Energie: Landwirte fürchten um ihre Biogasanlagen

Das Geschäft florierte, weil der Staat den erzeugten Strom subventionierte. Doch die Förderung steht zur Disposition.

Von Sebastian Jannasch, Dachau

Landwirt Arthur Stein betreibt in Röhrmoos einen Bio-Hof. Er baut Getreide und Kartoffeln an und züchtet Rinder. Gleichzeitig ist Stein Kraftwerksbetreiber. Denn in einer Anlage verwandelt der Bauer Gülle aus seiner Viehzucht, Kleegras von seinem Acker und Mais mit Hilfe von Bakterien in Biogas, mit dem sich Strom und Wärme erzeugen lassen. "Die Grundschule und eine Kita in Röhrmoos kann ich das ganze Jahr mit Wärme versorgen. Das spart Zehntausende Liter Heizöl", erzählt Stein. So trägt er zur Energiewende bei. Doch damit könnte bald Schluss sein. Denn die staatliche Förderung von Biogasanlagen läuft aus. Ohne sie lässt sich ein Biogas-Kraftwerk nicht wirtschaftlich betreiben. Zum aktuellen Marktpreis von etwa drei Cent je Kilowattstunde kann keine der 28 Biogas-Anlagen im Landkreis Strom erzeugen. "Betreiber brauchen 15 bis 20 Cent. Gibt es kein neues Programm, müssen die Biogas-Anlagen wohl stillgelegt werden", sagt Martin Barth, Sprecher des Biogas-Fachverbands für Oberbayern. Da es bisher keine Anschlussförderung gibt, schweben die Biogas-Landwirte im Ungewissen.

Lange galten Biogasanlagen als ideale Lösung, um die Umstellung auf erneuerbare Energien zu stemmen. Denn im Gegensatz zu anderen regenerativen Energien ist Biogas grundlastfähig. Das bedeutet, Strom kann rund um die Uhr das ganze Jahr lang erzeugt werden - unabhängig davon, ob die Sonne scheint oder der Wind weht. Das Gas lässt sich auch speichern. Besteht Bedarf, weil der Wind zu schwach oder die Nachfrage zu groß ist, kann Strom schnell ins Netz eingespeist werden. Die Politik genehmigte deshalb im Jahr 2000 großzügige Unterstützung: Ein fester Abnahmepreis für ihren Strom garantierte Biogas-Bauern 20 Jahre lang gute Gewinne. Daraufhin brach Goldgräberstimmung unter Bayerns Bauern aus. Mittlerweile gibt es mehr als 2300 Biogas-Anlagen im Freistaat, deren Strom etwa acht Prozent des Bedarfs deckt. Bauern konnten sich mit den Biogas-Anlagen ein wichtiges Standbein schaffen, das sie unabhängiger macht von schwankenden Lebensmittelpreisen.

Energie: Die Biogasanlage von Arthur Stein versorgt die Grundschule und eine Kindertagesstätte in Röhrmoos mit Wärme.

Die Biogasanlage von Arthur Stein versorgt die Grundschule und eine Kindertagesstätte in Röhrmoos mit Wärme.

(Foto: Toni Heigl)

Doch nicht alle teilen die Begeisterung für Biogas. Naturschützer beklagen die "Vermaisung" der Landschaft. Denn die Biogasanlagen brauchen riesige Mengen an Mais. "Das führt zu Monokulturen auf großen Flächen und nimmt vielen Tieren den Lebensraum", kritisiert Roderich Zauscher vom Dachauer Bund Naturschutz. Er plädiert dafür, verstärkt organische Abfälle und Gülle zu vergären. Unter Druck bringt die Biogas-Bauern aber vor allem, dass die Politik sich von ihnen abgewandt hat. Denn was Bauern gute Erträge liefert, ist Stromverbrauchern ein Dorn im Auge. Biogas-Energie ist teuer. Rohstoffe für die Vergärung und die Wartung der Anlagen verschlingen viel Geld, was sich auf den Strompreis niederschlägt. Um die Kosten der Energiewende zu reduzieren, entschied die große Koalition in Berlin deshalb vor anderthalb Jahren, dem Biogas-Boom ein Ende zu setzen. Die Förderung für neue Anlagen wurde so massiv gekürzt, dass seitdem kaum mehr neue entstehen, im Landkreis keine einzige.

