Dachau:"In meinem Namen spricht er nicht"

Dachau: Der 96-jährige Auschwitz-Überlebende Max Mannheimer nimmt das Gedenkstättenpersonal in Schutz.

Der 96-jährige Auschwitz-Überlebende Max Mannheimer nimmt das Gedenkstättenpersonal in Schutz.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

KZ-Überlebender Max Mannheimer weist die Kritik des SPD-Politikers Martin Güll am Zustand der Gedenkstätte zurück

Von Helmut Zeller, Dachau

Der Auschwitz-Überlebende Max Mannheimer hat kein Verständnis für die Kritik des Dachauer Landtagsabgeordneten Martin Güll (SPD) am Zustand der KZ-Gedenkstätte. Mannheimer spricht von "Angriffen unsachlicher Art" und vermisst, wie er der SZ mitteilte, dass Güll die Ursachen und politisch Verantwortlichen benennt. "So entsteht der Eindruck, allein die Gedenkstätte und die vielen Engagierten vor Ort seien für die Missstände verantwortlich." Der SPD-Bildungspolitiker hatte bei einem Besuch der KZ-Gedenkstätte eine Reihe von Mängeln beanstandet und darüber hinaus eine Überarbeitung des Ausstellungs- und Bildungskonzepts gefordert. Der Vorsitzende der Lagergemeinschaft stört sich auch an Formulierungen Gülls, der den Zustand der Gedenkstätte als "beschämend" und "katastrophal" bezeichnet hatte.

Inzwischen hatte Güll, der Vorsitzender des Bildungsausschusses im bayerischen Landtag ist, einen Dringlichkeitsantrag in das Gremium eingereicht. Dieser zielte darauf ab, bis zu den Befreiungsfeierlichkeiten am Sonntag, 1. Mai, zumindest einen Teil der Mängel zu beheben. Es ging unter anderem um Schlaglöcher auf dem längst schon sanierungsbedürftigen Parkplatz, Dokumente, deren Schrift verblasst ist, kaputte Lesemappen oder auch zwei nicht mehr funktionstüchtige Medienstationen. Karl Freller, Direktor der bayerischen Gedenkstättenstiftung, sagte Abhilfe zu - Güll zog seinen Dringlichkeitsantrag darauf hin zurück. Diese Mängel, so Mannheimer, rechtfertigten nicht Ausdrücke wie "erbärmlich" oder "verlottert". In einer Einrichtung mit bis zu 900 000 Besuchern jährlich sei es keine große Leistung, Schäden festzustellen. Hätte Güll, wie Mannheimer schreibt, nicht ein Gespräch mit der Gedenkstättenleitung verweigert, hätte er erfahren, dass die fehlenden Lesebücher ergänzt worden seien und auch die Technik jetzt komplett neu gestaltet werde.

Der SPD-Politiker hatte jedoch grundsätzlich die Frage gestellt, ob die Form der Dauerausstellung aus dem Jahr 2003 noch zeitgemäß ist? Güll hatte erklärt, dass sich die Ausstellung dem Besucher nicht erschließe und gerade Jugendliche nicht anspreche. Dabei, so Mannheimer, habe er aber übersehen, dass schon seit vielen Jahren neue Medien- und Hörstationen und Vitrinen ergänzt würden. "Glaubt er im Ernst, man kann alle zehn Jahre eine komplett neue Ausstellung machen?" Mannheimer betont: "Mehrere meiner Kameraden wie André Delpech, Albert Theiss saßen mit mir damals im Beirat. Mein Freund Stanislaw Zámečník hat Teile der Ausstellungstexte geschrieben. Ich tue mich schwer, das so einfach über Bord zu werfen, auch wenn es eine neue Ausstellung geben muss." Mannheimer verweist darauf, dass die Realisierung von Projekten immer von Fördermitteln, aber auch von ausreichendem Personal abhängig sei. "Immer mehr Besucher kommen, und seit fast zehn Jahren gibt es nicht mehr Personal. Wie soll das funktionieren?"

Mehr Personal und mehr Geld für die KZ-Gedenkstätten hatte indes auch Güll vom Freistaat Bayern gefordert. Er hatte auch betont, dass seine Kritik nicht den Mitarbeitern der KZ-Gedenkstätte gelte, sondern der Staatsregierung. Im nächsten Monat, so Mannheimer, werde ein Projektantrag für die komplette Sanierung der beiden rekonstruierten Baracken und eine Ausstellung vorgelegt. "So etwas entwickelt man nicht von heute auf morgen." 70 Jahre habe es gedauert, bis man aus dem ehemaligen SS-Schießplatz Hebertshausen einen würdigen Gedenkort machen habe können. Mannheimer erklärt: Güll habe den Eindruck erweckt, er spreche im Namen der Überlebenden. "Dazu kann ich nur sagen, in meinem Namen spricht er nicht."

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