Erinnerungskultur:Was bei der Internationalen Jugendbegegnung alles geboten ist

20 Jahre Max Mannheimer Haus

Das Projekt Internationale Jugendbegegnung besteht seit 1983 und findet nun zum 37. Mal statt. Träger ist der Förderverein für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit in Dachau, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend und der Kreisjugendring Dachau. Hier ein Bild von der Internationalen Jugendbegegnung im vergangenen Jahr.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Bei der 37. Internationalen Jugendbegegnung in Dachau hören die 65 Teilnehmer Zeitzeugenberichte ebenso wie die Position der Nachfahren der "Täter".

Von Victor Ünzelmann, Dachau

Die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Dachaus steht vom 27. Juli bis 9. August im Mittelpunkt der Internationalen Jugendbegegnung. Dazu erwartet Projektleiterin Stefanie Steinbauer mehrere Zeitzeugen, die über ihre Erfahrungen während des Zweiten Weltkriegs berichten werden. Unter anderem kommen Ernst Grube, der 1945 ins Ghetto Theresienstadt deportiert wurde, Esther Bejarano, die im Chor von Auschwitz war und deshalb überlebte, sowie Leszek Zukowski mit seiner Ehefrau Irene Zukowska. Er wurde 1944 ins KZ Flossenbürg verschleppt.

Ein weiterer Höhepunkt der zweiwöchigen Veranstaltung ist die Podiumsdiskussion zum Thema "Die Nachfahren der Täter". Eingeladen sind Katrin Himmler, die Großnichte von Heinrich Himmler, sowie Niklas Frank, Sohn von Hans Frank, der bei den Nürnberger Prozessen zum Tode verurteilt wurde. Er war Adolf Hitlers Rechtsanwalt und höchster Jurist im Dritten Reich. Beide haben die nationalsozialische Vergangenheit ihrer Familien in Büchern bearbeitet.

Bei der Internationalen Jugendbegegnung in Dachau geht es nicht nur um die Vergangenheit

Interessant dürfte auch die Vorführung des Films "Linie 41" werden. Er handelt von Natan Grossmann, der sich auf die Spurensuche nach seinem Bruder begeben hat, der 1942 im Ghetto Łódź verschwand. Dabei spricht er mit Zeitzeugen und erinnert sich an die Geschehnisse von damals, denn auch er war mit seiner ganzen Familie im Ghetto. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Tram 41, die seinerzeit quer durch die Stadt und das Ghetto verkehrte. Deutsche und Polen stiegen ein und sahen täglich das Leid der gefangenen jüdischen Mitbürger im Ghetto. In dem Film wird die Linie 41 zum Sinnbild der eigenen Ohnmacht und der Gleichgültigkeit derer, die täglich zuschauten. Nach der Filmvorführung findet eine Diskussion mit Natan Grossmann statt.

Bei der Internationalen Jugendbegegnung soll es jedoch nicht nur um die Vergangenheit gehen, der Blick soll auch auf die Gegenwart gerichtet werden. In verschiedenen Workshops lernen die 16- bis 26-Jährigen, die in diesem Jahr an dem Treffen teilnehmen, wie sie auf Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung so reagieren können, dass nicht wieder ein solches Klima der Angst entsteht, wie es zur Zeit des Nationalsozialismus war. Natürlich geht es auch um den Umgang mit Hetze im Internet, speziell bei Social Media. Ein Workshop heißt zum Beispiel #HateIsNotAnOption, "Your statement against discrimination" und "Rhetoric of Exclusion". In Kooperation mit der Druckwerkstatt und dem Outer Circle finden die Workshops "Your and my letter" und der Georg Scherer Graffiti-Workshop statt. Mehr Informationen zum Programm des Bildungsevents ist im Internet unter www.jugendbegegnung-dachau.de zu finden.

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Vergangenes Jahr bei der Internationalen Jugendbegegnung vorgestellt wurden die Stipendiaten aus den Philippinen Marian Sophia Cruz und Carl Joshua De Leon.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Dieses Jahr haben sich rund 65 Jugendliche angemeldet, erzählt Stefanie Steinbauer, vom Kreisjugendring Dachau. Die 29-Jährige ist die Projektleiterin der Internationalen Jugendbegegnung. Aus 19 verschiedenen Ländern kommen die jungen Leute, darunter Armenien, Korea und Russland. Etwa ein Drittel der Teilnehmer ist jünger als 18 Jahre, sagt Steinbauer. Sie bedrückt allerdings, dass relativ wenige Teilnehmer aus Deutschland kommen. "Die deutschen Teilnehmer kann ich an einer Hand abzählen", sagt sie. Vor allem die Beteiligung von Jugendlichen aus Dachau sei äußerst gering. "Wir stellen uns die Frage, warum ist das so?" Früher seien mehr Leute aus Dachau und Umgebung an der Jugendbegegnung interessiert gewesen. "Ich habe öfter von Dachauern gehört, die noch nie von der Jugendbegegnung etwas mitgekriegt haben", beklagt sie. Dabei mache der Kreisjugendring Werbung für das Projekt. "Wir wollen frischer, frecher und offener nach außen treten", hat sich Steinbauer vorgenommen. Dafür soll das Logo neu gestaltet werden und eine angemessene Social Media Strategie gefunden werden.

Ein Teil der Workshops und Veranstaltungen kann in diesem Jahr von allen besucht werden, darunter das Zeitzeugencafé, die Filmvorführung und das Podiumsgespräch. Wer dabei sein will, sollte sich vorher auf der Internetseite anmelden. Bis zum 29. Juli ist dies noch möglich. Die Veranstaltungen sind alle kostenlos, die Workshops schlagen mit fünf Euro Tagespauschale zu Buche.

Exkursionen zur KZ-Gedenkstätte Dachau

In der ersten Woche sind die Teilnehmer der Jugendbegegnung unter sich. Es gibt gemeinsame Exkursionen zur KZ-Gedenkstätte in Dachau und in die Synagoge am Jakobsplatz in München. Außerdem besuchen die Jugendlichen viele Orte in der Region, die nationalsozialistische Vergangenheit haben. Mit dem Gelernten bereiten sie sich auf die Zeitzeugengespräche vor, erklärt Andrea Heller, die Geschäftsführerin des Fördervereins für internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit in Dachau. Im Gespräch mit den Überlebenden können die Teilnehmer die abstrakte Geschichte besser fassen.

Neben der Vergangenheit steht für die Teilnehmer aber auch das Miteinander verschiedenster Kulturen und Sprachen im Fokus der Begegnung. Im Gegensatz zur Ausgrenzung, die die Nationalsozialisten seinerzeit betrieben. Die Jugendlichen sollen die Buntheit und die geistigen Impulse, die davon ausgehen, erleben und schätzen lernen.

Das Projekt Internationale Jugendbegegnung besteht seit 1983 und findet nun zum 37. Mal statt. Träger ist der Förderverein für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit in Dachau, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend und der Kreisjugendring Dachau. Das Organisationsteam kümmert sich um die Umsetzung des Projekts und besteht aus jungen, ehrenamtlichen Mitarbeitern.

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