Dachau:Im Verfolgungswahn

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"Ich bin zunehmend paranoid geworden" Ein Mann verletzt seine Mutter unter Drogeneinfluss mit dem Messer. Jetzt mus er sich dafür vor dem Landgericht verantworten.

Von Andreas Salch

Als er glaubte, ein Unbekannter werde jeden Moment durch ein Fenster mit einer Pistole auf ihn schießen, schrie Hakan E. nach seiner Mutter. Der 28-Jährige stand in den frühen Morgenstunden des 21. Januar dieses Jahres in der Küche der Wohnung seiner Eltern und fühlte sich verfolgt. Er packte seine Mutter, versteckte sich hinter ihr und flehte sie an: "Mama, bitte bleib' bei mir." Hakan E. stand unter dem Einfluss von Drogen. Seit Dienstag muss er sich vor dem Landgericht München II verantworten. Denn E. soll seine Mutter nicht nur angefleht haben, ihn zu beschützen. Laut Staatsanwaltschaft hat er ihr in der Küche mit einem Messer die Schläfe aufgeritzt. Anschließend soll er sie in den Schwitzkasten genommen und zu Boden gedrückt haben. Da der 28-jährige Schlosser unter Drogen stand, kann er strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die Staatsanwalt hat den Antrag gestellt, E. in einer psychiatrischen Klinik unterzubringen.

Hakan E. ist bereits sechsfach vorbestraft. Bis 2008 verbüßte er wegen versuchten Mordes an einer früheren Freundin eine Jugendstrafe von vier Jahren. Schon bevor er ins Gefängnis kam, konsumierte der gelernte Schlosser Drogen. Nachdem er wieder in Freiheit war, machte er dort weiter, wo er aufgehört hatte. Er fand keine Arbeit. "Ich habe den Kopf in den Sand gesteckt und einen Ausweg in Drogen gesucht", sagte der 28-Jährige bei seiner Vernehmung vor der 4. Strafkammer. Hakan E. kam wieder ins Gefängnis. Diesmal für zweieinhalb Jahre, wegen Körperverletzung. Im März 2012 wurde er entlassen.

Als er bei der Suche nach einer Arbeitsstelle "erste Frustrationen" in Form von Absagen erlebte, habe er wieder begonnen Drogen zu nehmen, so E. Eines Tages habe ihm ein Freund eine verheiratete Frau vorgestellt. Sie habe angeblich nichts mehr von ihrem Mann wissen wollen und ein Abenteuer mit einem Liebhaber gesucht. Hakan E. ließ sich darauf ein. Als er mit der Frau einmal in ein Schwimmbad ging, glaubte er, ein Unbekannter beobachte ihn. Hakan E. vermutete, es handle sich um den Ehemann seiner Liebhaberin und der sei nun hinter ihm her. "Ich bin zunehmend paranoid geworden", berichtete der 28-Jährige. Doch auch das hielt ihn nicht davon ab, weiterhin alle möglichen Drogen zu nehmen.

Ende Januar eskalierte die Situation. Hakan E. war mit einem Freund in Dachau unterwegs. Er fuhr mit ihm auf den Schlossberg. Da sich das dort Amtsgericht befindet, habe er gedacht, der betrogene Ehemann warte mit der Polizei auf ihn und man werde ihn festnehmen. Nachdem Hakan E. wieder zu Hause war, glaubte er, ein Helikopter kreise über dem Anwesen. Er konnte nicht schlafen, weckte seinen Vater. Aus lauter Verzweiflung habe er die Polizei mehrmals angerufen, berichtete E. Er meinte, Einbrecher seien im Haus. Doch es kam keine Streife. Danach alarmiert der 28-Jährige die Feuerwehr. Auch sie kam nicht. Erst als seine Mutter die Polizei gebeten habe vorbeizuschauen, sei eine Streife gekommen. Zu dem Vorwurf, seine Mutter mit einem Messer attackiert zu haben, sagte Hakan E. nichts. Stattdessen überwarf er sich mit seinem Verteidiger. Er soll ihm geraten haben, nicht zu sagen, was geschehen ist. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 30.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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