturen kein Mangel herrschen. Somit bleibt auch das langsame Tempo prägnant - zumal kleine Double-Time-Zuckungen von Henkelhausen am Bass ohnehin immer wieder verschmitzt die Option andeuten, dass die Musik jederzeit wieder zum Überholvorgang ihrer selbst ansetzen könnte.

Aus dahinpreschenden Beat wird Klangfarbenmusik

Das letzte Stück vor der Pause kündigt dann den Paradigmenwechsel des zweiten Sets an: Ein flirrendes, mit dem Bogen gestrichenes Basssolo vor morbider Perkussionskulisse bereitet hier den Boden für sanfte, klagende Einwürfe der Saxofone. Aus dem dahinpreschenden Beat wird Klangfarbenmusik. Anschließend zergliedert das Stück in einzelne Impulse. Hier gibt es spannungsvolle Stilbrüche, Stimmungswechsel, rhapsodisch zusammengestellte Einzelbilder, deren Wechsel die vier Musiker jedoch durch feinsinnige, geschickte Übergänge - oder sollte man besser von Überblendungen sprechen - sehr geschmeidig gestalten.

Viele dieser Darbietungseigenschaften bleiben im zweiten Set erhalten. Die Sanftmut nimmt dabei insgesamt noch zu. Leise Lamentogesänge der Saxofone in diskret verschlungener Diskussion, singende Schlagzeugbecken, fast brüchig gestrichene Basssaiten in fragiler Obertonschwingung. So kommt es, dass dieses zweite Set mitunter geradezu nocturneartige Klanglandschaften malt. Musik zum Augenschließen, wo vor der Pause eher Schnappatmung angesagt war.

Natürlich - da wäre Jim Black nicht Jim Black - gibt es hier und da kleine Reminiszenzen an das vorangegangene Furioso, ein lustiges Stop-and-go-Schlagzeugsolo zum Beispiel. Auch weit ausgespannte prozessuale Crescendi des kompletten Tutti-Ensembles lassen immer noch brodelndes Eruptionspotential im Untergrund erkennen. Aber die bewusste Beruhigung und manchmal sogar die dezidiert lyrische Komponente ihrer Musik sind das, was Jim Black und seine "Shrimps" einem an diesem Abend zum Abschluss ganz offensichtlich mit auf den Weg geben wollen.

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