Nun geht es den Biogas-Bauern nicht mehr ums große Geschäft, sondern ums Überleben ihrer bestehenden Anlagen. In einigen Jahren laufen bei den ersten die Verträge aus. Zum Beispiel bei Landwirt Josef Götz aus Markt Indersdorf. Er war ein Pionier unter den Betreibern von Biogas-Anlagen in Bayern. Im Jahr 2001 errichtete er sein Kraftwerk. Mit dem Biogas-Strom versorgt er mittlerweile 3000 Haushalte, mit der Wärme ein Gewerbegebiet und eine Schule mit Hallenbad in Indersdorf. Nun fragt er sich, wie es weitergehen soll. "Wir brauchen Planungssicherheit. Die Weichen müssen jetzt in Berlin richtig gestellt werden", sagt Götz. Zwar erscheint 2021 noch weit weg. Doch: "Investitionen werden mit viel Vorlauf und für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren kalkuliert", sagt Martin Barth vom Biogas-Fachverband. Ein neuer Motor für eine Anlage könne mehr als 100 000 Euro kosten. Kein Landwirt steckt hohe Summen in technische Optimierungen, wenn nicht klar ist, wie lang er Anlagen noch betreiben kann.

Energie: Viehzüchter und Kraftwerksbetreiber: Der Röhrmooser Landwirt Arthur Stein verwendet für die Produktion von Biogas auch Gülle.

Viehzüchter und Kraftwerksbetreiber: Der Röhrmooser Landwirt Arthur Stein verwendet für die Produktion von Biogas auch Gülle.

(Foto: Toni Heigl)

Im Bundeswirtschaftsministerium wird derzeit um eine Neuregelung der Förderung erneuerbarer Energien gerungen. Ziel ist es, den Wettbewerb zu stärken und die Förderung zu senken. Im Frühjahr 2016 will die Bundesregierung die Novelle beschließen. Nach derzeitigem Stand ist eine feste Anschlussförderung für Biogas-Kraftwerke passé. Ganz verzichten will man auf die Anlagen aber offenbar nicht. Stattdessen sollen sie effizienter und flexibler werden. Statt im Dauerbetrieb zu laufen, könnten sie verstärkt als Puffer fungieren, wenn andere erneuerbare Energien keinen Strom liefern. Diskutiert wird zudem, Ausschreibungen zu organisieren, sodass jene Betriebe den Zuschlag erhalten, die Biogas-Strom am günstigsten bereitstellen. Die Kosten sollen damit gedeckelt werden. Biogas-Bauer Josef Götz hat sich auf diesen Trend schon eingestellt. Mehr als eine Million Euro investierte er bereits in sein Biogas-Kraftwerk. Die Stadtwerke in München steuern eigenständig, ob in Götz' Anlage Strom produziert wird - flexibel nach dem aktuellen Bedarf.

Anton Kreitmair, Kreisobmann des Bauernverbandes, ist optimistisch mit Blick auf den Weiterbetrieb von Biogas-Anlagen: "Ich glaube, dass eine Anschlussregelung gefunden wird. Biogas ist ein wichtiger Bestandteil für eine erfolgreiche Energiewende."

Landwirt Stein aus Röhrmoos glaubt ebenfalls daran, dass es eine Lösung geben wird, bis seine Anlage in 15 Jahren aus der Förderung ausscheidet. Doch über Alternativen denkt er auch schon nach. "Ich wünsche mir, dass es bis dahin mehr Autos gibt, die mit Biogas fahren. Dann beliefere ich eben Tankstellen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: