Süddeutsche Zeitung

Tracht:Im Designer-Dirndl

Speziell zum Oktoberfest lassen sich die Trachten-Designer in Dachau einiges einfallen. Sie spielen mit der Tradition und modischen Akzenten. Dabei betonen sie, dass ihre eigenen Kreationen in Deutschland hergestellt werden

Von Andreas Förster, Dachau

Sie kommen aus Japan, Russland oder Amerika, und sie wollen nur eines: Ein schickes Wiesn-Outfit. Auch in Dachau sind massenweise Touristen unterwegs auf der Suche nach dem schönsten Dirndl oder einer zünftigen Lederhosen. So kann man auch hier alles kaufen, was das Folklore-Herz begehrt: vom ausgefallenen Designer-Dirndl für mehrere Hundert Euro über das preiswerte Trachten-Set beim Discounter bis hin zur gut erhaltenen Second-Hand-Mode.

Wer es traditionell mit einer frischen Note mag, kommt an Melanie Ullmanns Landhausmode am Oberanger Ecke Münchner Straße nicht vorbei. Die 33-Jährige hat das Traditionsgeschäft 2010 von ihrem Vater übernommen und bietet neben ihrer selbst entworfenen Kollektion Markenware an, die ausschließlich in Deutschland oder Österreich produziert wird. "Auch die günstigere junge Trachtenmode, für die sich vor allem Mädchen interessieren, wird in Deutschland gefertigt", betont Ullmann. Sie setzt sich bewusst von der Massenware ab, die die großen Kaufhäuser oder Discounter vielfach anbieten. "Das ist nicht unser Verständnis von Tracht", versichert sie. Das kommt an. So lässt sich beispielsweise die Dachauer Kultband "Ois Easy" ihre individuellen Outfits von Melanie Ullmann entwerfen.

Die Besonderheiten in diesem Jahr sind bei Ullmanns Dirndls die dezenten Stehkrägen sowie die Schösschen, also kunstvolle Falten, die das Oberteil etwas verlängern. Bei den Herren sind es, wie im letzten Jahr, Samt-Westen, zum Teil in kräftigen Farben. Das Thema, unter das sie ihre Kollektion 2014 gestellt hat, lautet "Beerengarten". Deshalb die beerigen Farben, zum Beispiel bei der Partnerlook-Kollektion, bei der Mamas Dirndl, Papas Weste und Töchterchens Dirndl in Heidelbeer-hellblau gehalten sind. Erstmals bietet Melanie Ullmann also auch eigene Herren-Westen an, demnächst will sie auch Outfits in authentischer Dachauer Tracht entwerfen und schneidern lassen. Während des Oktoberfests ist der Andrang so groß, dass es zusätzlich einen eigenen Fabrikverkauf gibt: Direkt an die Werkstatt in der Otto-Hahn-Straße 22 schließt der Ullmann-Schnäppchenmarkt an.

Ganz andere Akzente setzt Anette Petermann mit ihrem Label "Luxuspuppen". Ihre Wiesn-Couture ist "kosmopolitisch bayerisch", mischt dabei traditionelle Trachtenelemente wie den Latz einer Lederhose mit anderen Materialen und fertigt daraus im Stil von "Edel-Recycling", wie sie es bezeichnet, ein sehr individuelles "Fashion-Unikat". Petermann ist seit 30 Jahren Modedesignerin, hat lange in London gelebt und mit vielen Promis wie Mick Jagger, Heidi Klum oder Kevin Costner gearbeitet. Ihre kreativen Entwürfe präsentiert sie in ihrem Showroom in der Konrad-Adenauer-Straße 34 in der Dachauer Altstadt. Sowohl Einzelhändler können sie dort ansehen und bestellen, aber "natürlich sind auch normale Kunden willkommen", betont Petermann. "Wenn jemand ein Ausstellungsstück gefällt, es aber nicht passt, wird es passend gemacht", versichert die quirlige Berlinerin, die seit vier Jahren in Bayern lebt und sich in das Trachtenthema "verliebt hat". Ihre Ware wird ausschließlich in Bayern produziert, darauf legt sie Wert.

Das verbindet Petermann mit ihrem Gegenüber, dem klassischen Trachtenladen von Fritz Schiela. Auch hier wird auf Qualität made in Germany oder Austria Wert gelegt. Mehr Berührungspunkte finden sich allerdings nicht. Das Traditionshaus Schiela gibt es bereits seit beinahe 150 Jahren, früher wurden dort in der Gerberei die Lederhosen noch per Hand gefertigt. Die Gerberei wurde Mitte der 80er Jahre geschlossen, aber Fritz Schiela ist noch gelernter Gerber. Mit Lederhosen kennt er sich aus wie kaum ein Zweiter - und kann entsprechend beraten. Seine Kunden kommen teilweise seit Generationen, weil sie "a guads G'wand wollen", verrät Schiela. Nur beste Qualität, nie würde er in Fernost produzieren lassen oder etwas von dort erwerben. "Schon aus Umweltschutzgründen", meint er, denn beim Gerben des Leders werde keine Rücksicht auf die Umwelt genommen und die anfallenden Schadstoffe ungefiltert ins Meer oder ins Grundwasser geleitet. Er weiß auch, dass heute die Ware hauptsächlich nur noch über den Preis verkauft wird. "Wenn wirklich niemand mehr anständig produzierte Sachen will, dann mach ich den Laden halt zu", erklärt der 65-Jährige. Aber wie es aussieht, darf er noch ein paar Jahre weitermachen.

Verhältnismäßig neu in der Stadt ist der Laden von Martina Stäuble. Seit März diesen Jahres vermietet sie im "Flo-Paradies" in der Frühlingsstraße nicht nur Regale, in denen man dort seine gebrauchten oder neuen Waren anbieten kann. Sie bietet selbst auch neue, selbst geschneiderte Dirndl sowie Trachtenkleider und Wiesn-Outfits aus zweiter Hand an, die ihre Kunden ihr vorbei bringen. Der Preis der Second-Hand-Mode richtet sich dabei nach der Marke: "Ein Dirndl von C&A kostet natürlich weniger als ein Dirndl von Berwin & Wolf oder von Lola Paltinger", sagt Stäuble. Nur während der Trachten-Saison, angefangen im August zum Dachauer Volksfest bis zum Wiesn-Ende im Oktober, brummt bei ihr das Geschäft mit den Trachten. Danach wird's gruselig: Mit Mode für Halloween.

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Quelle:
SZ vom 27.09.2014
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