Schlagzeuger Jonas Sorgenfrei wird beim Auftritt seines Jonas Sorgenfrei Quintet auf der Bühne des Jazz e. V. in der Kulturschranne nicht müde zu betonen, dass er es ist, der alle Titel des Repertoires komponiert habe. Immer wieder mischt sich das Wort „ich“ in seine grundsätzlich sehr charmanten Moderationen, wo andere „wir“ sagen. Immerhin steht ja ein Quintett auf dem Podium, dessen Musiker mitunter wunderbare, weitgespannte Soli spielen, an denen sie bestimmt selbst kreativen Anteil haben.
Seine Inspiration bekommt Sorgenfrei in der heimischen Kontemplation. Er hat ein Faible für alte Computerspiele. „Pac Man’s Revival“ heißt deshalb einer der Titel. „Elephants marching on“ sind ihm auch schon begegnet. Und während der Pandemie machte er sich Gedanken über die Zerstörung des Planeten. Wenn schon zerstören, dachte er sich, dann zumindest auf friedliche Weise. So schrieb er „(Peaceful) Life upon a dying Star“.
Man muss sich keine Sorgen machen
Sorgenfrei lädt dazu ein, sich von den Titeln zu einem assoziativen Hören bewegen zu lassen. Damit rückt er seine Titel geschickt in den Bereich der Programmmusik, also Instrumentalmusik, die außermusikalische Inhalte erzählt. Allerdings fällt beim Hören bald auf, dass die verschiedensten Inspirationsquellen auf weitgehend gleiche Weise kanalisiert werden. Die Elefanten, der Weltuntergang und das Computerspiel, sie führen in ähnliche Klangwelten – mit dramaturgischem Schwerpunkt beim Computerspiel. Somit fragt man sich nach einigen Nummern, bei welchen inhaltlichen Themen die Musik womöglich aus der Sanftmut entfliehen wird.
Man muss sich keine Sorgen machen. Was schließlich den stärksten Eindruck hinterlässt, ist die schiere musikantische Qualität der Darbietung. Die ist nun nicht Sorgenfreis Verdienst allein. Aber natürlich hat er seinen Anteil, denn er zeigt am Schlagzeug eine Performance, die zum Interessantesten gehört, was in den vergangenen Jahren auf der Bühne des Jazz e. V. getrommelt wurde: Er ist in unfassbar filigraner, rastloser Bewegung. Selbst dann, wenn die Musik leise und der Puls ruhig sind, mischt er eine enorme Zahl an Details und Kleinstereignissen zu einer Kulisse, die in sich maximal bewegt ist, damit aber nicht aus dem Rahmen fällt, sondern die Musik auf raffinierte Weise belebt. Fast scheint es, als würde durch diese Art der Schlagzeugbehandlung nicht nur eine rhythmische, sondern auch eine weitere melodische Ebene eingezogen. Das ist bemerkenswert – bemerkenswert für sich gesehen und im Kontext des Gesamtklangs.
Die Melodik ist ohnehin ein starkes Moment in diesem Ensemble: Gitarrist Philipp Brämswig beherrscht es wundervoll, seine akkordischen Harmonieaufgaben melodisch durchzuwirken, Soli zu spielen und die fein koordinierten Themen der beiden Saxofonisten mit subtilem Kontrapunkt zu verweben. Denis Gäbel am Tenorsaxofon und Florian Trübsbach vorherrschend am Sopransaxofon schließlich entwickeln eine begeisternde Präsenz.
Insbesondere das Sopransaxofon hat in den Arrangements häufig die Führung inne, und Trübsbach meistert diese Rolle mit einer großartigen Ausgestaltung seiner Soli: Was er spielt, hat Eleganz und Intensität zugleich, hat ein fassliches Steigerungsmoment hin zu immer stärkerer Expressivität, die sich dem Furiosen so stark annähert, das es erreicht scheint, die aber stets um Haaresbreite auf der kultivierten Seite bleibt. Das entfaltet auf Basis des besonnenen Bassfundaments von Matthias Akeo Nowak große Wirkung. Und da aus der Interaktion der fünf Musiker im Verlauf des Abends mehr und mehr solcher kollektiver Energien erwachsen, die die anfängliche Sanftmut kontrastieren, erlebt man beim Jazz e. V. wieder einmal ein sehr eindrucksvolles Konzert.